"Skeptisch gegenüber militärischen Antworten"
Stefan Vogt: Die Woche nach den Anschlägen von Paris, mit bis jetzt 132 Toten und noch Hunderten von Verletzten: Rolf Mützenich ist bei uns im Studio, SPD-Bundestagsabgeordneter aus Köln und Außenpolitik-Experte, guten Morgen. Sie haben über das Wochenende ja auch die Ereignisse aus Frankreich sacken lassen können. Was empfinden Sie heute Morgen - mal losgelöst davon, dass Sie Politiker sind. Was denken Sie als Mensch?
Rolf Mützenich: Immer noch geschockt, auf der anderen Seite aber auch beeindruckt von der Bevölkerung in Paris, die ja offensichtlich sehr versucht, zusammenzuhalten und auch gemeinsam zu trauern. Und ich glaube auch, dass die französische Regierung zur Zeit alles versucht, der Bevölkerung ein Mindestmaß an Sicherheit zu geben. Das sind so die Eindrücke, die ich heute Morgen habe.
Vogt: Wir haben ja vom Präsidenten - von Hollande - gehört, dass er den Ausnahmezustand für ganz Frankreich ausgerufen hat, der auf drei Monate jetzt auch verlängert wurde und er baut auf die Unterstützung der europäischen Nachbarn - also auch auf uns Deutsche. Was muss die Bundesregierung jetzt tun?
Rolf Mützenich: Ich glaube - wir stehen ja im direkten Kontakt und auch Bundeskanzlerin Merkel hat sofort reagiert - ich glaube, dass zur Zeit polizeiliche, geheimdienstliche Aufgaben im Vordergrund stehen, dass man versucht, Netzwerke zu identifizieren, das heißt aber auch, mit den belgischen Behörden eng zusammenzuarbeiten. Ich glaube, dass das zur Zeit die entscheidende Antwort von Europa sein muss, um insbesondere möglicherweise noch Flüchtige zu stellen und auf der anderen Seite unter Umständen auch weitere Anschläge zu verhindern. Das ist ein Mindestmaß, was wir zur Zeit unternehmen können.
Vogt: Die Rede ist von - das hat die Kanzlerin gesagt - "jedweder Unterstützung". Kann da noch mehr kommen oder muss da noch mehr kommen?
Rolf Mützenich: Das muss man beraten, aber ich finde, man darf jetzt auch nicht voreilig sofort irgendwelche Instrumente auf den Tisch legen. Einige waren ja am Wochenende schon so weit: die Nato, viele andere Dinge wurden besprochen. Ich glaube, es kommt jetzt auch gerade bei der Politik darauf an, und das ist auch die Erwartungshaltung der Bevölkerung - zumindest nach meinem Dafürhalten - nicht irgendwas herbeizureden, was uns später möglicherweise noch zusätzliche Probleme bereiten wird. Ich bin sehr skeptisch zum Beispiel gegenüber militärischen Antworten.
Vogt: Viele haben die Angst, dass diese Anschläge von Paris jetzt die Flüchtlingsdebatte, die es bei uns im Land ja auch gibt, befeuern. Haben Sie das Gefühl, dass das jetzt tatsächlich vermengt werden kann?
Rolf Mützenich: Ja, das hat ja sofort begonnen. Das hat sowohl im Netz begonnen, aber einige Politikerstimmen haben auch darauf hingedeutet. Deswegen finde ich es gut, dass auch der bayrische Ministerpräsident und CSU-Parteichef gerade seine Parteimitglieder ermahnt hat, diese Fragen auseinanderzuhalten. Und man muss sie doch auch auseinanderhalten, weil ein Großteil der Flüchtlinge, die zur Zeit nach Europa streben, fliehen ja genau vor diesem Terror und sie erleben ihn genauso wie wir jetzt auch hier in Europa selbst.
Vogt: Rolf Mützenich, Bundestagsabgeordneter der SPD und Außenpolitik-Experte mit seinen Einschätzungen und Eindrücken des Wochenendes. Danke für den Besuch hier bei WDR 2.
Rolf Mützenich: Danke für die Einladung.