SPD-Politiker mahnt zur Einheit im Atomstreit mit dem Iran
Im Atomstreit mit dem Iran hat der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich die internationale Gemeinschaft zur Einigkeit aufgerufen. Nur so sei langfristig eine Lösung des Konflikts zu erreichen, sagte Mützenich. Er äußerte die Hoffnung, dass Teheran auf das jüngste Angebot der fünf Vetomächte im UNO-Sicherheitsrat und Deutschlands positiv reagiere. Das vorgelegte Paket enthalte interessante Anreize für den Iran, sein umstrittenes Atomprogramm zu stoppen, meinte der SPD-Politiker.
Friedbert Meurer: In die Auseinandersetzungen mit Teheran um sein Atomprogramm scheint Bewegung gekommen zu sein. Gestern Abend einigten sich die fünf Vetomächte des UNO-Sicherheitsrates und Deutschland in Wien darauf, dem Iran direkte Verhandlungen anzubieten. Sollte die iranische Regierung darauf eingehen und zuvor die Urananreicherung stoppen - so lautet die Bedingung -, werde das Thema von der Agenda des UNO-Sicherheitsrates genommen, sagt zumindest die britische Außenministerin Margaret Beckett. Ein Einlenken in Teheran gibt es noch nicht. Am Telefon begrüße ich nun Rolf Mützenich, SPD-Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. Guten Tag Herr Mützenich!
Rolf Mützenich: Guten Tag, Herr Meurer!
Meurer: Es hat ja in der Vergangenheit schon Verhandlungen und direkte Gespräche zwischen den so genannten EU3 und Teheran gegeben, also Großbritannien, Frankreich und Deutschland und der iranischen Regierung. Was an der jetzigen Situation verspricht denn, dass es mehr Chancen gibt, denn die EU3-Gespräche waren gescheitert?
Mützenich: Ja. Sie waren gescheitert, weil im Grunde genommen ein wichtiger Partner am Tisch fehlte. Das waren die USA. Die USA waren in den letzten Monaten und Jahren eigentlich nicht bereit gewesen, diesem diplomatischen Ringen um das iranische Atomprogramm beizutreten, und das ist eigentlich schon ein bedeutsamer Wandel: sowohl für die amerikanische Innenpolitik, aber auch für die Außenpolitik, weil hier zum ersten Mal auch Multilateralismus wieder innerhalb der Vereinten Nationen, aber dann auch innerhalb des Sicherheitsrates plus Deutschland gesucht wird. Das ist ein großer Fortschritt. Wir werden sehen, was dabei herum kommt.
Meurer: Warum glauben Sie ist Washington über seinen Schatten gesprungen?
Mützenich: Ich glaube es gibt unterschiedliche Gründe. In den letzten Wochen konnten wir ja merken, dass es innerhalb des Kongresses eine Debatte darum gegeben hat, ob man sich nicht doch direkt beteiligen sollte. Das wird mit Sicherheit in der Administration seine Wirkung gehabt haben. Zum anderen muss man natürlich sehen: die US-amerikanische Politik im Irak ist letztlich gescheitert. Auf der anderen Seite sieht man, dass die USA in Nordkorea sich an multilateralen Verhandlungen beteiligen. Da scheint in den letzten Wochen und Monaten es Fortschritte gegeben zu haben. Das sind Lernprozesse, die auch große Länder, starke Länder durchmachen müssen, und das ist gut.
Meurer: Jetzt wird ja zum wiederholten Male die Forderung an Teheran gerichtet, die iranische Regierung muss erst ihre Urananreicherung einstellen. Ist diese Bedingung sinnvoll vor den Gesprächen?
Mützenich: Diese Bedingung ist ja nicht nur gestern laut geworden, sondern diese Bedingung ist die des Sicherheitsrates, einer präsidentiellen Erklärung und auch des Gouverneursrates der Internationalen Atomenergiebehörde. Dem Iran muss eigentlich klar sein, dass es mehr als die sechs Länder sind, die dies erwarten. Auf der anderen Seite ist es wichtig, dass ein Anreizpaket geschnürt worden ist und dass sich offensichtlich in diesem Anreizpaket mehr Dinge befinden, insbesondere eine größere Unterstützung, als in dem Paket, was im letzten Jahr dem Iran angeboten worden war.
Meurer: Was könnte denn draufgelegt worden sein bei den Anreizen?
