Werben in Moskau
Die Regierung in Washington will zehn Abfangraketen in Polen stationieren und in Tschechien ein Radarsystem einrichten, um Angriffe orten zu können. Die Bundeskanzlerin mahnte noch einmal zur Geschlossenheit: Europa dürfe nicht gespalten werden, sagte die EU- Ratspräsidentin.
Am Montag will - als bislang ranghöchster Gesprächspartner - US-Verteidigungsminister Robert Gates versuchen, Russland von der geplanten Stationierung zu überzeugen. Bislang lehnte der Kreml jede Zusammenarbeit ab.
Dazu ein Gespräch mit Rolf Mützenich von der SPD. Er ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestages.
Das Interview im Wortlaut:
Sabine Porn: Halb zog es ihn, halb sank er hin - die Regierung in Washington gibt dem Drängen Europas nach und wird Russland Angebote machen, Angebote welcher Art?
Rolf Mützenich: Ja bin ich auch gespannt, aber es ist gut, dass überhaupt diese Diskussion jetzt erfolgt und dass diese Angebote auch sehr dezidiert mit der russischen Seite diskutiert werden und dafür kann man nur dankbar sein. Ich glaube, dass es insbesondere der europäische Druck gewesen ist und die deutsche Diskussion.
Porn: Sie kommen gerade von Gesprächen in Amerika zurück - wie haben Sie die Haltung der Amerikaner erlebt, wie kompromissbereit ist man in Washington in der Frage 'Raketenabwehr in Europa'?
Mützenich: Ich glaube, begrenzt. Denn es ist natürlich - und darüber müssen wir uns im klar werden - ein nationales Projekt, was darauf angewiesen ist, mit bilateralen Verträgen insbesondere das nationale Territorium der USA mit dieser Technik angeblich zu schützen. Es wird natürlich auch angeboten, diesen Schirm auf andere Länder auszuweiten, aber die Einsatzoption, die Entscheidung darüber wird nach meinem Dafürhalten allein bei den USA liegen.
Porn: Die Kanzlerin sagt, die Diskussion über den Schutzschild muss innerhalb der NATO geführt werden, schließt eine Beteiligung Deutschlands aus. Unionspolitiker fordern, die Haltung zu überdenken und aus der SPD kommt scharfe Kritik, die Partei warnt sogar vor einem Wettrüsten. wie heißt denn die gemeinsame Position der Koalition?
Mützenich: Ich denke, da muss erst einmal CDU/CSU Klarheit schaffen, weil die Kanzlerin auch gleichzeitig CDU-Vorsitzende und sie muss eben auch mit ihren Parteikollegen darüber reden, was denn letztlich die Haltung ist. Die Haltung der sozialdemokratischen Partei ist eindeutig: Wir brauchen nicht mehr Raketen, sondern wir brauchen mehr Diplomatie an dieser Stelle und es ist ja auch sehr wandelbar die Begründung für das Raketen-Abwehr-Schild. Vor einigen Monaten war es noch Nordkorea gewesen, da ist mithilfe diplomatischer Bemühung es doch gelungen, zumindest die Bedrohungswahrnehmung etwas zu reduzieren und unser Vorgehen ist, dies genau so im Iran zu machen. Entscheidend bleibt aber, dass Russland eingebunden wird in dieser Frage. Ob die NATO einen Beitrag zum Raketen-Abwehr-Schild leisten soll, da bin ich persönlich sehr skeptisch, insbesondere weil es sich ja um ein nationale Raketen-Abwehr-Programm handelt und innerhalb der NATO ist man letztlich noch nicht so weit.
Porn: Aber Sie sagten noch mal: Russland einbinden und nicht konfrontieren mit bereits gefassten Entscheidungen. Wie kann denn dieses Einbinden aussehen?
Mützenich: Insbesondere dass der amerikanische Verteidigungsminister heute diese Gespräche führt, ob er zu einer technischen Zusammenarbeit bereit ist - das wird sich zeigen. Es geht aber letztlich darum - und das war ja auch das Bemühen des SPD-Parteivorsitzenden Kurt Beck - die Frage stärker im Hinblick auf die Abrüstung und Rüstungskontrolle zu öffnen. Und ich glaube auch das, was den russischen Präsidenten in München damals umgetrieben hat ist natürlich auch die Frage der strategischen Stabilität. Und sollte ein solches System wie das der USA einmal funktionieren, wird natürlich die strategische Stabilität, die noch aus dem Ost-West-Konflikt und der Verträge resultiert, durchaus in Unordnung geraten.
Porn: Verstehe ich Sie richtig, wenn Sie eigentlich meinen, man muss erstmal generell diskutieren, ob man so ein Raketenabwehr-System in Europa und gerade auch in den osteuropäischen Ländern braucht?
Mützenich: Dafür trete ich ein und ich glaube, wir wären gut beraten, uns ein bisschen mehr Zeit dazu zu lassen. Das Problem ist glaube ich auch deswegen so wichtig zu diskutieren - man sieht ja nicht nur das Raketen-Abwehr-Programm als solches, sondern es gibt ja auch in den USA eine Militär-Doktrin, die zu präventiven militärischen Schlägen bereit ist und sich auch in der Lage sieht, und das in der Kombination ist natürlich auch eine Herausforderung für Europa. Auf der anderen Seite müssen wir natürlich gemeinsam gegenüber dem Iran handeln, aber das wird man nicht allein durch Militarisierungsschritte hinbekommen und das ist auch der Appell an die USA, sich an diesen diplomatischen Bemühungen noch stärker zu beteiligen.