Rüstungsexportentscheidungen der Bundesregierung
Liebe Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Ich möchte diese Aktuelle Stunde gern dazu benutzen, das Selbstverständnis dieses Parlamentes zu referieren oder zumindest ein bisschen zu stärken. Ich versuche, das gegenüber allen Fraktionen zu tun. Wir sollten nämlich als Parlament erst einmal so auftreten, dass wir in der Außenpolitik noch stärker mitreden können, als wir es in den letzten Jahren geschafft haben. Die Außenpolitik war lange Jahre, ja Jahrzehnte eigentlich immer nur ein Gebiet der Bundesregierung. Es ist durchaus schwer gewesen, das Parlament stärker in die Verantwortung einzubeziehen. Die Bundesverfassungsgerichtsurteile über eine Parlamentsarmee und viele andere Dinge gehören letztlich mit dazu. Deswegen glaube ich - das ist mein Selbstverständnis -, dass die derzeitige Praxis bei der Frage der Rüstungsexporte vordemokratisch ist.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir brauchen eine andere Form der Mitbestimmung, der Mitberatung und letztlich auch der Empfehlung.
Ich finde, zu einem Parlament, das ein gewisses Selbstverständnis und auch eine gewisse Stärke einzubringen hat, gehört auch, diese Forderung aufzustellen. Das ist etwas, was ich mir als Abgeordneter wünsche. Insofern wäre es mir schon recht gewesen, wenn auch das Bundeskanzleramt heute Abend mit dabei wäre; denn es sitzt auch dem Bundessicherheitsrat vor. Ich finde zwar schön, dass die im Bundessicherheitsrat vertretenen einzelnen Ressorts hier anwesend sind, aber ich hätte mir letztlich schon gewünscht, dass gerade das Bundeskanzleramt hier das hört, was ein selbstbewusstes Parlament in diese Debatte mit einbringen will.
Ein Weiteres. In der Tat kritisieren Sie oft genug und, wie ich glaube, in einzelnen Teilen zu Recht das, was Vorgängerregierungen getan haben. Aber Sie vergessen dabei immer einen Aspekt: Abgeordnete meiner Fraktion haben bestimmte Entscheidungen auch zu rot-grüner Zeit ? darauf bin ich stolz ? kritisiert. Da hätte ich Sie gern an unserer Seite gehabt. Eine solche Kritik kennzeichnet ein selbstbewusstes Parlament, das mit der Frage der Rüstungsexporte umgeht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ? Dr. ReinhardBrandl [CDU/CSU]: Sie hätten ja die Parlamentsbeteiligung einführen können!)
Ich finde, dieses Parlament verdient schon, dass wir über die Rüstungsexporte kritisch diskutieren, egal wer in der jeweiligen Situation die Koalition stellt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsfraktionen, ich würde mir schon wünschen, dass Sie mit der Bundeskanzlerin hinter verschlossenen Türen - ich glaube, da gehört diese Sache erst einmal hin - über die gefährliche Gratwanderung reden, die sie hinsichtlich der Rüstungsexporte in den letzten Monaten offensichtlich begonnen hat. Weil sie weiß, dass es bei den Bundesbürgerinnen und Bundesbürgern nicht populär ist,
(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Das stimmt nicht!)
für Auslandseinsätze einzutreten, hat sie die Schlussfolgerung gezogen: Dann liefere ich doch lieber Waffen an andere Länder.
Ich glaube, der eine oder andere in den Koalitionsfraktionen weiß, welch gefährliche Gratwanderung die Bundesregierung hier gerade zu machen versucht. Schauen wir uns noch einmal die Zahlen der Rüstungsindustrie an: Die Rüstungsindustrie ist doppelt so stark gewachsen wie die deutsche Industrie insgesamt. Das ist doch bereits die Antwort auf diese neue Doktrin.
Damit bin ich bei einem weiteren Aspekt, der für ein selbstbewusstes Parlament spricht. Bitte helfen Sie dabei mit, die Bundesregierung auf einen anderen Weg zu bringen! Man darf Waffenlieferungen nicht mit deutscher souveräner Außenpolitik verwechseln.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch von den Koalitionsfraktionen, wir haben noch einige Monate in dieser Legislaturperiode. Ich bin Herrn Stinner, Herrn Polenz und vielen anderen sehr dankbar, die gesagt haben: In der Tat, da gibt es Nachbesserungsbedarf. Ich habe Sie vor einigen Tagen eingeladen und gesagt: Lassen Sie uns darüber reden und möglicherweise auch Vorschläge einbringen!
Wenn ich aus der heutigen Ausschusssitzung referieren darf: Sie wollen ja auch mehr Information. Sie wollen im Grunde genommen auch den souveränen Abge-ordneten in die Diskussion bringen, mit dem Ziel, die Bundesregierung zu beraten und von bestimmten Entscheidungen abzuhalten. Dann lassen Sie es uns doch gemeinsam tun und die Bundesregierung auf einen neuen Weg bringen! Liebe Kolleginnen und Kollegen, geben Sie sich einen Ruck! Ich glaube, gerade die bundesrepublikanische Politik hätte es verdient, dass nicht nur über eine andere Rüstungsexportpolitik diskutiert wird, sondern dass das Parlament auch stärker einbezogen wird.
Vielen Dank.