"Wieder tragfähige Grundlage erreichen"
Auch der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder wurde offenbar von der NSA abgehört. Auf WDR 2 forderte Rolf Mützenich, SPD-Fraktionsvize und außenpolitischer Experte, umfassende Aufklärung.
Helmut Rehmsen: der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder wurde offenbar spätestens seit 2002 vom US-Geheimdienst NSA abgehört. Ja, Überraschung! Das wurde ja seit längerem vermutete. Recherchen der Süddeutschen Zeitung und des NDR, die bestätigen diesen Bericht jetzt offenbar. Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich ist in seiner Partei für Außenpolitik zuständig.
Herr Mützenich, Bundeskanzler Schröder hatte sich damals gegen eine Teilnahme Deutschlands am Irak-Krieg ausgesprochen. Sie waren damals im Auswärtigen Ausschuss. Ist da jemals über die Möglichkeit gesprochen worden, dass man von den USA abgehört werden könnte?
Rolf Mützenich: Nein, zum damaligen Zeitpunkt nicht. Heute sind wir schlauer. Und ich glaube, in nächster Zukunft wird es insbesondere darum gehen, das Misstrauen, dass sich jetzt in den letzten Monaten aufgebaut hat - auf Regierungsebene, aber auch das grenzenlose abschöpfen der Bundesbürger - dass da zumindest der Versuch gemacht wird, wieder eine tragfähige Grundlage zwischen den USA und Europa zu erreichen.
Rehmsen: Sie schauen nach vorn. Lassen sie uns doch kurz nochmal in die Vergangenheit gucken. Das deutsch-amerikanische Verhältnis war damals ziemlich zerrüttet. War es naiv, aus heutiger Sicht, damals zu glauben, die machen sowas nicht?
Mützenich: Bei den Besuchen damals in den USA war es offensichtlich gewesen, dass der 11.9. nicht nur ein historischer Einschnitt gewesen ist, sondern offensichtlich auch der Sicherheitsapparat in den USA so massiv ausgebaut worden ist und auch der Kongress dies überhaupt nicht mehr unter Kontrolle hatte. Das ist möglicherweise damals naiv gewesen, dass man geglaubt hat, wir wären irgendwie vor diesen Sicherheitsfanatikern irgendwie geschont, aber offensichtlich haben wir ja in den letzten Monaten gesehen, was alles möglich war und nicht eben, was rechtlich hätte erlaubt sein dürfen.
Rehmsen: Jetzt überlegt das Parlament, einen NSA-Untersuchungsausschuss einzurichten. Sind Sie da nicht wieder naiv, von einem Geheimdienst zu denken, dass er diese Art von Aufklärung leisten wird?
Mützenich: Das, glaube ich, werden wir sehen, wie begrenzt dieser Einfluss letztlich auch ist. Ich glaube, dieser Untersuchungsausschuss ist notwendig. Die Oppositionsparteien fordern ihn und wir wollen letztlich auch Aufklärung haben. Natürlich auch über die Dimensionen, wie deutsche Sicherheitsbehörden dazu beitragen können und wir hoffen natürlich auch, dass wir von den USA Aufklärung bekommen. Über die Rede des amerikanischen Außenministers Kerry am vergangenen Wochenende in München war ich selbst enttäuscht, denn er hat im Grunde genommen nur ganz wenig Sätze über die Aktivitäten der NSA gesagt?
Rehmsen: Er hat aber für einen Neuanfang geworben, allerdings relativ allgemein. Wie müsste der aus Ihrer Sicht aussehen, dieser Neuanfang?
Mützenich: Insbesondere, dass wir nicht immer nur stückchenweise gerade über die dinge, die wir über Herrn Snowden und andere wissen, Aufklärung bekommen, sondern ich finde, hier muss zu beigetragen werden und zum Beispiel ist der Untersuchungssauschuss eine Möglichkeit, wo sich eben Vertreter der USA stellen könnten.
Rehmsen: Glauben Sie, die würden kommen?
Mützenich: Ich hoffe es. Zumindest werden sie eine Einladung bekommen.
Rehmsen: Das war ein tiefer Seufzer, der sagt viel. Rolf Mützenich war das, der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende und Außenpolitiker seiner Partei zu dem sich bestätigenden Verdacht, dass der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder offenbar spätestens seit 2002 vom amerikanischen Geheimdienst NSA abgehört wurde.