Rolf Mützenich, SPD: "Das ist hochproblematisch"
Mehrere türkische Soldaten und ihre Familien haben Asyl in Deutschland erhalten, darunter auch Nato-Soldaten, die in Deutschland stationiert waren. Dr. Rolf Mützenich, Stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, sprach mit WDR 2 Moderator Jürgen Mayer über Hintergründe und die möglichen Konsequenzen im Verhältnis der Nato-Partner zur Türkei.
Jürgen Mayer: Die Türkei ist unser NATO-Partner. Die Soldaten sollten also im Zweifelsfall Seit an Seit mit türkischen Soldaten zur Verteidigung schreiten. Problem dabei: Nicht wenige türkische Soldaten bitten zurzeit bei uns um Asyl, weil sie sich vom türkischen Staat verfolgt fühlen, weil sie Angst haben vor ihrem eigenen Staat.
Der Außenpolitiker Rolf Mützenich, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion ist im Studio. Herr Mützenich, sind das denn viele Fälle?
Rolf Mützenich: Nun, es sind immer beachtliche Fälle. Es sind offensichtlich aus den mittleren Offiziersrängen zurzeit diejenigen, die versuchen, hier, aber auch in anderen europäischen Ländern, - auch in Belgien, zum Beispiel, - Asyl zu erhalten. Einige, oder die Mehrzahl von ihnen – zumindest ist das mein Kenntnisstand, - sind bereits aus der türkischen Armee entlassen und befürchten, bei der Rückkehr in die Türkei politische verfolgt zu werden, insbesondere unter dem Vorwurf, Mitglieder der Gülen-Bewegung zu sein.
Mayer: „Politisch verfolgt“ ist ja relativ abstrakt. Was heißt, dass, wenn die jetzt in die Türkei zurückkehren würden, befürchten die dann, verhaftet zu werden?
Mützenich: In der Tat. Es werden ja viele, insbesondere aus dem Sicherheitsapparat – Polizisten, aber auch Richter sind in der Vergangenheit verhaftet worden, mit dem Vorwurf, den Militärputsch unterstützt zu haben. Und das hat letztlich natürlich auch Militärs betroffen. Ich glaube, in diesen Fällen, hier in Deutschland waren es insbesondere türkische Militärangehörige, die im Rahmen der NATO mit der Bundeswehr, aber auch mit anderen europäischen Streitkräften sehr eng zusammen gearbeitet haben.
Mayer: Wo sind diese Leute denn jetzt untergekommen? Die haben ja vielleicht vorher in irgendwelchen Kasernen oder si gelebt, mit den Familien?
Mützenich: Wenn sie in Stäben waren, in der Tat. Und es sind auch, insbesondere bei diesen jüngsten Fällen, auch Familienmitglieder, die dann politisches Asyl erhalten haben, also das beantragt haben. Sie leben in unterschiedlichen Standorten. Manchmal ist es auch so, dass sie bei Angehörigen untergekommen sind.
Mayer: Nun habe ich schon gesagt: Türkei ist unser NATO-Partner. Wenn wir jetzt, die eigenen Soldaten vor dem eigenen Staat schützen müssen, unserem Partnerstaat, wie problematisch ist das politisch? Das geht doch eigentlich gar nicht, oder?
Mützenich: Nein, in der Tat, das ist hochproblematisch. Insbesondere muss innerhalb der NATO darüber gesprochen werden, wie die Zusammenarbeit mit der Türkei in Zukunft weiter erfolgen soll. Wir wissen, dass die türkischen Streitkräfte zum Beispiel in Syrien aktiv sind. Präsident Erdogan hat ja immer wieder angekündigt, auch in der Nachkriegsordnung im Irak tätig zu werden. Alles das sind Gesprächspunkte, die angesprochen werden müssen, aber insbesondere, dass natürlich auch Militärangehörige verfolgt werden-Das ist Aufgabe der NATO, aber auch der bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei.
Mayer: Was heißt das in der Konsequenz? Dass die Türkei nicht in der NATO bleiben kann?
Mützenich: Das muss die Türkei für sich selbst definieren. Aber es gibt eben durchaus Fragen, die jetzt erörtert werden müssen. Ob das dann am Ende dazu führt, dass gewisse Zusammenarbeit nicht mehr so gewährleistet sind, wie sie in der Vergangenheit waren. Auch das kann eintreten.
Mayer: Immer mehr türkische Soldaten suchen Schutz, suchen Asyl bei uns. Nach Zeitungsberichten sollen es sich inzwischen um rund 450 Asylanträge handeln. Live war das im WDR 2, der Außenpolitiker Rolf Mützenich, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion. Danke!
Mützenich: Danke für die Einladung!