SPD-Außenpolitiker Mützenich: Nordkorea ist kaum beeinflussbar

Interview mit Rudolf Geissler
Veröffentlicht: 
SWR 2 Tagesgespräch, 13.04.2012
Thema: 
Vor der Wiederaufnahme der Atom-Gespräche mit dem Iran

Zusammenfassung:

Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, sieht kaum Chancen für UNO-Sanktionen als Reaktion auf den jüngsten nordkoreanischen Raketentest. Im Südwestrundfunk (SWR) sagte Mützenich, dazu sei die humanitäre Lage in Nordkorea zu angespannt. Mögliche Verhandlungen mit Pyöngyang seien ebenfalls schwer abzusehen, weil nicht klar sei, welche tatsächliche Bedeutung der neue nordkoreanische Führer im Machtsystem habe. Letztlich habe nur China noch einen nennenswerten Einfluß auf die Führung in Pyöngyang, sagte Mützenich. Aber der jüngste Raketentest zeige ja, dass selbst Peking und Russland es nicht geschafft hätten, Nordkorea von seinen Versuchen abzubringen. Die Welt müsse weiter davon ausgehen, dass das Land über Waffensysteme verfüge, die "auch Nuklearsprengköpfe tragen könnten".

Vollständiges Interview:

Rudolf Geissler: Unter dem Stichwort Atompolitik: was macht Ihnen da heute früh mehr Sorgen? Der Streit mit dem Iran - zu dem wir gleich kommen werden - oder aber der Raketentest heute Morgen in Nordkorea?

Rolf Mützenich: Nun, ich glaube beides, weil es ja beides bis zum jetzigen Zeitpunkt ungeregelte Konflikte sind. In Nordkorea ist es noch etwas unübersichtlicher, weil wir es mit einem politischen System zu tun haben, das auch einen neuen politischen Führer letztlich hat. Und da wissen wir nicht genau, ob dessen politischer Einfluss zur Zeit so stark genug ist, um auch verlässliche Verhandlungen zu führen.

Geissler: Wie beruhigend ist denn, dass der Testlauf technologisch offensichtlich missglückt ist?

Mützenich: Immerhin hat dieser Test stattgefunden, trotz aller Versuche ? auch vonseiten Chinas, Russlands - das zu verhindern. Das macht es etwas unkalkulierbar. Technisch kann ich das zum jetzigen Zeitpunkt nicht bewerten, aber wir müssen fest davon ausgehen: Nordkorea ist eben in der Lage, über verschiedene Trägersysteme zu verfügen und eben andere Tests weisen darauf hin, dass sie zumindest Waffensysteme haben, die vielleicht nicht eine so große Reichweite haben, aber immerhin auch Nuklearsprengköpfe tragen könnten.

Geissler: Außenminister Westerwelle hat für die heute angesetzte Sitzung des UNO-Sicherheitsrats eine angemessene Reaktion auf diesen Test verlangt. Was wäre angemessen in Ihren Augen?

Mützenich: Das werden letztlich die Gespräche ergeben. Wir haben es natürlich insbesondere damit zu tun, dass wir eine schwierige humanitäre Situation im Lande haben, wo es im Interesse der Menschen dort auch zu Hilfen kommen sollte. Ich weiß also nicht, ob innerhalb des Sicherheitsrats hier noch etwas erfolgen soll, aber angemessen wird natürlich schwierig sein, weil letztlich hat nur China noch einen stärkeren Einfluss als andere Länder auf das Land ? wir werden also abwarten müssen, was im Sicherheitsrat passiert.

Geissler: Dann schauen wir nun auf den Konflikt, der an diesem Wochenende international wieder mehr ins Scheinwerferlicht rücken wird - voraussichtlich: den Atomstreit mit dem Iran. Mehr als ein Jahr lang lagen die Verhandlungen auf Eis, nun reden sie wieder miteinander in Istanbul: Teheran und die Vertreter der fünf Atommächte plus Deutschland. Ex-Außenminister Fischer hat dieser Tage geschrieben, wer da verhandelt, sollte wissen, dass die Lage noch nie so ernst gewesen ist. Übertreibt er da?

Mützenich: Nun, sie ist ernst. Und ich glaube, es ist dringend notwendig, dass diese Gespräche - und sie werden ja hoffentlich nicht nur an diesem Wochenende geführt, sondern das ist der Auftakt von substantiellen Gesprächen - auch erfolgreich geführt werden. Ansonsten stehen wir natürlich vor einer Situation - und das haben wir in den letzten Monaten erlebt -, dass sich möglicherweise Worte auch zu Auseinandersetzungen hochschaukeln können. Ich nenne insbesondere das Verhältnis zwischen Israel und dem Iran, aber auf der anderen Seite haben wir es auch in der Region mit potenziellen Konflikten zu tun, nämlich zwischen dem Iran, Saudi- Arabien und anderen Ländern.

Geissler: Der iranische Chef-Unterhändler Dschalili hat für die neuen Gespräche neue Initiativen angekündigt, ohne konkret zu werden. Welches Angebot der Iraner halten Sie denn für wirklich wahrscheinlich in Istanbul?

Mützenich: Das ist schwer von hier aus letztlich zu beurteilen. Die Iraner haben ja in den letzten Jahren gezeigt, dass sie wirklich schwierige Verhandlungspartner sind und man hinter gewissen Vorschlägen auch keine Substanz hat erkennen können. Es ist also schon notwendig, dass der Iran auch etwas auf den Tisch legt, über das es sich zu verhandeln lohnt. Insbesondere müssen wir natürlich auf der Seite auch der anderen Verhandlungsländer wissen, dass wenn es zu substantiellen Verabredungen kommt, eine Verlässlichkeit vonseiten der Iraner erwartet wird, die auch zu erfüllen ist. Und ich glaube insbesondere geht es dem Iran immer noch, wie seit 1979, um die Existenz seines eigenen politischen Regimes.

Geissler: Je höher der Anreicherungsgrad bei Uran, umso näher ist man an der Atombombe - um diesen Zusammenhang nochmal klar zu machen. Ist denn eigentlich nach Ihrem Eindruck der alte Kompromiss-Vorschlag ganz vom Tisch, der so aussah: Man bringt niedrig angereichertes Uran aus dem Iran ins Ausland, lagert es zwischen und liefert im Gegenzug Brennstäbe aus Russland oder Frankreich, um es damit eben gar nicht zur Atomwaffen-Fähigkeit kommen zu lassen. Ist die Idee vom Tisch?

Mützenich: Nein, in der Tat: Dies kann ja ein erfolgreiches Modell sein. Wir haben ja bei Buschehr gesehen, also dem Reaktor, Plutonium, was aus Russland geliefert wird und dorthin auch wieder zurückgebracht werden kann, dass das ein Weg ist. Dafür muss Vertrauen letztlich aufgebaut werden. Da wird man nochmal sehen müssen, ob die Iraner vielleicht hier auch Vorschläge einbringen, die auch eine Überwachung im Lande selbst möglich machen. Alles das sind Aspekte, die in den nächsten Tagen zu erörtern sind. Aber auf der anderen Seite muss der Iran natürlich auch noch die Fragen, die die internationale Atomenergie-Behörde hat - wie zum Beispiel Informationen, dass an einem Sprengkopf gearbeitet worden ist - aufklären, und insbesondere Inspektoren auch an die Anlagen ins Land lassen, die verdächtig sind, für militärische Produkte missbraucht zu werden.