Tripolis nicht mehr isoliert
Die Achse des Bösen gerät in der amerikanischen Außenpolitik in Bewegung. Bei ihrer letzten Pressekonferenz 2007 etwa sagte die US-Außenministerin Condoleezza Rice, sie warte "mit Ungeduld auf die Möglichkeit, nach Libyen zu reisen". Dafür gibt es zwar noch keinen Termin, doch schon am heutigen Donnerstag trifft sie sich mit ihrem libyschen Amts-Kollegen Tschalgham.
Tripolis und Washington hatten ihre diplomatischen Beziehungen 2004 nach 23-jähriger Pause wieder aufgenommen, nachdem der libysche Staatschef Muammar el Gaddafi den Verzicht seines Landes auf Massenvernichtungswaffen verkündet hatte.
Über den veränderten Ton im Umgang mit Tripolis ein Gespräch mit Dr. Rolf Mützenich, SPD, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss und Leiter des Gesprächskreises Naher und Mittlerer Osten im Bundestag.
Reiner Veit: Herr Mützenich, in Frankreich wurde der Machthaber letztens mehr als nur freundlich von Präsident Sarkozy empfangen, nun lockern die USA ihr Verhältnis - warum jetzt?
Rolf Mützenich: Ich glaube, der Zeitpunkt ist vollkommen richtig gewählt, nachdem Libyen auf die Massenvernichtungswaffen verzichtet hat, nachdem über die Frage der Entschädigung der Opfer bzw. deren Angehörige zum "Lockerbie"-Attentat und "La Belle"-Anschlag Einigkeit erzielt worden ist, war es gut gewesen, dass man diese Gespräche aufnimmt. Das zeigt, dass auch in der internationalen Politik Lernerfolge möglich sind, auch auf Seiten der USA.
Veit: Wer hat was davon?
Mützenich: Ich glaube, beide Seiten haben etwas davon, insbesondere hat aber auch Europa etwas davon. Wenn wir uns das vor Augen führen, was Ghaddafi versucht hat, um Massenvernichtungswaffen zu bekommen, so hätte das eine unmittelbare Sicherheitsbedrohung für Europa bedeutet. Deswegen war es gut, dass diese Gespräche - die zuerst verdeckt geführt worden waren, Großbritannien war daran sehr stark beteiligt - Libyen im Grunde in die internationale Gemeinschaft zurückgeführt haben. Libyen nimmt in diesem Monat den Vorsitz im Sicherheitsrat ein. Auch das ist sozusagen eine sichtbare Veränderung der Wahrnehmung libyscher Politik, wobei es wichtig ist, dass man kritisiert und nicht wie der französische Staatspräsident nur eine Einladung ausspricht und diese mit Waffengeschäften und der Frage der Atomenergie beantwortet.
Veit: Frau Rice hat im Dezember im Hinblick auf Reformen und Menschenrechte von einem langen Weg gesprochen, den das Land noch vor sich habe. Wie beurteilen Sie, Herr Mützenich, die Lage der Menschenrechte, persönliche Freiheitsrechte, die Pressefreiheit in Libyen?
Mützenich: Das ist weiterhin ein großes Problem. Wir wissen von Amnesty International, dass es viele Dinge gibt, die auf jeden Fall verbessert werden müssen. Zwar hat der libysche Staatschef auch Resolutionen innerhalb der Vereinten Nationen unterzeichnet, aber es hapert genau an dieser Stelle mit der Lage der Menschenrechte. Auch die Frage von Demokratie, der Rolle von Opposition sind Dinge, die angesprochen werden müssen. Das ist der Punkt, den wir bei dem Staatsbesuch in Paris kritisiert haben. Sarkozy hat behauptet, er hätte dies angesprochen und Ghaddafi hat - das spricht für seine Person - in der öffentlichen Diskussion dann gesagt, das hat Sarkozy niemals angesprochen. Wir brauchen diesen Dialog, wir brauchen einen Rechtsstaat-Dialog und wir brauchen Anstrengungen innerhalb der Europäischen Union, Libyen auch an den Barcelona-Prozess heranzuführen.
Veit: Glauben Sie, dass dieser Dialog, dieser lockerere Umgang mit dem Land, im Land direkt ankommt. Die Söhne Ghaddafis gehören zum westlichen Jetset, aber Anzeichen von Freiheit im Land selbst gibt es wenige.
Mützenich: Das ist genau der Punkt. Ich meine, wir haben aber auf der anderen Seite Erfahrungen, dass dies ein langwieriger Prozess ist, das kann man nicht nur durch Empfänge, durch Besuche und Ähnliches schaffen, sondern da muss eine intensive Debatte erfolgen. Ich appelliere auch an die deutsche Wirtschaft, die versucht, in Libyen wieder Tritt zu fassen, genau dies bei ihren Gesprächen mit anzudeuten, dass es auch darum geht, dass rechtsstaatliche Erwartungen nicht nur für Wirtschaftsbeziehungen gelten, sondern für die Menschenrechte insgesamt.