Mützenich: Ich denke, dass es erst mal wichtig ist, dass der Iran dieses Paket zur Kenntnis nimmt und sich Gedanken darüber macht, ob das, was möglicherweise dort drin ist, nicht größere Vorteile bietet als das, wenn man sich in die Isolation begibt. Und zwar könnte ich mir vorstellen, dass auf der Grundlage, dass der Iran über große Gasvorkommen verfügt, natürlich Öl auch eine große Rolle spielt, er im Anlagenbau die Unterstützung des Westens braucht, sich in diesem Paket auch das wieder findet. Auf der anderen Seite scheint mir ganz wichtig zu sein - und das ist mehr als Symbolik -, dass die USA sich bereit erklärt haben, mit dem Iran zu sprechen. Das heißt ja eigentlich indirekt auch, dass die USA den Iran zumindest in seinem politischen System ernst nimmt und auch auf Flexibilität an dieser Stelle hofft.
Meurer: Will der iranische Präsident Ahmadinedschad eine Nichtangriffsgarantie der Amerikaner haben?
Mützenich: Das weiß ich nicht. Das kann sein. Ich glaube Ahmadinedschad ist mit Sicherheit ein Stimmungsmacher innerhalb der iranischen Gesellschaft und er hat glaube ich auch zurzeit, so wie ich es beobachtet habe - ich war vor 14 Tagen im Iran -, Rückhalt in der Gesellschaft. Auf der anderen Seite glaube ich aber nicht, dass er die entscheidende Stimme bei der letzten Entscheidung im Bereich der Außenpolitik ist. Das ist der religiöse Führer, das ist der Sicherheitsrat dort und da sind unterschiedliche Gruppen mit dabei. Ein Angebot der USA im Hinblick auf die Sicherheit des Iran wäre mit Sicherheit hilfreich.
Meurer: Die Krise hat ja für die iranische Regierung eigentlich im Moment auch einen Vorteil. Man liest immer wieder, einmal wird Ahmadinedschad innenpolitisch gestärkt, indem er sozusagen die Nation hinter sich vereint gegen die USA. Dann spielt er außenpolitisch eine große Rolle und dadurch, dass der Ölpreis gestiegen ist, gibt es auch mehr Geld für die Kasse des Irans. Ist das nicht eine ganz komfortable Situation, an der zu ändern Teheran gar nicht unbedingt gelegen sein muss?
Mützenich: Diese Situation ist mit Sicherheit zum jetzigen Zeitpunkt nicht schlecht, wenn man nur die Person Ahmadinedschad beobachtet. Auf der anderen Seite ist der Iran auf Außenkontakte angewiesen. Er muss zum Beispiel Öl ausführen und Benzin wieder einführen. Das ist nicht gerade preiswert. Ich gebe aber auf der anderen Seite zu: Natürlich sind die Einnahmen zurzeit so hoch, dass man innerhalb der Gesellschaft auch Wohlverhalten erkaufen kann. Das ist aber nicht langfristig gegeben und es gibt auch wie gesagt andere Interessen und ich glaube, dass der Iran letztlich weiß, dass er innerhalb einer Region eine besondere Situation braucht. Das heißt Sicherheit. Das heißt aber auch Ruhe in der internationalen Politik und daran sollte er mitwirken. Das sind kluge Menschen im Iran und alle sind eigentlich nicht so wie der Präsident Ahmadinedschad.
Meurer: Den rechnen Sie nicht zu den klugen Menschen?
Mützenich: Er ist mit Sicherheit klug, wenn es um innenpolitische Auseinandersetzungen geht, aber in seinem Hinweis, wie er zum Beispiel mit Israel umgeht, was skandalös ist, kann ich nicht sagen, dass das gerade klug ist.
Meurer: Das könnte den Schluss zulassen, dass da keine rationale Antwort auf das Angebot der fünf Vetomächte plus Deutschland kommt?
Mützenich: Wenn er das allein zu entscheiden hat, müsste man das unterstellen. Ich bin aber der festen Überzeugung: Er wird das nicht alleine entscheiden. Es wird innerhalb des Sicherheitsrates wie gesagt, wo auch andere Gruppen eine Rolle spielen, entschieden. Er wird mit Sicherheit mit darüber zu entscheiden haben, aber auf der anderen Seite ist auch nicht ausgeschlossen, wie zum Beispiel Beobachter sagen: Er ist durchaus in der Lage, bestimmte Chancen zu erkennen. Wenn er das Verhältnis mit den USA, auf das der Iran immer geschaut hat - wenn man sich diese junge Gesellschaft anschaut -, in irgendeiner Form wieder repariert, könnte er damit auch innenpolitisch gewinnen. Ich würde also zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt nichts ausschließen. Wir brauchen Ruhe und ich denke das wichtige ist, dass die Einigkeit innerhalb der internationalen Gemeinschaft bleibt.