"Das sollte nicht normal sein"

Interview mit Helmut Rehmsen
Veröffentlicht: 
WDR 2, 28.10.2013
Thema: 
Gespräch mit Rolf Mützenich zur Spähaffäre

Nach dem NSA-Lauschangriff auf das Handy von Kanzlerin Merkel fordert der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich Konsequenzen. Auf WDR 2 sprach er sich für einen Untersuchungsausschuss zur Abhöraffäre aus.

Helmut Rehmsen: Die Deutsch-amerikanische Freundschaft wird derzeit einer harten Bewährungsprobe unterzogen, seit bekannt wurde, dass der transatlantische Verbündete und sein Geheimdienst NSA seine Botschaft in Berlin offenbar als Brückenkopf für ausgiebige Spionagetätigkeiten nutzt - und dabei auch vor dem Handy der Kanzlerin nicht halt machte. Das Wall Street Journal berichtete heute, das Handy der Kanzlerin sei bis vor kurzem abgehört worden.

Rolf Mützenich ist außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Er sitzt in der Arbeitsgruppe Auswärtiges bei den derzeit statt findenden Koalitionsverhandlungen mit der Union.

Herr Mützenich, eine Schnüffelbotschaft, ist das eigentlich normal? Macht Deutschland das mit dem BND in Washington genauso?

Rolf Mützenich: Nein, das sollte nicht normal sein. Und die Vorwürfe sind schwerwiegend. Das Bild, was die amerikanische Botschaft bisher vermittelt hat, - Partnerschaft und im gegenseitigen Interesse auch gemeinsame Handlungen in der Welt, - das erschwert das mit Sicherheit in den nächsten Monaten.

Rehmsen: Jetzt kommt die Forderung nach einem Untersuchungsausschuss. Sind Sie auch dafür? Was kann das bringen?

Mützenich: Ich glaube, der Untersuchungsausschuss wird durchaus auch noch Aufklärung bringen können über das, was wir auch bei der Gegenspionage, der Aufklärung hatten, über das, was möglicherweise die Dienste auch in der Zusammenarbeit wussten in den letzten Jahren, ob möglicherweise auch Regierungsstellen hier auch Kenntnis hatten. Das ist schon wichtig. Ob wir dann auch von Seiten der USA Aufklärung in einem Untersuchungsausschuss bekommen, das wird sich zeigen.

Rehmsen: Glauben Sie das wirklich?

Mützenich: Ich glaube, dass die USA möglicherweise gegenüber einem Untersuchungsausschuss zurückhaltend sein werden. Wir werden das aber letztlich auf Regierungsstelle, auf Regierungshandeln heraus bekommen. Nächste Woche wird eine Delegation dorthin reisen. Ich hätte mir nur gewünscht, dass die alte Bundesregierung viel früher, als auch die Vorwürfe bekannt geworden sind, wie eine massenweise Spionage gegenüber den Bundesbürgern erfolgt ist, genauso viel Engagement gezeigt hätte wie jetzt.

Rehmsen: Aber jetzt sitzen Sie als SPD mit in den Koalitionsverhandlungen und können gar nicht so richtig angreifen. Sie sitzen mit im Boot und sind eine lahme Ente.

Mützenich: Nein, es geht nicht um Angreifen, sondern es geht um Aufklärung. Und ich glaube schon, dass es richtig gewesen ist, auch in den letzten Wochen, auch während des Wahlkampfes, immer wieder auf die Aufklärung hinzuweisen und auch letztlich auch Herrn Snowden als Zeugen in einem zukünftigen Untersuchungsausschuss zu vernehmen. Ich glaube, das sind wichtige Maßnahmen gewesen, die wir jetzt auch in die Koalitionsgespräche werden einbringen müssen.

Rehmsen: Spionieren die Amis, weil sie kein Vertrauen in Deutschland haben, oder ist Deutschlands Vertrauen in die USA dahin, weil sie uns systematisch ausspionieren?

Mützenich: Nun, wenn die Berichte stimmen, ist es ja offensichtlich so gewesen, dass der damalige amerikanische Präsident Bush die damalige Oppositionsführerin Merkel versucht hat über dieses Handy auszuspionieren. Das wundert mich schon, weil ja gerade Frau Merkel im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg eher positiv gegenüber dieser Intervention eingestellt war. Also, einige Verwunderung habe ich in den letzten Tagen auch bei mir gespürt.

Rehmsen: Ist das wirklich Verwunderung, sind wir nicht treu-doof, naiv?

Mützenich: Nein, nein, ich habe mir schon bestimmte Dinge gedacht, aber das es nun so ist und auch so maßlos, weil ich mich natürlich frage, was bringt die Abschöpfung von diesen doch sehr einfachen Informationen an Erkenntnisgewinn, was man möglicherweise nicht auch durch Gespräche viel besser hinbekommen könnte. Das habe ich mir so nicht gedacht.

Rehmsen: Vielleicht noch ein Satz: Was würden Sie raten? Irgendwelche Verhandlungen über Freihandelsabkommen boykottieren oder UN-Resolution? All das wird ja diskutiert. Bringt das was?

Mützenich: Ich glaube, das gerade das Freihandelsabkommen jetzt ein Instrumentarium ist, um auch den Amerikanern, die ja ein großes Interesse an diesem Abkommen haben, deutlich zu machen, hier müssen Bestandteile insbesondere des Datenschutzes auch erfolgen. Wir müssen innerhalb der Europäischen Union auch mit unseren Partnern - ich denke zum Beispiel an Großbritannien - ein offenes Wort reden. Also da liegt noch eine Menge Arbeit für die neue Bundesregierung auf dem Weg.

Rehmsen: Die Einschätzung von Rolf Mützenich zur Handy-Ausspähaffäre, er ist außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion und sitzt jetzt auch in der Arbeitsgruppe Auswärtiges bei den Koalitionsverhandlungen mit der Union. Danke für das Gespräch heute morgen!

Mützenich: Vielen Dank für die Einladung!