SPD kritisiert Beteiligung an Libyen-Einsatz
Die Bundesrepublik beteiligt sich nun doch am Libyen-Einsatz, wenn auch nur mit Material. Im UN-Sicherheitsrat, dessen Vorsitz Deutschland am 01. Juli übernimmt, hatte Deutschland sich bei der Abstimmung über den Militäreinsatz der Stimme enthalten, nun kommt die Beteiligung auf Umwegen, mutmaßt die Opposition in Berlin.
Holger Beckmann: Manchmal verliert man ja die Kriege dieser Welt aus dem Blick, weil es einfach zu viele sind. Weil die meisten eigentlich hätten längst zu Ende sein müssen, jedenfalls, wenn es nach dem ginge, was von den Kriegsparteien immer zu hören ist, wenn so ein Krieg anfängt. Der NATO-Einsatz in Libyen ist so ein Beispiel. Auch das ist ja ein Krieg, wenn auch einer aus der Luft bislang, ein Krieg gegen Libyens Machthaber Ghaddafi. Die Bundesregierung wollte Deutschland da von Anfang an heraus halten als das im März anfing. Irgendwie ist die Bundesrepublik aber dann offenbar doch dabei. Jedenfalls hat Bundesverteidigungsminister de Maizère der NATO Waffenunterstützung grundsätzlich zugesagt. Gestern hat das Verteidigungsbündnis da offenbar drum gebeten. Rolf Mützenich ist jetzt am Telefon, der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag.
Guten Morgen, Herr Mützenich.
Rolf Mützenich: Guten Morgen, Herr Beckmann.
Beckmann: Wie beurteilen Sie das, dass de Maizère, der Verteidigungsminister, das offenbar grundsätzlich unterstützt, dass die NATO Deutschland um technische Unterstützung und Waffen angefragt hat für diesen Konflikt?
Mützenich: Uns liegen zur Zeit zu wenige Informationen vor. Deswegen haben wir ja auch gestern angekündigt, dass wir in den heutigen Ausschusssitzungen nachfragen wollen, was da genau angefragt worden ist, was Deutschland bereit ist zu liefern. Aber insbesondere aus außenpolitischer Sicht müssen wir fragen, ob möglicherweise die Bundesregierung jetzt hier einen neuen Kurs einschlägt oder insbesondere, ob es Widersprüche innerhalb des Kabinetts gibt. Scheinbar ist ja der Verteidigungsminister in den letzten Wochen im Zusammenhang mit Libyen mehrfach auch an die Öffentlichkeit getreten. Er ist sehr stark kritisiert worden von seinen Bündnispartnern innerhalb der NATO oder beim Besuch beim amerikanischen Verteidigungsminister. Hier scheint mir doch die Frage erlaubt: Wie ist denn die Meinung innerhalb des Kabinetts? Insbesondere: Wie ist denn die Meinung der Bundeskanzlerin?
Beckmann: Das ist die Frage Richtung Bundesregierung? Wie ist denn ihre Position dazu, Herr Mützenich, die Position der SPD?
Mützenich: Also, ich glaube, wir müssen natürlich solche Anfragen prüfen. Wir müssen vor allem prüfen, was dort passiert, aber wir müssen insbesondere darauf hinweisen, dass die Bundesregierung sich ja offensichtlich durch das Stimmverhalten im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen bündnispolitisch isoliert hat. Ich glaube schon, dass diese Dinge auch innenpolitisch zu diskutieren sind. Deswegen glaube ich auch, muss auch die Oppositionspartei diese kritischen Fragen stellen, die wie heute und auch in den nächsten Tagen unternehmen werden. Und aus unserer Sicht im Auswärtigen Ausschuss muss natürlich auch der Außenminister hier Farbe bekennen. Er hat ja sehr plakativ gesagt, wir sind in Libyen nicht mit dabei. Scheinbar gibt es jetzt einen schleichenden Prozess und darüber muss die Öffentlichkeit informiert werden.
Beckmann: Was heißt, dass, wenn Sie sagen, der Bundesaußenminister müsse ?Farbe bekennen?. Welche Farbe muss er bekennen?
