Streitkräfte und Strategien

Interview mit Silke Hasselmann
Veröffentlicht: 
NRD Inforadio, 21.03.2009
Thema: 
Zur Debatte über private militärische Sicherheitsfirmen

Der Name des amerikanischen Sicherheits-Unternehmens Blackwater ist für viele Menschen im Nahen Osten ein Synonym für unkontrollierte Gewalt. Vor knapp zwei Jahren hatten die Söldner von Blackwater in Bagdad ein Blutbad angerichtet. Auf einer Straßenkreuzung schossen sie wild um sich, weil sie sich bedroht fühlten. 14 Iraker starben. Alle waren unbewaffnet. Auch in Deutschland sind zahlreiche Firmen in das Geschäft mit der Sicherheit eingestiegen. Doch eine Kontrolle dieser Söldnerfirmen gibt es nicht. Das wollen Bundestagsabgeordnete der Großen Koalition jetzt ändern.

Silke Hasselmann: Erstmals befragte die FDP-Bundestagsfraktion im Jahre 2005 die damals rotgrüne Bundesregierung zum Thema. Ein Jahr später setzte die Linke nach - da regierte die Große Koalition. Dennoch war der Inhalt der Antworten deckungsgleich: Man beobachte die zunehmende Verlagerung von Militärdienstleistungen auf Privatfirmen und -personen mit gewisser Sorge. Doch um dieses Phänomen in den Griff zu bekommen, halte man die geltenden internationalen Regeln für ausreichend. Man käme sowohl mit dem Humanitären Völkerrecht wie auch mit dem Völkerstrafrecht ein ganzes Stück weiter, um "Aktivitäten Angehöriger von privaten Sicherheitsfirmen in bewaffneten Konflikten bzw. in Situationen der militärischen Besatzung erfassen und bewerten zu können"
Allerdings müsse für Beachtung und Umsetzung der bestehenden Regeln gesorgt werden, am besten durch - Zitat - "Maßnahmen der freiwilligen Selbstkontrolle und Selbstregulierung".

Doch bis heute hat die Branche keinen verbindlichen Verhaltenskodex erarbeitet, obwohl die Zahl der Firmen rasant steigt und weltweit auf mindestens 2.500 geschätzt wird. Genau kann es niemand sagen, denn registrieren lassen müssen sie sich nicht. Auch nicht in Deutschland. Ein Unding, meint Rolf Mützenich. Der SPD-Sprecher für Abrüstung und Rüstungskontrolle zählt zu den Vorreitern des Parlamentsantrages, der unter anderem ein Firmenregister fordert, aber auch klare Haftungsbedingungen und eine effektive Strafverfolgung von Verbrechen durch Privatdienstleister im Einsatzgebiet. Dass die denselben Regeln unterliegen müssen wie die Angehörigen regulärer Streitkräfte, ist jedenfalls für Rolf Mützenich das Mindeste, denn:

Rolf Mützenich: Wenn man sich noch mal vergegenwärtigt, dass der Staat ein Monopol auf militärische "Dienstleistungen" hat, dann bekommen diese neuen privaten Sicher-heitsfirmen natürlich eine Funktion zugewiesen, die sich der Staat nach längeren Auseinandersetzungen im 30jährigen Krieg und bei vielen anderen Gelegenheiten mühsam erobert hat. Gleichzeitig sind dann rechtliche Rahmenbedingungen eingezogen worden, etwa in den beiden Weltkriegen. Wir haben ein Völkerrecht, was im Grunde versucht, den militärischen Gebrauch einzugrenzen. Doch jetzt sind wir wieder mit einem Phänomen konfrontiert, dass möglicherweise private Firmen so viele Freiräume bekommen, dass der Staat dieses mühsam erkämpfte Monopol wieder verliert.?

Hasselmann: Stichwort "Blackwater" aus den USA, deren martialische Rambos nicht nur Beratungs- und Ausbildungsjobs im Irak übernommen haben, sondern im Auftrag
der US-Armee auch Terroristen jagen. Doch sie hinterließen bei ihren Hausdurchsuchungen und Straßenkontrollen viele zivile Opfer, und das war auch möglich, weil sie sich nicht an die armeeinternen Vorschriften gebunden fühlten. Und fühlen mussten. Denn auch zur Bewachung und zu Verhören in afghanischen und irakischen Militärgefängnissen zieht die US-Armee gezielt Privatfirmen heran, die sich freier fühlen dürfen beim Quälen und Foltern von Gefangenen:

Mützenich: Wir sehen ja gerade im Irak, dort sind nach vorsichtigen Schätzungen heute mehr private militärische Dienstleister vor Ort - also Militärs -, dass sich hier offensichtlich eine Grauzone bildet, die eben nicht kontrolliert wird und auch nicht rechtlichen Rahmenbedingungen unterliegt, wie es dem Militär eigentlich obliegt. Wir sehen ja zum Beispiel auch, dass sich die USA bestimmten Völkerrechtserrungenschaften wie dem Internationalen Strafgerichtshof nicht unterordnen wollen. Wenn das aber schon mal Staaten nicht tun, dann werden das private militärische Sicherheitsdienstleister in Zukunft wahrscheinlich auch nicht tun. Und darum geht es mir.

