Präsidentschaftswahl Iran

Interview mit Judith Schulte-Loh
Veröffentlicht: 
WDR 5 Morgenecho, 20.05.2017
Thema: 
Die Menschen im Iran haben einen neuen Präsidenten gewählt, im Laufe des Tages werden die Ergebnisse erwartet. Was bedeutet die Wahl im Iran für Deutschland? Dr. Rolf Mützenich im Interview bei WDR5

Judith Schulte-Loh: Die Iraner haben einen neuen Präsidenten gewählt. Es könnte der alte sein und zwar der moderate Präsident Hassan Ruhani. Die Hälfte der Stimmen sind inzwischen ausgezählt. Hassan Ruhani liegt deutlich vorne. Auch die Wahlbeteiligung ist sehr hoch im Iran. Sie liegt bei 70%., wurde bisher gemeldet. Wir wollen auf die Situation im Iran schauen und zwar mit Rolf Mützenich, er ist bei mir im Studio, Außenpolitiker der SPD und auch noch Vorsitzender der Deutsch-Iranischen Parlamentariergruppe. Herr Mützenich, schön, dass Sie da sind.

Rolf Mützenich: Guten Morgen, Frau Schulte-Loh.

Schulte-Loh: Schauen wir auf diese Wahl. Geht es bei dieser Wahl um Öffnung oder Abschottung des Landes, wie vorher häufig gesagt wurde, Ihres Erachtens?

Mützenich: Ich glaube schon, dass die Wählerinnen und Wähler in Iran eine klare Alternative, zumindest zwischen den beiden führenden Kandidaten, hatten. Nämlich Ruhani, der scheinbar weiterhin für die Öffnung zu stehen scheint, was nach dem Atomabkommen insbesondere die Wirtschaft betrifft und Raisi, doch sehr stark aus einem konservativem Klerikerflügel, der ja offensichtlich auch während der Revolution massive Menschenrechtsverletzungen zu verantworten hat. Ich glaube schon, dass die Wählerinnen und Wähler hier eine klare Alternative erkennen konnten.

Schulte-Loh: Wir werden natürlich im Laufe des Vormittags noch weitere Ergebnisse gemeldet bekommen. Also, bis jetzt führt tatsächlich Ruhani und wird in eine zweite Amtszeit gehen können. Hat er denn Ihres Erachtens die Erwartungen der Iraner, was Öffnung angeht, auf Veränderungen im Lande, erfüllen können?

Mützenich: Nein, wahrscheinlich nicht, Wahrscheinlich waren die Erwartungen zu hoch gewesen vor vier Jahren. Und insbesondere, dass das Atomabkommen so schnell den Schalter wird umlegen können in einer Gesellschaft, die ja nicht nur durch eine islamische Revolution und auch von einem ganz anderen politischen System geprägt ist, und die auch immer noch von einem achtjährigen Krieg mit dem Irak in und den Auseinandersetzungen mit den USA in Erinnerung hat – das lastet schon. Auf der anderen Seite, glaube ich, muss Ruhani auch schauen, dass die Wirtschaft sich nicht alleine aufgrund der Öl- und Gasvorkommen entwickelt, sondern insbesondere auch versucht, den Mittelstand zu unterstützen, eine große Jugendarbeitslosigkeit abzubauen  - und das hat wahrscheinlich die Erwartungshaltung sehr hoch gesetzt. Die ist bisher nicht erfüllt.

Schulte-Loh: Sie haben die Einigung auf das Atomabkommen 2015 gerade angesprochen. Das Verhältnis zwischen Deutschland und dem Iran: Inwiefern hat dieses Abkommen auch dieses Verhältnis verändert?

Mützenich: Wir waren ja von Anfang an daran interessiert gewesen, mit dem Abkommen eine diplomatische Lösung zu finden, die damals Bush eher in einer militärischen Konfrontation sehen wollte. Ich glaube, das war erfolgreich. Das hat zwölf Jahre gedauert. Diplomatie dauert nun einmal eben auch so lange. Die Obama-Administration hat uns darin unterstützt. Es war gut, dass dieses Abkommen vor der amerikanischen Präsidentschaftswahl Stattgefunden ist. Das Verhältnis ist durchaus dem Versuch gewidmet, auch Vertrauen zu entwickeln zwischen diesen beiden Ländern, zwischen den Institutionen, Regierungsinstitutionen, aber insbesondere natürlich auch der Wirtschaft. Und was sehr vorteilhaft ist, ist das der Tourismus von Deutschland aus steigt.

