SPD-Außenpolitiker Mützenich: Sanktionsdruck auf Teheran weiter wichtig

Interview mit Rudolf Geissler
Veröffentlicht: 
SWR Tagesgespräch, 05.02.2010
Thema: 
Zum Einlenken des iranischen Präsidenten im Atomstreit

Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, ist skeptisch, ob im Atomstreit mit Teheran wirklich ein iranisches Einlenken bevorsteht. Im Südwestrundfunk (SWR) sagte Mützenich, die gestrige Äußerung des iranischen Botschafters in Russland spiegele eine Position wider, die die Internationale Atombehörde IAEO schon einmal abgelehnt habe. Der Botschafter hatte vorgeschlagen, auf dem Boden Irans leicht angereichertes einheimisches Uran gegen reaktortaugliches Uran aus dem Ausland einzutauschen. Mützenich sagte, auch die jüngste Rede von Irans Präsident Ahmadinedschad signalisiere keine wirkliche Wende der gesamten Führung. Sicher sei, dass Ahmadinedschads Kompromissbereitschaft mit der Atomenergiebehörde im iranischen Parlament starke Gegner auch in den Reihen der Opposition habe. Und nach wie vor offen sei, ob "insbesondere der iranische Revolutionsführer" Chamenei hinter dem Kompromissmodell stehe. Die IAEO hatten Teheran zuletzt angeboten, sein leicht angereichertes Uran im Ausland so aufzubereiten und zurückzuschicken , dass es im Iran nur für friedliche Zwecke verwandt werden kann.

Rudolf Geissler: Premiere in München. An der traditionellen Sicherheitskonferenz wird heute und an diesem Wochenende erstmals ein hochrangiger Besucher aus China teilnehmen, Pekings Außenminister Yang kommt. Was ist denn von ihm zu erwarten auf einer Konferenz, auf der es bislang eigentlich hauptsächlich immer um transatlantische Sicherheit gegangen ist?

Rolf Mützenich: Nun, ich finde, dass ist ein wichtiges Zeichen, dass China ein entscheidender Akteur in der internationalen Politik geworden ist. Wir können viele Probleme, die wir haben, nicht mehr ohne China alleine bewältigen. Und deswegen ist das ein richtiges Zeichen. Und ich finde des auch durchaus gut, dass der chinesische Außenminister gesagt hat, er würde an dieser Sicherheitskonferenz teilnehmen, die ja auch in den letzten Jahren ein bisschen ihr Gesicht geändert hat. Wir haben nicht nur noch transatlantische Fragen, sondern die breite Palette von sicherheitspolitischen Herausforderungen wird dort erörtert, und insbesondere seit einigen Jahren steht der Iran dort im Mittelpunkt.

Geissler: Sie haben das Stichwort jetzt schon gebracht. Sollte Bundesaußenminister Westerwelle seinen chinesischen Kollegen auf das Thema Sanktionen ansprechen gegen Iran, oder sollte er das im Moment besser lassen? Was meinen Sie?

Mützenich: Nun, ich glaube schon, wir müssen die Volksrepublik China auch fordern, wir müssen ihr auch klar vor Augen führen, dass vielleicht bestimmte kurzfristige wirtschaftliche Interessen, die man hat oder auch bestimmter diplomatischer Umgang mit einzelnen Ländern nicht langfristig, glaube ich, helfen, insbesondere im Zusammenhang mit der Gefahr einer potentiellen Nutzung der Atomenergie auch zu militärischen Zwecken im Iran. Das finde ich schon, das muss man ansprechen. Und wenn zum Beispiel ein Land wie der Iran gegen Völkerrecht verstößt, gegen den Atomwaffensperrvertrag, dann finde ich schon, muss die internationale Gemeinschaft auch darüber sprechen, ob möglicherweise mit zivilen Sanktionen gehandelt werden kann. Wir diskutieren ja zur Zeit sehr stark über wirtschaftliche Sanktionen. Und da muss China auch mit an den Tisch. Also ich glaube schon, dass Gespräch muss auch auf diese Frage gelenkt werden.

Geissler: Nun hat ja aber die Rede von Präsident Ahmadinedschad am Dienstag in der Öffentlichkeit zumindest den Eindruck erweckt, dass Teheran auf die Forderungen des UNO-Sicherheitsrats eingehen will und deshalb die Frage von Sanktionen erstmals in den Hintergrund rückt. Ist da inzwischen ein neuer Akzent zu hören aus Teheran nach Ihrem Eindruck?