Hasselmann: Unverständlich, dass die Bundesregierung keinen Handlungsbedarf auf internationalem Parkett sieht. Derweil gibt es auch in Europa besorgniserregende
Entwicklungen beim Outsourcen staatlicher Militäraufgaben. Denn längst geht es nicht mehr nur um Beratung, Ausbildung und logistische Hilfe, wie sie etwa die Express- und Logistiktochter der Deutschen Post DHL für die US Army im Irakkrieg geleistet hat. Vielmehr habe auch die britische Armee inzwischen Privatunternehmen
regelrechte Einsatzaufgaben übertragen, so Rolf Mützenich:

Mützenich: Es gibt innerhalb einer kämpfenden Truppe durchaus die eine oder andere Gruppe, die bereits von diesen Sicherheitsdienstleistern kommt. Ich denke, wenn wir diese Tür nur einen kleinen Spalt öffnen, werden wir in Zukunft aus ganz unterschiedlichen Gründen damit konfrontiert sein, dass private Militärdienstleister sozusagen komplette Kampfgruppen stellen und das will ich überhaupt nicht.

Hasselmann: Andere schon, darunter der internationale Lobby-Verband der Branche, die International Peace Operations Associaton (IPO). Sie fordert regelmäßig, nichtstaatliche Firmen stärker als bisher in die Durchführung zum Beispiel von militärischen UN-Einsätzen einzubinden. Das stößt bei einigen Politikern und Diplomaten zunehmend auf Wohlwollen, schließlich ist die Arbeit von Privatfirmen kostengünstiger - finanziell wie politisch betrachtet. So tauchen getötete Privatkämpfer im Irak- oder Afghanistankrieg in keiner offiziellen Todesstatistik auf. Auch die Bundeswehr hat privaten Militärdienstleistern bereits Aufgaben übertragen, aber, so Verteidigungsstaatssekretär Christian Schmidt von der CSU:

Christian Schmidt: Man muss natürlich unterscheiden zwischen den Dienstleistern, die Wäsche waschen oder sei es im Fuhrpark Dienstleistungen erbringen, und denen, die genuine militärische Beiträge bringen.

Hasselmann: Letztere behalte sich allein die Bundeswehr vor: keine privaten Kampfeinheiten, auch bei der Ausbildung ausländischer Soldaten lässt man sich höchstens in der Logistik assistieren, so Schmidt. Insofern können die Abgeordneten beruhigt sein: die Bundesregierung will das staatliche Gewaltmonopol nicht teilen. Doch was ist mit deren Forderung, "die Registrierung von privaten militärischen Sicherheitsunternehmen einzuführen und diese zur Mitteilung ihrer Vertragsabschlüsse zu verpflichten."? Da geht ´was, so der Verteidigungsstaatssekretär, denn:

Schmidt: Der Blackwater-Effekt, den wollen wir vermeiden. Das ist eine unseren Vorstellungen von Sicherheit und Sicherheitspersonal nicht angemessene Art und Weise des Umgangs, und deshalb haben wir selbst ein Interesse daran, dass diese Registrierung stattfindet und dass klar wird, dass wir auf unsere eigenen Leute setzen und nicht auf Privatsöldner.

Hasselmann: Für "interessant, aber nicht stilbildend" also wichtig, hält Christian Schmidt hingegen die Aufforderung, die Regierung möge ein Lizensierungssystem für private Militärischdienstleistungen einführen. Was er meint: man kann man drüber reden. Doch weil wir keine hoheitlichen Aufgaben abgeben, brauchen wir auch keine aufwendig geprüften Geschäftspartner. Mit Blick auf die ebenfalls geforderten einheitlichen internationalen Standards meint der Staatssekretär wiederum:

Schmidt: Das ist natürlich sehr schwierig, bei anderen Ländern Vorschriften zu machen, wie die Rekrutierung ihres Sicherheitspersonals stattfindet. Eines ist aber ganz wichtig: dass, wenn man in internationalen Einsätzen ist, die rules of engagment von allen eingehalten werden. Da käme tatsächlich auch ein Interesse unseres Landes mit ins Spiel, dass die Ausbildung und Qualifikation des Personals so sein muss, dass die Einsatzregeln eingehalten werden können. Da hatten wir bisher in unseren Einsätzen allerdings praktisch keine negativen Erfahrungen.

Hasselmann: Derweil liegt der Antrag von Union und SPD seit einigen Wochen im Bundestag. Doch Mitinitiator Rolf Mützenich (SPD) sieht ein wenig bang aus, wenn er sagt: hoffentlich kommt er noch vor der Sommerpause zur Abstimmung. Er weiß wohl, dass es manch´ einem Kollegen in Parlament wie Regierung ganz recht wäre, wenn die Sache doch noch einen stillen Tod stürbe, damit die Grauzonen bleiben und Handlungsspielraum ermöglichen. Doch der offizielle Einwand lautet:

Mützenich: Einige stören sich an dem Begriff der "privaten militärischen Sicherheitsfirmen", weil Militär bei uns ganz konkret eine staatliche Aufgabe ist. Aber wir wollen ja erstmal ein Phänomen beschreiben, was sich nicht auf Deutschland beschränkt. Im Gegenteil: hier findet es in dem Sinne nicht statt. Aber wir sehen mittlerweile im europäischen und insbesondere im US-amerikanischen Raum, dass sich diese Gruppen breitmachen und wir wollen dazu beitragen zu schauen, was es für rechtliche Nischen gibt, die geschlossen werden müssen.