Mützenich: Er muss sagen, was die Anfragen von Seiten der Bündnispartner sind. Er muss auch erläutern, wie die außenpolitische Stellung der Bundesrepublik Deutschland sowohl im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen als auch innerhalb der Bündnisse, insbesondere des NATO-Bündnisses, ist. Hierüber hört man zu wenig. Es sind ja oft sehr allgemeine Formulierungen, die Herr Westerwelle da verwendet hat und mein Eindruck ist damals gewesen, dass man sich im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen enthalten hat, obwohl ja klar geworden ist, dass hier jemand wie Ghaddafi ist, der, wie der Internationale Strafgerichtshof festgestellt hat, der massiv und systematisch gegen Menschenrechte verstößt. Dass man dieses Votum allein aus innenpolitischen Erwägungen kurz vor zwei Landtagswahlen unternommen hat und das fand ich doch sehr fadenscheinig. Ich glaube, das kommt jetzt immer stärker an die Öffentlichkeit und hier muss sich auch ein Außenminister stellen.
Beckmann: Herr Mützenich, nun sind Sie ein Politiker der Opposition. Insofern haben Sie es an dieser Stelle vielleicht ein bisschen leichter. Ist es nicht wirklich in diesem Konflikt ein schwieriger Grad, auf dem man sich da bewegt? Einerseits will man Deutschland aus einem Krieg heraus halten. Andererseits führt man die Bundesrepublik damit automatisch in so etwas ? ja, sie haben es angesprochen ? Isolation. Da fällt es doch schwer, überhaupt so etwas wie einen - richtigen? Weg zu finden, oder nicht?
Mützenich: Ich sage ja auch nicht, dass das leicht ist, aber ich glaube schon, dass man auf die Widersprüche aufmerksam machen darf. Und ich habe es mir auch in Interviews auch mit Ihnen damals nicht leicht gemacht im Zusammenhang mit Libyen. Da ist nicht die Frage ob man Regierung oder Opposition ist, sondern da muss man abwägen. Und damals war der Sicherheitsrat zu der Überzeugung gekommen zum Schutz der Zivilisten nach einer zweiten Resolution im Sicherheitsrat muss es auch Gewaltanwendung geben. Es ging ja nicht darum, beispielsweise für Rebellen Partei zu ergreifen, sondern insbesondere mit der Luftraumüberwachung in Libyen, auch mit einem direkten gewaltsamen Eingriff Ghaddafi zu stoppen. Und das war eine schwere Auseinandersetzung. Das war weder leicht für die Regierung noch für die Opposition. Und wir hatten ja auch unterschiedliche Diskussionen in meiner Partei.
Beckmann: Sie hätten sich gewünscht, dass Deutschland sich im Sicherheitsrat nicht enthalten hätte, sondern mit den westlichen Staaten zusammen gestimmt und dann sich vielleicht trotzdem aber heraus gehalten hätte aus den aktiven kriegerischen Handlungen, also aus den Angriffen?
Mützenich: Es ist zumindest meine Position gewesen, dass man versucht, zumindest innerhalb der Europäischen Union zusammen zu bleiben, mit den drei anderen Staaten, die zur Zeit im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen sind. Ich hätte auch eine letztlich offenere Debatte in Deutschland darüber gewünscht, ob wir in Fällen des systemischen Schutzes von Menschen in Libyen, die ja nicht Partei ergreifen für bestimmte Entwicklungen eben diesen Gang hätten mitgehen können. Und ich glaube, es gab auch damals gute Argumente, gegenüber den Bündnispartnern deutlich zu machen, dass wir begrenzte Kapazitäten haben, weil wir in so vielen unterschiedlichen Maßnahmen der Vereinten Nationen unterwegs sind. Das wäre durchaus widerspruchsfreier gewesen, als das, was die Bundesregierung zur Zeit schleichend unternimmt - offensichtlich aus einem schlechten Gewissen über ihr damaliges Abstimmungsverhalten heraus.
Beckmann: Mit Wissen um dieses schlechte Gewissen: Was würden Sie sich jetzt wünschen von der Bundesregierung? Sollte sie grundsätzlich ja sagen, wenn die NATO um Unterstützung mit Technik und Waffen bittet?
Mützenich: Ich glaube, dass muss man sich eben genau angucken, was die NATO will. Das wissen wir ja überhaupt nicht. Es war ja offensichtlich so, dass hier der Verteidigungsminister erst einmal allgemein Auskunft gegeben hat. Wir brauchen heute die Ausschusssitzung, um zu wissen, um was es da geht. Wir müssen insbesondere wissen, was sich dahinter außenpolitisch verbirgt, ob das ein neuer Kurs ist oder ob das eben allein dem schlechten Gewissen geschuldet ist.
Beckmann: Rolf Mützenich war das, der außen politische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag zu einer Anfrage der NATO, die es offenbar gibt, Deutschland mit Blick auf eine mögliche Unterstützung mit Technik und Waffen im Libyen-Konflikt.