Ringen um den Frieden

Interview mit Tom Grothe
Veröffentlicht: 
Radio Bremen, 01.02.2016
Thema: 
Gespräche in Genf

Lange Zeit wusste niemand so recht, ob es überhaupt noch zu den Syrien-Friedensgesprächen kommen würde. Nun ging es in Genf endlich los. Das Thema beschäftigt auch uns im Nordwestradio. Wir sprachen mit dem Sprecher syrischer Oppositionsgruppen in Deutschland, Sadiqu Al-Mousllie und dem stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Fraktion im Bundestag, Rolf Mützenich.

Ob die Gespräche in Genf am Ende zu einem Erfolg werden, müsse man in den nächsten Monaten bewerten, sagt der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion im Bundestag, Rolf Mützenich. Auch wenn nicht alle Parteien mit am Tisch säßen, sei es wichtig, dass es nun überhaupt erstmal zu dem Auftakt gekommen sei, meint er. Die Terrormiliz IS werde man wohl nicht auf der Konferenz sehen, so Mützenich. In Syrien tobe aber auch ein Stellvertreterkrieg, und den müsse man in Augenschein nehmen. So würden sich etwa Russland und Saudi-Arabien bisher bei den humanitären Hilfen in Syrien entziehen. Dies könne im Fokus der Konferenz stehen.

Tom Grothe: Das ist eine der großen Fragen, nämlich, wie kann wieder Frieden werden in Syrien? Und es ist deshalb auch eine große Frage, weil ja lange Zeit nicht einmal klar war, ob es überhaupt wenigstens Syrien-Friedensgespräche geben wird. Da wird es jetzt, das ist klar. Seit vergangenem Freitag läuft die Syrien-Friedenskonferenz. Fast alle Parteien, die am Bürgerkrieg beteiligt sind in Syrien, sitzen nun an einem Tisch in Genf in beraten.

Beobachtet wird das Ganze von Rolf Mützenich. Der ist stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion im Bundestag und da zuständig für Außen- und Verteidigungspolitik. Guten Morgen, Herr Mützenich.

Rolf Mützenich: Guten Morgen, Herr Grothe.

Grothe: So richtig gut läuft es ja nicht bei der Konferenz. Vor allem die Vertreter der syrischen Opposition stellen sich quer und stellen Bedingungen, bevor überhaupt irgendjemand mit irgendwem in Genf ins Gespräch kommt. Sagen Sie, sind die Gespräche damit jetzt schon zum Scheitern verurteilt, oder wird das schon noch?

Mützenich: Nein, das ist ein schwieriger Auftakt. Es ist überhaupt wichtig, dass es überhaupt zu einem Beginn der Gespräche unter dem Dach der Vereinten Nationen gekommen ist. Wir haben aber letztlich nicht alle Kriegsparteien und Akteure mit am Tisch, aber es ist wichtig, die ersten Gespräche dann auch in einer Art Panel-Diplomatie in Genf zu führen. Ob wir aber dann am Ende eine Konferenz sehen, die Erfolg hat, insbesondere im Vergleich zu den Vorgängerkonferenzen, das muss man einfach in den nächsten Wochen und Monaten noch bewerten. Es ist auf jeden Fall eine harte Arbeit.

Grothe: Sie klingen nicht besonders optimistisch, wenn ich das sagen darf.

Mützenich: Ich kann auch nicht wirklich optimistisch sein, weil ich weiß, wie die Situation der Menschen dort in Syrien ist. Viele sind eingeschlossen, der UNHCR, also die Hilfsorganisation der Vereinten Nationen klagt bereits heute wieder über Finanzmangel. Wenn es überhaupt gelingt, überhaupt zu einer Waffenruhe in einzelnen Gebieten zu kommen, um die humanitäre Versorgung der Menschen dort sicherzustellen, das wäre ein Erfolg. Aber wie gesagt, dafür bedarf es noch einer Menge Gespräche und letztlich auch weitere Gruppen, die mit an den Verhandlungstisch müssen.

Grothe: Die Gruppe, die fehlt ganz besonders, die sie ansprechen, ist der Islamische Staat, der so genannte. Die nehmen nicht teil. Kann man es sich leisten, auf die zu verzichten, bei dieser Konferenz?

Mützenich: Ich hatte jetzt eher an die Gruppen gedacht, wie zum Beispiel die Kurden, die ja auch aufgrund der Situation derzeit innerhalb der Türkei nicht mit am Verhandlungstisch sitzen. Ich glaube nicht, dass wir die Teile, die sich dem Islamischen Staat zugehörig fühlen, am Ende auch in einer Konferenz sehen werden. Gerade in Syrien sind es sehr stark ausländische Kämpfer, im Gegensatz zum Beispiel zum Irak. Aber ich will auch dort nichts ausschließen. Erstmal ist es wichtig, dass wir überhaupt die Stellvertretersituation, denn es wird ja auch ein Stellvertreterkrieg in Syrien geführt, auch in Augenschein nehmen.

Grothe: Am Donnerstag wird dann in London ebenfalls über Syrien gesprochen. Gastgeber der sogenannten Geberkonferenz sind dann der britische Premier David Cameron und Angela Merkel. Es wird vor allem um Geld gehen für eine längerfristige Entwicklungshilfe. Welchen Einfluss haben diese Friedensgespräche in Genf auf das Treffen in London, was glauben Sie?

Mützenich: Auf jeden Fall flankiert es das und wir sehen ja, dass bereits jetzt schon wieder möglicherweise eine Unterfinanzierung da ist. Und wir knüpfen an das an, was die Bundesregierung im Oktober letzten Jahres als Vorkonferenz unternommen hat, nämlich insbesondere die humanitäre Hilfe für Syrien zu stärken. Gerade heute haben wir von den Vereinten Nationen wieder gehört, dass sich insbesondere Russland, aber auch Saudi-Arabien, zwei Akteure, die sich indirekt oder auch direkt an dem Kampf beteiligen, bisher ihrer Aufgabe entzogen haben. Ich finde, das muss sehr stark auch im Fokus der Londoner Konferenz stehen.

Grothe: Syrien-Friedenskonferenz, dazu Rolf Mützenich, der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, zuständig für die Außen- und Verteidigungspolitik. Danke für das Gespräch, Herr Mützenich, Tschüss.

Mützenich: Vielen Dank für die Einladung.