Russland gängelt NGOs und Stiftungen

Interview mit Dietmar Ringel.
Veröffentlicht: 
Inforadio, 27.03.2013
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Deutsche Stiftungen in Russland sind ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten. Rolf Mützenich, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, sieht darin einen Einschüchterungsversuch.

Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung wurde am Montag und Dienstag gleich zwei Mal von den Behörden aufgesucht und protestierte gegen die Aktion. Es wurden Computer beschlagnahmt mit der Begründung, man wolle die Lizenzen für die verwendete Software überprüfen. Auch die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung erhielt Besuch von den russischen Behörden.

Hintergrund der Untersuchungen ist ein neues Gesetz, dass im vergangenen Jahr in Kraft getreten ist. Danach müssen sich Organisationen mit finanzieller Unterstützung aus dem Ausland in ein Register "ausländischer Agenten" eintragen lassen.
Die Bundesregierung zeigte sich besorgt über das Vorgehen der russischen Behörden. Auf Veranlassung von Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) wurde der russische Gesandte ins Außenamt geladen, um die Besorgnis der Regierung zu übermitteln. Zahlreiche Politiker verschiedener Parteien kritisierten das Vorgehen der russischen Behörden.

Unionfraktionsvize Andreas Schockenhoff, der auch Russland-Beauftragter der Bundesregierung ist, sagte, es sei "inakzeptabel, dass langjährige deutsche Projektpartner in Russland unter den Generalverdacht geraten, als ausländische Agenten tätig zu sein". Grünen-Chefin Claudia Roth erklärte, es sei ein "Armutszeugnis und vor allem ein Zeichen großer Nervosität und Schwäche des Kreml", wenn Präsident Putin meine, mit staatlichen Repressionen das stärker gewordene zivilgesellschaftliche Engagement in Russland unterdrücken zu müssen."

Der Außenexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, sagte im Inforadio, der russische Präsident Wladimir Putin versuche mit diesem Vorgehen die Zivilgesellschaft einzuschüchtern. Der SPD-Politiker zeigte sich jedoch zuversichtlich, dass sich die russische Bevölkerung dadurch nicht beeinflussen lasse und weiter ihre politischen Rechte einfordere. Politische Stiftungen seien unverzichtbar für das Zusammenwachsen der Zivilgesellschaften. Die Arbeit der Stiftungen sei in Russland immer wieder schwierig gewesen.

Mützenich sieht die deutsch-russischen Beziehungen nicht in Gefahr. Sie müssten sich aber weiter entwickeln und auch kritische Töne zulassen, so der SPD-Politiker.
Mützenich: Offensichtlich ist es ein gezieltes Vorgehen, was jetzt auch die Auslandsbüros der politischen Stiftungen erreicht hat. Wir haben damals dieses Gesetz kritisiert und ich nehme an, dass Präsident Putin glaube, damit auch insbesondere die Zivilgesellschaft einzuschüchtern.

Dietmar Ringel: Nun ist es ja so, dass wenn mir mal auf die ausländischen Stiftungen schauen, darunter auch die beiden deutschen, dass die ein Verständnis von Demokratie fördern wollen, das dem im Westen entspricht. Nun sagt sogar SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück, das könne man nicht eins zu eins auf Russland übertragen. Macht die russische Regierung vielleicht auch ein Stück weit zurecht Sorgen?

Rolf Mützenich: Nein, also ich glaube, die politischen Stiftungen sind unverzichtbar, sowohl für das Zusammenwachsen der Zivilgesellschaften auch zwischen Deutschland und Russland. Hier gibt es einen wichtigen Austausch. Und wir versuchen auch, in den politischen Gesprächen immer wieder deutlich zu machen, dass die Stiftungen in den Ländern, in denen sie zugelassen sind hilfreich sind. Sie werden natürlich auch überprüft, auch ihre Finanzsituation wird letztlich überprüft. Auch dass die Steuerbehörden hier vorstellig werden, das ist in jedem Land der Fall. Aber politisch ist es sehr hilfreich und das sieht man gerade an den Umbrüchen in der arabischen Welt, wo den Stiftungen auch eine besondere Rolle zugewiesen worden ist.

Ringel: Wenn wir nochmal auf Russland schauen: Konnten die Stiftungen denn bisher unbehelligt arbeiten?

Mützenich: Nein, das war immer wieder schwierig. Das war auch eine Abwägungsentscheidung für die Verantwortlichen. Wir wissen, dass gerade die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stiftungen sehr sorgsam darauf achten, dass es möglich ist, eben auch zu Kräften der Zivilgesellschaft Kontakte zu haben und auch mit Besuchen aus Deutschland zusammen zu führen. Das ist in vielen Fällen gelungen und manchmal ist es eben auch nicht gelungen
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Ringel: Sie haben das schon ein bisschen angedeutet: Diese Nichtregierungsorganisationen arbeiten ja unterhalb der diplomatischen Stufe, haben also mehr Freiräume, mehr Freiheiten, aber sie haben keine diplomatische Immunität. Ist es da denn nicht auch eine Verlockung, das auszunutzen, sich in die Angelegenheiten anderer Staaten, in diesem Falle Russlands, einzuschalten, einzumischen?

Mützenich: Nein, es ist ja keine Einmischung. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der politischen Stiftungen sind ja insbesondere auch angehalten, hier die rechtlichen Standards zu berücksichtigen, die in den einzelnen Ländern vorhanden sind, damit letztlich auch nicht gefährdet ist. Sie müssen natürlich auch abwägen, wenn sie mit Kräften der Zivilgesellschaft zusammenzuarbeiten, sie selbst nicht in Gefahr zu bringen, also gerade diese Menschen, die ohnehin ein schwieriges Los in ihren Ländern haben, aber bisher ist das nach meinem Eindruck allgemein gelungen.

Ringel: In Ägypten gab es ja im vergangenen Jahr eine ähnliche Situation, auch dort wurden Büros deutscher Stiftungen durchsucht, die Arbeit wurde erschwert. Gibt es da Parallelen zur Situation in Russland? Gibt es vielleicht auch Parallelen zu anderen Ländern?

Mützenich: Zumindest gibt es dergestalt Parallelen, dass die Machthaber glauben, mit solchen Aktionen auf die Zivilgesellschaft einzuwirken, sie entweder unmittelbar oder eben über die politischen Stiftungen  letztlich einzuschüchtern. Langfristig wird das nicht gelingen, weil in Gesellschaften, die sich modernisieren, wie beispielsweise Russland, viele Menschen auch politische Rechte einfordern. Das ist gut und das sollte man unterstützen.

Ringel: Nun hat gestern der Außenminister den russischen Gesandten ins Auswärtige Amt einbestellt. Was das mal so das übliche drohen und Zeigefinger heben oder sind die deutsch-russischen Beziehungen möglicherweise-, oder ist die Qualität gefährdet?

Mützenich: Nein, ich glaube, das zeigt eigentlich, dass ein solches Einbestellen eben auf die konkrete Tatsache hin bezogen ist und dass ansonsten sich die deutsch-russischen Beziehungen weiterentwickeln müssen. Da müssen letztlich auch kritische Töne erlaubt sein. Wir haben gerade erst vor zwei Wochen eine gemeinsame Sitzung der beiden Auswärtigen Ausschüsse hier in Berlin gehabt und das war ein wichtiges und richtiges Treffen, wo wir auch unterschiedliche Standpunkte ausgetauscht haben. Das ist möglich und das hat sich auch in den letzten Jahren bewährt.