SPD-Politiker fordert "Stärke in der internationalen Gemeinschaft"
Der SPD-Politiker Rolf Mützenich hat den Iran aufgefordert, im Atomstreit auf das Gesprächsangebot der internationalen Gemeinschaft einzugehen. Sollte die Internationale Atomenergiebehörde allerdings Vertragsverletzungen feststellen, müsse es weitere Sanktionen gegen Teheran geben.
Marcus Pindur: Dass der Iran an der Entwicklung von Atomwaffen arbeitet, daran haben fast alle Experten keinen Zweifel. Über zwei Jahrzehnte hat das Regime dieses Programm der Internationalen Atomenergiebehörde, der IAEA, verheimlicht. Und es wird vermutet, dass der Iran noch in diesem Jahr genug spaltbares Material hat, um Atomwaffen zu bauen. Heute treffen sich in Frankfurt am Main Diplomaten der sogenannten Sechsergruppe, um über den jüngsten Bericht der IAEA über den Iran zu beraten. Das sind die Vertreter der USA, Russlands, Chinas, Großbritanniens, Frankreichs und auch Deutschlands. Ich begrüße jetzt den SPD-Bundestagsabgeordneten und Vorsitzenden der deutsch-iranischen Parlamentariergruppe, Rolf Mützenich. Guten Morgen, Herr Mützenich!
Rolf Mützenich: Guten Morgen, Herr Pindur, hallo!
Pindur: Bundeskanzlerin Merkel und der französische Präsident Sarkozy haben sich bei ihrem Treffen am Montag bereits auf eine Verschärfung der Sanktionen geeinigt, falls der Iran das Gesprächsangebot der internationalen Gemeinschaft nicht annimmt. Sind Sie auch der Ansicht, dass es dafür jetzt an der Zeit ist für Sanktionen?
Mützenich: Also man muss auf jeden Fall einbeziehen den Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde, der ja eigentlich Grundlage auch für die Beratungen im Sicherheitsrat sein muss, und der zeichnet ein sehr widersprüchliches Bild. Und auch die Signale, die wir in den letzten Tagen oder sogar letzten Stunden auch aus dem Iran bekommen haben, sind ja auch sehr zwiespältig. Das muss insbesondere in die Diskussion über mögliche Sanktionen einbezogen werden. Und ich bin der festen Überzeugung, wenn es Vertragsverletzungen gibt, die auch festgestellt werden, muss man natürlich zu Sanktionen kommen. Das Problem bei der derzeitigen Vertragsgestaltung ist so, dass nicht über Sanktionen innerhalb der Internationalen Atomenergiebehörde gesprochen und auch beschlossen werden kann, sondern wir gehen sozusagen direkt in die höchste Stufe der sozusagen Eskalation, nämlich zum Sicherheitsrat. Und das sind natürlich Maßnahmen, die nur dann gelingen, wenn wir auch alle relevanten Staaten auf der Seite für die Sanktionen haben. Das ist das große Problem.
Pindur: Es sind ja schon vielerlei Angebote gemacht worden an den Iran. Ist es jetzt nicht wirklich an der Zeit, dort auch mal empfindlicher zuzugreifen und den Iranern klarzumachen, dass es auch Konsequenzen und einen Preis haben wird, wenn sie weiter nicht mit der IAEA kooperieren, was dieser Bericht ja unter anderem feststellt.
Mützenich: Na das auf jeden Fall. Auf der anderen Seite müssen wir natürlich sehen, die ersten richtigen substanziellen Angebote sind ja erst von der Obama-Administration gemacht worden. Die damalige Bush-Regierung hat dem sehr zurückhaltend begegnet, erst in der letzten Phase der Bush-Regierung gab es Signale an Teheran, aber eigentlich mit der Rede von Präsident Obama, insbesondere in Kairo, ist ja auch ein neues Kapitel für die Nahostpolitik aufgeschlagen worden, und da wäre es klug, wenn der Iran jetzt darauf reagiert. Es gibt offensichtlich Kreise in Teheran, die dies nicht nur zur Kenntnis genommen haben, sondern auch entsprechende Schritte vonseiten des Iran wollen. Aber das ist ein Austarieren in einer innenpolitisch schwierigen Situation.
Pindur: Aber Herr Mützenich, an dem Punkt muss ich Ihnen widersprechen. Es lag schon mal ein ganz klares Angebot an den Iran auf dem Tisch. Da hat man dem Iran angeboten, ihm angereichertes Material aus Russland zu liefern, man hat angeboten, die Sanktionen aufzuheben und man hat angeboten, dem Iran Wirtschaftshilfe zukommen zu lassen - das war noch unter der Bush-Administration -, und da ist nichts passiert. Also ist nicht jetzt relativ klar, dass das schnell passieren muss mit weiteren Sanktionen?
