"Nicht jeder großer Dichter ist ein guter politischer Kommentator"
Zum Wirbel um das Israel-Gedicht von Günter Grass erklärt der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Dr. Rolf Mützenich:
Mit seinem israelkritischen Text "Was gesagt werden muss" hat sich Günter Grass wieder einmal politisch exponiert geäußert. Die Hauptgefahr für den "Weltfrieden" sieht er im israelischen Atomprogramm - wohl wissend, dass ihm dies von den üblichen Verdächtigen wie Henryk M. Broder den Antisemitismusvorwurf einbringen wird. Auch wenn Grass sicher kein Antisemit ist, bleibt sein Gedicht seltsam einseitig. Die Gefahr geht ausschließlich von der Atommacht Israel aus. Die Gefahren, denen sich der jüdische Staat gegenübersieht, werden hingegen verschwiegen. Ahmadinedschad, der Israel mehrfach mit der Vernichtung gedroht hat, wird verharmlosend als "Maulheld" bezeichnet. Dass der iranische Präsident nicht nur ein Maulheld, sondern durchaus auch zum Einsatz tödlicher Gewalt fähig ist, hat dieser zuletzt bei der blutigen Niederschlagung der iranischen Oppositionsbewegung bewiesen.
Günter Grass hat natürlich Recht, wenn er die atomare Rüstung als Gefahr für den Weltfrieden benennt. Dies gilt allerdings für alle Atomwaffen nicht nur für die israelischen. Deshalb verdient Obamas Vision einer atomwaffenfreie Welt alle erdenkliche Unterstützung. Und deshalb muss auch die iranische Atombombe verhindert werden. Denn jede weitere Kernwaffe im Nahen Osten würde die Region weiter destabilisieren. Die Bereitschaft der israelischen Regierung an den Verhandlungen der Vereinten Nationen über eine Massenvernichtungswaffenfreie Zone im Nahen und Mittleren Osten teilzunehmen, sind hier ein wichtiges positives Signal. Der Region fehlt es nicht an Waffen, sondern an Vertrauen.
Den Vorwurf, den ich Günter Grass mache - ist neben der Verharmlosung der iranischen Bedrohung - die Gleichsetzung des israelischen Volkes mit der israelischen Regierung. Hier besteht auch kein Tabu, diese zu kritisieren. Die israelische Siedlungspolitik wird seit Jahren - nicht nur von der SPD - als wichtiges Hindernis auf dem Weg zu einem Frieden in Nahost benannt. Ein friedlicher und atomwaffenfreier Naher Osten ist ebenso Teil deutscher Staatsräson, wie das Existenzrecht Israels.
Mit seinem "Gedicht" hat der Literaturnobelpreisträger Grass einmal mehr bewiesen, dass nicht jeder großer Dichter auch ein guter politischer Kommentator ist.