Mützenich: Ich bin ein bisschen skeptisch. Gleichwohl war das noch mal wichtig gewesen, dass Präsident Ahmadinedschad diese Ankündigung gemacht hat. Auf der anderen Seite muss man natürlich wissen, die Iraner sind oft vor einer neuen Sanktionsrunde zu Zugeständnissen, zumindest verbal, bereit. Und dass sind die Dinge, die wir uns natürlich auch realistisch vor Augen führen müssen. Auf der anderen Seite kommt hinzu, Präsident Ahmadinedschad war einer der Befürworter dieses, ich nenne es jetzt mal, Deals mit der internationalen Atomenergiebehörde. Auf der anderen Seite hatte er vehemente Gegner, teilweise auch aus der sogenannten Oppositionsbewegung im Parlament auch; und auf der anderen Seite bin ich mir nicht ganz sicher, ob die wichtigen Akteure im Iran, insbesondere der iranische Revolutionsführer, hinter diesem Kompromiss vielleicht stehen.

Geissler: Der Vorschlag des Westens, um das noch mal in Erinnerung zu rufen, lautet, Iran soll sein eigenes leicht angereichertes Uran außer Landes nach Russland oder Frankreich schicken, um dort es aufbereiten zu lassen, damit es zurückgeschickt wird und für friedliche Zwecke genutzt wird, nicht für Atombomben. Nun hat der iranische Botschafter in Moskau gestern gesagt: Wir wollen die Einigung so, dass unser Uran auf iranischem Boden getauscht wird gegen das schon angereicherte aus dem Ausland, als zeitgleich, nicht verzögert. Wäre das aus Ihrer Sicht eine für den Westen akzeptable Variante?

Mützenich: Das hat ja schon mal auf dem Tisch gelegen und die Internationale Atomenergiebehörde hat diesen Vorschlag abgelehnt, weil man nicht sicher ist auf der Seite, ob die Iraner dann zum Schluss auch alle die Dinge liefern werden. Das Problem ist, uns fehlt Vertrauen in den Beziehungen. Ich glaube, das ist der Kernpunkt der Frage. Und Vertrauen kann man auch nur längerfristig aufbauen. Präsident Obama hat die richtigen Schritte in dieser Richtung gemacht. Und ich hoffe, dass über den Dialog, der auf jeden Fall stattfinden muss, dieses Vertrauen wachsen kann. Der entscheidende Punkt ist einfach, es braucht einen Konsens innerhalb des Irans für dieses Vorgehen, für diesen Kompromiss. Und den sehe ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht.

Geissler: Da sagen allerdings auch einige Strategieexperten: alles an Sanktionsdebatte bringt nichts, auch militärisch werden wir nichts verhindern können. Die einzige Chance ist, auf einen Regimewechsel zu setzen. Sie sind ja nun auch Vorsitzender der deutsch-iranischen Parlamentarier-Gruppe. Wie realistisch ist denn so eine Erwartung aus Ihrer Sicht?

Mützenich: Also, wenn man mit realistischen Fragen dort herangeht muss man ja wissen, dass auch die Oppositionsbewegung, auch diejenigen, die die jetzige Situation im Iran ablehnen, für die Nutzung der Atomenergie sind und auch durchaus es Hinweise darauf gibt, dass auch Gruppen innerhalb dieser Richtung dafür sind, sie auch zu militärischen Zwecken zu missbrauchen. Also so einfach ist die Frage des Regimewechsels nicht. Ich halte davon überhaupt nichts, von diesem Vorgehen. Präsident Bush ist kläglich damit gescheitert, was er im Nahen Osten versucht hat. Deswegen finde ich das, was der jetzige amerikanische Präsident auf die Tagesordnung gesetzt hat, Dialog, genau der richtige Vorgang. Letztlich werden wir in der Region nur zu einer friedlicheren Situation kommen, wenn das Problem zwischen Palästinensern und Israel gelöst ist und insbesondere wenn es uns gelingt, in der Region der Golfstaaten ein regionales Sicherheitssystem aufzubauen, dass sich die Länder gegenseitig auch vertrauen.