Mützenich: Es muss schnell passieren, aber für den Iran war dies nicht glaubhaft gewesen. Ihm ging es insbesondere um sicherheitspolitische Fragen in der gesamten Nahostregion, dies fehlt in dem Angebot, insbesondere ein wichtiger Partner, eben die USA in dem Bereich, das war Voraussetzung gewesen. Und das war auch ein Mangel an Vertrauen, der jetzt wieder aufgebaut werden muss. Es ist richtig, es gab unterschiedliche Angebote an den Iran, auf die nicht reagiert worden ist. Auf der anderen Seite hat dieses Paket eben insbesondere die vertrauenspolitische Dimension nicht umfasst, und dies hat jetzt erst Präsident Obama auf den Tisch gelegt.
Pindur: Der Iran sendet - Sie haben es schon mehrfach gesagt - widersprüchliche Signale aus. Jetzt angeblich soll da wieder ein neues Verhandlungspaket auf den Tisch kommen von den Iranern, gleichzeitig werden Bundeskanzlerin Merkel und Präsident Sarkozy scharf kritisiert. Also wie glaubhaft ist das? Man hat den Eindruck, dass der Iran lediglich mal wieder die ganze Sache verzögern will.
Mützenich: Das mag sein, und das ist auch das bekannte Spiel, insbesondere von Herrn Dschalili, der die Gespräche im Auftrag der Ahmadinedschad-Regierung führt. Auf der anderen Seite haben wir aber auch andere Akteure in diesem Bereich, und der Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde kommt eben zu einer sehr widersprüchlichen Situationsbeschreibung. Wir haben auf der einen Seite offensichtlich neue Zentrifugen, auf der anderen Seite laufen aber, zurzeit zumindest, weniger. Dies könnte ein Indiz dafür sein, dass möglicherweise hier der Iran auf dieses neue Angebot, was ausgesprochen worden ist, eingeht, was ja nicht mehr unbedingt darauf basiert, die gesamte Urananreicherung einzustellen, sondern auf dem derzeitigen Stand dies zu belassen. Das könnte ein Indiz dafür sein, dafür brauchen wir aber auch noch ein paar Tage der Beratung, dies genau zu identifizieren. Und insbesondere kommt es darauf an, wenn wir eben über neue Sanktionen sprechen, dann brauchen wir Russland, dann brauchen wir China, aber insbesondere auch die arabischen Staaten im unmittelbaren Umfeld des Irans.
Pindur: Kommen wir zum Schluss noch mal zur Situation im Iran selbst. Heute wird im iranischen Parlament abgestimmt über die Ministerkandidaten von Präsident Ahmadinedschad. Was wird das für eine Regierung werden? Wird die überhaupt über den nötigen außenpolitischen Spielraum verfügen angesichts der innenpolitischen Spannungen dort?
Mützenich: Nein, mit Sicherheit nicht. Und wir haben ja auch gesehen, dass die Beratungen im Parlament in Teheran auch sehr emotional geführt wurden. Ich glaube auch, dass wahrscheinlich nicht alle Minister das Vertrauen des Parlaments bekommen, da muss ja einzeln drüber abgestimmt werden. Und wir sehen insbesondere einen Kabinettvorschlag vonseiten Ahmadinedschads, der noch stärker in den militärischen Bereich hineingeht, also im Grunde genommen Akteure aus dem iranisch-irakischen Krieg aufnimmt aus den Revolutionsgarden, und das ist eine heftige Auseinandersetzung. Aber man muss das immer sagen, innerhalb eines konservativen Establishments, was sich um Chamenei, also um den Revolutionsführer herum bewegt, und das ist eine innenpolitische Auseinandersetzung, die die Außenpolitik noch schwieriger macht als schon in der Vergangenheit.
Pindur: Zum Schluss noch eine ganz kurze Einschätzung von Ihnen, Herr Mützenich: Glauben Sie, haben Sie Hoffnung, dass sich da was bewegt in den nächsten Monaten?
Mützenich: Ich hab immer Hoffnung, insbesondere weil ich glaube, dass mit dem Ansatz von Obama wir jetzt eine kluge Nahostpolitik formulieren können und auch umsetzen können und dass die Signale auch richtig ausgesandt worden sind. Wir brauchen dennoch Stärke innerhalb der internationalen Gemeinschaft, und die Erfahrungen, die die Volksrepublik China mit Nordkorea gemacht haben, zeigen, glaube ich, schon den Akteuren in Peking, dass sie gegenüber dem Iran härter auftreten müssen, als sie das in der Vergangenheit getan haben. Und möglicherweise sind diese Signale auch in Teheran angekommen.
Pindur: Vielen Dank! Der SPD-Bundestagsabgeordnete und Abrüstungsexperte Rolf Mützenich über eine mögliche Verschärfung der Sanktionen gegen den Iran. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Mützenich!
Mützenich: Schönen Tag, danke!