Syrien: Schwierige Verhandlungen in Genf
Dass die Genfer Friedensgespräche für Syrien überhaupt in Gang gekommen sind, ist fast schon ein Wunder. Aber sie kommen nicht vom Fleck. Das Treffen war am Wochenende vom Streit darüber geprägt, wer überhaupt teilnehmen darf und welche Vorbedingungen zu erfüllen sind. Der UN-Sondergesandte hat nun explizit Deutschland gebeten, zum Gelingen dieser Verhandlungen beizutragen. Auch Außenpolitik-Experte Rolf Mützenich (SPD) betont im Inforadio die wichtige Rolle, die Deutschland bei den Gesprächen einnehmen kann.
Alexander Schmidt-Hirschfelder: Dass Friedensgespräche für Syrien überhaupt in Gang gekommen sind, das ist fast schon ein Wunder, aber sie kommen nicht vom Fleck. Das Treffen war am Wochenende vom Streit darüber geprägt, wer überhaupt teilnehmen darf und welche Vorbedingungen zu erfüllen sind, bevor man überhaupt direkt miteinander spricht. Der UN-Sondergesandte hat nun explizit Deutschland gebeten, zum Gelingen dieser Verhandlungen beizutragen. Rolf Mützenich ist stellvertretender SPD-Fraktionschef im Bundestag und Außenpolitikexperte seiner Partei, jetzt am Telefon.
Guten Morgen, Herr Mützenich.
Rolf Mützenich: Guten Morgen, Herr Schmidt-Hirschfelder.
Schmidt-Hirschfelder: Welchen Beitrag kann Deutschland ganz konkret für die Gespräche in Genf leisten?
Mützenich: Deutschland ist seit mehreren Monaten schon aktiv an dieser Stelle. Wir unterstützen die Vereinten Nationen, wir stellen Diplomaten ab, wir sind letztlich auch bei der Finanzierung beteiligt und wir prüfen auch insbesondere die politischen Rahmenbedingungen auch, wo es möglich ist. Der Bundesaußenminister wird in dieser Woche auf einer Reise nach Saudi-Arabien und den Iran, zwei wichtige Länder, die auch sozusagen indirekt einen Stellvertreterkrieg in Syrien führen. Hier ist die deutsche Rolle auch durchaus als angemessen zu beschreiben. Wir haben es damals bei der iranischen Atomkrise gesehen und jetzt auch bei Syrien. Auch hier sind wir indirekt mit am Tisch.
Schmidt-Hirschfelder: Außenminister Steinmeier und der UN-Sondergesandte de Mistura sind sich einig, dass diese Gespräche alternativlos seien, um das Leid der syrischen Bevölkerung zu lindern. Wird das denn in Genf zu schaffen sein?
Mützenich: Es ist zumindest den Versuch wert. Wir sehen ja jetzt bereits eine dritte Konferenz. Aber dieser Rahmen ist doch relativ neu. Seit dem Eingreifen Russlands im syrischen Krieg zeigt sich immer mehr, wie sich dieser Krieg nicht nur militärisch eskaliert, sondern auch Weiterungen bekommt. Ich hoffe schon, dass die Zusammenarbeit, insbesondere zwischen den USA und Russland, die wir in den letzten Wochen haben beobachten können, hier durchaus eine Wirkung zeigen wird, so dass auch andere Akteure, die indirekt an diesem Kampfgeschehen beteiligt sind, überzeugt werden: Es wird keine militärische Lösung in diesem Konflikt geben, sondern am Ende nur eine diplomatische.
Schmidt-Hirschfelder: Bei welchem Akteur liegt denn aus Ihrer Sicht der Schlüssel zu einer erfolgreichen Lösung?
Mützenich: Es sind verschiedene Akteure. Ich habe eben Saudi-Arabien, den Iran angesprochen, aber auch die Türkei, Qatar, viele handelnde Akteure, die auch unterschiedliche, durchaus kämpfende Truppen unterstützen und möglicherweise darauf auch Einfluss haben. Aber ich find, wir müssen erstmal den ersten Schritt machen, insbesondere die Zivilbevölkerung ins Auge zu fassen. Vielleicht eingeschlossene Ortschaften durch eine Waffenruhe für humanitäre Hilfsgüter zu öffnen. Das wäre schon ein wesentlicher Schritt, aus dem sich dann politische Weiterungen ergeben können.
Schmidt-Hirschfelder: Aber selbst das scheint ja schon schwierig zu sein. Das Problem ist ja, dass Syrien zum Spielball internationaler Interessen geworden ist. Es liegt also gar nicht unbedingt im Interesse aller, dass das Leid der Syrer gelindert wird. Wenn jetzt schon Humanität kein gemeinsamer Nenner mehr ist, was dann?
Mützenich: Das ist die bittere Erkenntnis und ich kann es leider nicht verändern, dass es offensichtlich immer noch Gruppen gibt, die aus diesen Kämpfen, aus ihrer Sicht die Priorität geben. Die Londoner Geber-Konferenz, wo ja gerade die Bundesregierung durch eine Vorkonferenz aus dem letzten Jahr einer der wichtigen Akteure ist, nicht nur bei den Finanzleistungen, sondern, dass wir immer mehr und mehr Länder überzeugt haben, hier auf der Ebene der Regierungs- und Staatschefs sich auch größerer Verantwortung bewusst zu werden. Und da müssen auch beispielsweise Russland und Saudi-Arabien humanitäre Hilfe leisten, insbesondere den Vereinten Nationen, aber auch anderen Partnerorganisationen gegenüber, die in Syrien humanitäre Hilfe anbieten, auch zu unterstützen. Und das ist auch eine wichtige Flankierung zu den Gesprächen in Genf.
Schmidt-Hirschfelder: Jetzt, wo Sie auch schon mehrfach Russland angesprochen haben: Deutschland ist auch in den Augen der Russen, sagen Sie, ein ehrlicher Makler, gerade jetzt auch im Hinblick auf die jüngsten diplomatischen Verstimmungen wegen der angeblichen Vergewaltigung einer 13-jährigen Russlanddeutschen in Berlin?
Mützenich: Das war in der letzten Woche eine zusätzliche Belastung. Insbesondere, weil wir ja nicht nur schlimme Demonstrationen in Berlin erlebt haben und auch, wie schnell solche Situationen von einzelnen Kräften ausgenutzt werden, sondern weil sich auch der russische Außenminister eingeschaltet hat, weil die Medien in Russland so stark berichtet haben. Das ist durchaus eben auch ein Hinweis darauf, wie insbesondere innenpolitische Verhältnisse auf außenpolitische Fragen einwirken können. Hier machen wir uns schon große Sorgen.