Wird der Iran zum nächsten Ziel der amerikanischen Präventivkriegsstrategie ?
Laut einem Bericht des US-Reporters
Seymour Hersh in der renommierten Zeitschrift ?New Yorker? haben in den
vergangenen Monaten geheime US-Kommandos mögliche Angriffsziele im Iran
ausgespäht. Die US-Spezialeinheiten versuchten dem Bericht zufolge,
rund drei Dutzend chemische und nukleare Anlagen sowie
Raketenabschussbasen in Iran auszuforschen. Hierzu erklärt Dr. Rolf Mützenich, Sprecher der AG ?Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung?:
Eigentlich müsste die Regierung in Washington aus den Fehlern des
Irak-Krieges gelernt haben. Deshalb klingt der Bericht der angesehenen
Zeitschrift ?New Yorker? über das Auskundschaften militärischer Ziele
im Iran auf den ersten Blick unglaubwürdig. Doch die halbherzigen
Dementis aus dem Weißen Haus lassen Schlimmes befürchten. Denn die
angeblichen Erkundungen passen in die US-amerikanische Strategie so
genannter ?Abrüstungskriege?. Voreilig ist man bereit, militärische
Gewalt gegen vermeintliche oder bekannte Bedrohungen einzusetzen. Wie
im Irak oder anderswo sind solche Schritte kontraproduktiv: die ins
Fadenkreuz der amerikanischen Präventivkriegsstrategie geratenen Länder
igeln sich ein und streben nach militärischer Stärke. Möglicherweise
entscheiden sie sich in dieser Situation erst Recht,
Massenvernichtungswaffen zu erwerben. Dies ist der Kreislauf, der uns
Europäern aus dem Ost-West-Konflikt nur zu gut bekannt ist. Deshalb ist
die einzige Chance innerhalb dieses Sicherheitsdilemmas: die USA und
Europa müssen eine gemeinsame Strategie gegenüber dem Iran verfolgen.
Es geht darum, die politisch Verantwortlichen im Iran gemeinsam davon
zu überzeugen, glaubhaft, nachprüfbar und endgültig auf die
militärische Nutzung der Kernenergie zu verzichten. Es gibt Hinweise,
dass die iranische Seite ? nach jahrelangen Täuschmanövern und
unzureichender Kooperationsbereitschaft ? jetzt die Chance zu einer
Verständigung nutzen will. Dafür hält die Europäische Union Angebote
bereit. Auch die US-Regierung könnte diesen Weg mitgehen und
unterstützen. Dies wäre ein guter Start für die in wenigen Tagen
beginnende zweite Präsidentschaft von George W. Bush. Eine
transatlantische Zusammenarbeit auf diesem Feld ist schon lange
überfällig. Zumal es unter diesen Umständen dem Iran noch schwerer
fallen dürfte, die dringend erforderliche Zusammenarbeit auszuschlagen.
Unabhängig von aller Rhetorik: die politisch Verantwortlichen in
Teheran sind auf die Zusammenarbeit mit dem Westen angewiesen, wenn sie
die sozialen Umbrüche in der iranische Gesellschaft friedlich
bewältigen wollen.