Schulte-Loh: Auf das deutsch-iranische Verhältnis will ich gleich noch einmal gucken, Nur einmal kurz dazwischen: Wir wissen, dass Donald Trump heute früh in Saudi-Arabien, in Riad, landet und man in Saudi-Arabien natürlich hoffe, in Trump wieder einen Unterstützer gegen den Iran wieder zu finden. Und Trump hat auch schon angekündigt, das Atomabkommen, das könne man auch wieder rückabwickeln. Was würde das bedeuten?

Mützenich: Das ist mehr als ein Symbol. Dass Trump auch zum Zeitpunkt der Iran-Wahl in Saudi-Arabien landet. Und scheinbar versucht ja das saudische Königshaus auch zusammen mit anderen arabischen Ländern eine massive, auch militärische, Front gegenüber dem Iran zu entwickeln. Es wird ja sozusagen auch über eine „arabische NATO“ gesprochen, wo der Eine oder Andere auch nicht ausschließt, dass diese Idee im Weißen Haus geboren wurde. Von daher glaube ich schon, gibt es durchaus auch Anlass, auch weiterhin darauf zu achten, dass wir deeskalieren. Ob das mit Trump funktioniert, das wissen wir nicht, weil er auch in diesem Feld natürlich sehr unberechenbar ist.

Schulte-Loh: Erst im März waren auf Einladung der Deutsch-Iranischen Parlamentariergruppe ja iranische Abgeordnete zu Gast in Deutschland. Worüber haben Sie da geredet?

Mützenich: Weniger über das Atomprogramm, sondern insbesondere auch die Frage, wie wir den Tourismus ausgestalten können, gibt es Wissenschaftskooperationen, es gibt offizielle Treffen, es gibt inoffizielle Treffen, da tauschen wir uns natürlich auch aus. Und ich weiß natürlich auch, in den Delegationen, die sind natürlich auch sehr gemischt, mit wem man dann vielleicht auch versuchen kann, vielleicht auch, wenn es gelingt, ein Vier-Augen-Gespräch zu führen. Aber was ich sehr interessant fand, war, dass auch die iranischen Politiker Interesse daran hatten, Erfahrungen der beruflichen Bildung auszutauschen, insbesondere, weil ja die Jugendarbeitslosigkeit ein immenses Problem ist. Drogenpolitik spielt eine große Rolle im Iran, wie kann man Substitutionen und auch andere Dinge mitgestalten und ich glaube, dann ist es auch sinnvoll, solche Treffen zu unternehmen.

Schulte-Loh: Das ist ja ganz praktisch. Das ist ja eine ganz praktische Frage, wo kann man tatsächlich, wo kann Deutschland auch Hilfe leisten, beispielsweise bei der Ausbildung, wo kann man gegenseitig voneinander profitieren. Auf der anderen Seite gibt es auch von Deutschland aus Konflikte mit dem Iran, also mit den politischen Aussagen, die dort getätigt werden. Wo gibt es dort rote Linien?

Mützenich: Insbesondere nicht nur bei den Aussagen, sondern insbesondere bei dem Verhalten: Menschenrechtsverletzungen, die Todesstrafe wird vollstreckt, auch an Minderjährigen. Die Bahai-Religion wird sehr massiv verfolgt und natürlich spielt der Krieg in Syrien eine immense Rolle, wo der Iran in den vergangenen Jahren  - und eben auch unter der Präsidentschaft Ruhanis – auch, wenn wir wissen, dass er nicht den alleinigen Einfluss auf die Friedensgestaltung hätte – , hier nicht deeskalierend gewirkt hat. Das belastet natürlich auch schon das deutsch-iranische Verhältnis.

Schulte-Loh: Und welche Rolle spielt dabei der Iran für Deutschland, gerade mit Blick auf die Entwicklungen im Mittleren Osten?

Mützenich: Eine sehr deutliche. Es ist eines der wenigen Länder, was zumindest stabil scheint. Und der Iran hat sich mit der islamischen Revolution auf den Weg gemacht, Regionalmacht in dieser Region zu sein. Ihm wird mancher Einfluss unterstellt, den ich nicht direkt sehe, aber natürlich behauptet der Iran auch bestimmte Ansprüche für sich selbst und das müssen wir beachten.

Schulte-Loh: Die Iraner haben einen neuen Präsidenten gewählt. Die Hälfte der Stimmen ist ausgezählt. Wahrscheinlich ist es, dass der bisherige moderate Präsident Ruhani in eine zweite Amtszeit wird gehen können. Welches Verhältnis zwischen Deutschland und dem Iran besteht und auch welche Interessen, dazu war das Rolf Mützenich, Außenpolitiker der SPD und Vorsitzender der Deutsch-Iranischen Parlamentariergruppe. Danke, dass Sie hier waren.

Mützenich: Danke für die Einladung.