Wahl in Israel: SPD-Außenexperte Mützenich räumt Livni kaum Chancen zur Regierungsbildung ein

Interview mit Dietmar Ringel
Veröffentlicht: 
rbb Inforadio, 11.02.2009
Thema: 
Parlamentswahlen in Israel

Zusammenfassung:

Der SPD-Außenexperte Rolf Mützenich sieht im Ergebnis der israelischen Parlamentswahl kein Signal für die Wiederaufnahme des Friedensprozesses. "Im Grunde haben die Parteien gewonnen, die auch nicht mehr hinter dem Friedensprozess von Oslo stehen", sagte der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich am Mittwoch im rbb-Inforadio.

Außenministerin Zipi Livni räumte er geringe Chancen ein, Regierungschefin zu werden: "Ich sehe das nicht aufgrund des Wahlergebnisses. Es ist ein Wahlergebnis mit einem deutlichen Auftrag an die Parteien, die Mitte rechts in Israel stehen."

Mit Blick auf die Wiederaufnahme des Friedensprozesses bezeichnete er Livni als "die bessere Alternative gegenüber den anderen Konstellationen." Sie trete dafür an, den Friedensprozess mit der Fatah im Westjordanland und womöglich auch mit der PLO zu führen. Zudem sei Livni "ganz bewusst nicht gegen die arabische Minderheit in Israel eingestellt."

Dr. Rolf Mützenich, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestages und abrüstungspolitischer Sprecher, SPD, befragt von Dietmar Ringel.

Vollständiges Interview:

Dietmar Ringel: Welches Signal geht für Sie von Israel aus?

Rolf Mützenich: Nun, wir müssen natürlich die Regierungsbildung abwarten und wenn sich das bestätigt, was zumindest das Wahlergebnis zeigt, dass Mitte-Rechts gewonnen hat, dann wird es ein schwieriger Prozess werden. Vor allen Dingen für die innenpolitischen Verhältnisse, insbesondere das Verhältnis zu der arabischen Minderheit in Israel, aber auch für den Friedensprozess. Ich glaube, das einzig Überraschende an der Wahl ist, dass diese teilweise frauenfeindliche Stimmung, die in dem Land gegenüber Zipi Livni provoziert worden ist, scheinbar bei der Bevölkerung nicht so verfangen hat, wie man das hatte befürchten müssen.

Ringel: Glauben Sie, dass es einen deutlichen Unterschied machen würde, wenn Livni oder aber doch Netanjahu ans Ruder kämen?

Mützenich: Ich glaube schon. Livni steht für eine teilweise neue Politik innerhalb der israelischen Innenpolitik. Sie tritt auch damit an, zumindest einen Friedenprozess der Fatah im Westjordanland und vielleicht sogar mit der einen oder anderen Partei innerhalb der PLO zu führen und auch mit Syrien Friedensgespräche zu führen. Sie ist eben ganz bewusst nicht gegen die arabische Minderheit in Israel eingestellt, also alles das, was die anderen Parteien von sich sagen können und müssen.

Ringel: Sie glauben also für den Fortgang oder überhaupt die Wiederaufnahme des Friedensprozesses wäre Livni ein Gewinn?

Mützenich: Sie wäre mit Sicherheit die bessere Alternative zu der anderen Konstellation. Ich würde mir auch wünschen, dass Livni es schafft, aber ich sehe das nicht anhand des Wahlergebnisses, denn es ist ein Wahlergebnis mit einem deutlichen Regierungsauftrag an die Parteien, die Mitte-Rechts in Israel stehen.

Ringel: Andere sprechen noch deutlicher von einem "Rechtsruck" in Israel. Da spielt ja auch der Nationalist Avigdor Liebermann mit seiner Partei "Unser Haus Israel" eine Rolle ? ohne den wird demnächst wenig oder nichts gehen. Kann er denn der Regierung künftig vorschreiben wo es lang geht? Was ist da zu erwarten?

Mützenich: Das scheint so. Und wenn es keine mögliche Große Koalition zwischen Kadima und Likud gibt, was nicht sehr wahrscheinlich ist, wird Liebermann das Zünglein an der Waage sein. Ich verspreche mir von Liebermann überhaupt nichts, im Gegenteil. Das Problem ist, dass er ja sehr stark Stimmung gegen die arabische Bevölkerung in Israel gemacht hat. Er hat mit dafür gesorgt, dass sie zuerst nicht zur Wahl hätten zugelassen können, er verfolgt einen sehr radikalen Kurs sowohl gegenüber Hamas als auch dem Friedensprozess mit Syrien und dann natürlich auch gegenüber dem Iran. Das sind alles sehr schlechte Vorzeichen. Im Grunde genommen haben die Parteien gewonnen, die auch nicht mehr hinter dem Friedensprozess von Oslo stehen und das ist auch ein Problem für die internationale Gemeinschaft und eine große Herausforderung für den neuen amerikanischen Präsidenten Obama.

Ringel: Ich danke Ihnen recht herzlich für diese Einschätzung. Rolf Mützenich war das, für die SPD im Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestages.