"Eine Waffenruhe wäre ein erreichbares Ziel"

Interview mit Judith Schulte-Loh
Veröffentlicht: 
WDR 5 Morgenecho, 10.05.2013
Thema: 
Ringen um diplomatische Lösung im Syrien-Konflikt

Der Bürgerkrieg in Syrien spitzt sich zu. Nun planen USA und Russland eine Friedenskonferenz. Gehören auch Iran und Saudi-Arabien mit an den Verhandlungstisch? Nahostexperte Mützenich erläutert im Morgenecho-Interview, warum an diese Länder kein Weg vorbei führt und was man von der Konferenz erwarten kann.

Judith Schulte-Loh: Im Syrienkonflikt setzt der amerikanische Präsident Barack Obama weiterhin auf Diplomatie. Die USA und Russland haben sich darauf geeinigt, eine internationale Konferenz zu diesem Thema abzuhalten - und zwar noch in diesem Monat. Für den deutschen Außenminister ist dies ein "starkes Signal" an alle für ein Ende der Gewalt. Der UNO-Sondergesandte für Syrien, Lakhdar Brahimi, wertet es als erste hoffnungsvolle Nachricht seit langer Zeit. Aber was kann eine solche Konferenz bewirken? Wer soll überhaupt teilnehmen? Fragen an Rolf Mützenich, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.
Welche Chancen hat eine internationale Konferenz, jetzt noch Einfluss auf den Syrienkonflikt zu nehmen?

Rolf Mützenich: Wenn die entscheidenden Akteure hieran mitwirken wollen, sehe ich durchaus eine Möglichkeit, auf den Konflikt einzuwirken. Das wird aber letztlich auch auf Akteure wie die arabischen Staaten ankommen, den Iran oder die Gewaltakteure in Syrien, die offensichtlich nur von wenigen Akteuren erreicht werden - eine schwierige Gemengelage. Dennoch ist es ein richtiger Weg, dass sich die USA und Russland auf eine sogenannte Genfer-Initiative 2 durchgerungen haben.

Schulte-Loh: Es ist jetzt ein Jahr her, dass man sich in Genf zusammensetzte. Seitdem hat sich vieles zum Negativen entwickelt. Bei den Assad-Gegnern hat der Einfluss der radikalen Islamisten stark zugenommen. Die Bedingungen, tatsächlich alle Verhandlungspartner, die wichtig sind, an einen Tisch zu bekommen, scheinen viel schwieriger geworden zu sein.

Mützenich: Deswegen muss man sich jetzt auf wenige Ziele verständigen. Das wäre eine Waffenruhe, um die humanitäre Situation der Menschen in den umkämpfen Gebieten zu verbessern. Die Vereinten Nationen, die versuchen auch mit Nichtregierungs-Organisationen hier medizinische und andere Hilfe zu leisten, kommen letztlich an die Menschen überhaupt nicht mehr heran. Eine Waffenruhe wäre ein erreichbares Ziel, wenn die Akteure einsehen würden, dass es keine militärische Lösung in dieser Situation gibt.

Schulte-Loh: Das scheint derzeit nicht ganz der Fall zu sein. Die Frage ist auch, was ist mit den Akteuren in der Situation insgesamt? Auf seiten Assads stehen der Iran und die libanesische Hisbollah, und auf der Seite der Rebellen Saudi-Arabien und Katar. Müssten die nicht mit in die Gespräche einbezogen werden?

Mützenich: Es ist die Aufgabe der nächsten Tage insbesondere vonseiten der USA auf die Regierungen Einfluss zu nehmen, die an diesem Konflikt extern beteiligt sind, sich dieser Initiative anzuschließen. Das ist auch die Aufgabe Russlands gegenüber dem Assad-Regime, aber auch gegenüber dem Iran deutlich zu machen, dass einem solchen Versuch eine Chance gegeben werden muss. Ich zweifle letztlich auch daran, ob wir erfolgreich sein werden. Aber unter den ohnehin schlechten Alternativen ist es zumindest noch ein Versuch, der Diplomatie eine Chance zu geben.

Schulte-Loh: Offiziell bemüht sich Russland um eine diplomatische Lösung. Gleichzeitig kommt die Meldung, dass Moskau den Verkauf eines modernen Luftabwehrsystems an Assad plant. Wie beurteilen Sie das?

Mützenich: Diese Meldung kam ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, wo die Bemühungen des neuen amerikanischen Außenministers, John Kerry, einen gewissen Erfolg gezeigt haben. Ich kann von hier aus schlecht einschätzen, was sich tatsächlich hinter dieser Meldung verbirgt. Aber wir haben es immer wieder damit zu tun, dass Russland Waffen liefert, aber in den vergangenen Jahren davon Abstand genommen, diese hochmodernen Flugabwehrsysteme zu liefern. Weder haben sie an den Iran geliefert noch damals an Syrien. Wir werden in den nächsten Wochen sehen, ob Russland möglicherweise deutliche Signale gibt, dass es von diesen Waffenverkäufen Abstand nimmt. Ansonsten wäre das eine schwierige Situation für die Initiative Genf 2.

Schulte-Loh: Was bedeutet diese Entwicklung für Israel?

Mützenich: Israel hat ein Interesse, dass es zu einer Verhandlungslösung kommt. Man hat gesehen, dass Israel durch diesen unmittelbaren Eingriff auf Waffenlieferungen an die Hisbollah große Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Aber Israel und die israelische Regierung haben nebenher so viele andere Probleme, dass sie versuchen wollen, eine Lösung in Syrien mit zu vermitteln. Weil sie wissen, sie haben es mit einem Bürgerkrieg mit neuen Akteuren zu tun, die in die Region hineingekommen sind. Natürlich verbirgt sich auch immer wieder der Iran dahinter.

Schulte-Loh: Wenn es zu dieser internationalen Konferenz kommt, ist es dann ein Erfolg, dass man sich auf einer Konferenz einigen konnte, die aber dem Syrienkonflikt nichts bringen wird?

Mützenich: Das müssen wir abwarten, ob die Konferenz dem Syrienkonflikt nichts bringt. Wenn ein Waffenstillstand erreicht werden könnte, um die humanitäre Situation durch den Zugang von Hilfsorganisationen zu erleichtern, wäre das ein Erfolg im Sinne der Menschen. Es war notwendig gewesen, und das hat der amerikanische Außenminister John Kerry getan, auch die Interessen Russlands in dieser Situation zumindest mit zu beachten. Da gibt es nicht nur den Hafen in Tartus, wo Russland seine Marinebasis hat. Es gibt auch das Problem, dass Russland befürchtet, im Kaukasus eine Konfliktregion wegen Syrien zu bekommen. Deswegen sehe ich auch bei Russland Bemühungen, mit dieser Genfer Initiative 2 einen Fortschrift zu erzielen.