Wie soll sich die NATO gegenüber Syrien verhalten?
Uwe Schulz: Syrien beschäftig einmal wieder die Weltpolitik. Heute auch wieder. Dem Sicherheitsrat der UNO, in drei Stunden das höchste Gremium der NATO in Brüssel, den Rat, nachdem die syrische Luftabwehr einen türkischen Kampfjet abgeschossen hat am Wochenende. Unser Außenminister hat schon mal eins klar gemacht, gestern, nach dem Treffen mit seinen Kollegen aus der Europäischen Union:
Einspieler Westerwelle:
"Wir beteiligen uns an keinerlei Spekulationen über militärische Interventionen. Wir raten auch entschieden davon ab. Es geht auch darum, dass wir einen Flächenbrand, einen Stellvertreterkrieg, in der gesamten Region verhindern müssen."
Am Telefon ist der außenpolitische Sprecher der SPD Fraktion im Bundestag, Rolf Mützenich.
Herr Mützenich, ist das Konsens im Parlament, was Guido Westerwelle sagt?
Rolf Mützenich: In der Tat. Die Diskussionen im Auswärtigen Ausschuss aber auch im Parlament deuten darauf hin, dass alle Fraktionen zur Zeit von militärischen Drohkulissen Abstand nehmen wollen. Insbesondere ist ja eine entscheidende Frage, die in New York beantwortet werden muss, ob es überhaupt im Sicherheitsrat zu einem neuen Beschluss, einer neuen Resolution, kommt. Wir haben die Überwachungsmission und die scheint gescheitert zu sein.
Schulz: Wir haben das Wort von Ban Ki Moon, dem Generalsekretär, heute zitiert gefunden. Er sagt, in Libyen haben internationale Streitkräfte eingegriffen, um eine klare Bedrohung für Zivilisten abzuwenden. Ich verstehe das wie eine laute Überlegung, ob nicht vielleicht doch militärische Mittel gegen das Assad-Regime jetzt angebracht wären.
Mützenich: Das hat der Generalsekretär wiederholt geäußert. Insbesondere, glaube ich, spricht daraus aber auch eine Enttäuschung, dass der Sicherheitsrat bisher nicht in der Lage gewesen ist, stärker ein Mandat zu erteilen, insbesondere was die Überwachungsmission betrifft, und eben, dass wir gerade gegenüber Zivilisten nicht die humanitäre Hilfe leisten können, die unbedingt notwendig ist. Wir sehen ja, dass durch diese Bürgerkriegssituation, insbesondere in einzelnen Gebieten Syriens, was aber über das ganze Land verteilt ist, Menschen mittlerweile sozusagen als Geiseln der jeweiligen Seite genommen werden, und unter diesem Konflikt nicht nur leiden, sondern gezielt auch offensichtlich getötet werden.
Schulz: Ja, aber was ist jetzt zu tun? Wenn wir zum Beispiel hören, dass alleine 33.000 Menschen schätzungsweise über die syrisch-türkische Grenze geflüchtet sind vor diesem Krieg?
Mützenich: Insbesondere eben in diesen Aufnahmelagern auch die türkische Seite zu fragen, ob internationale Hilfe hier noch weiterhin notwendig ist. Zur Zeit beantwortet die türkische Regierung das ja, dass sie das selbst tun kann. Aber ich würde nicht nur die türkisch-syrische Grenze in Augenschein nehmen, sondern zum Beispiel eben Jordanien, wo zumindest Zahlen mittlerweile vorliegen, dass fast 100.000 Flüchtlinge dort sind. Und hier glaube ich, dass insbesondere die internationale Gemeinschaft gerade im humanitären Gebiet stärker helfen muss und ich glaube, da ist insbesondere auch Deutschland und die Europäische Union gefordert, mit Hilfsmaßnahmen hier die Situation der Flüchtlinge eben so weit wie möglich zu lindern.
Schulz: Das heißt, mit humanitären Aufgaben sehen Sie den Westen gut engagiert was den Krieg in Syrien angeht und militärische Mittel schließen Sie aus?
Mützenich: Er ist nicht gut engagiert, und ich glaube, insbesondere darf man ja auch nicht zu Seite legen, natürlich ist man hilflos angesichts der Bilder, aber es ist in der Tat so, man muss natürlich abwägen, ob möglicherweise die militärische Intervention hier eine Situation noch weiter verschärfen würde. Und ich glaube alle, die sich bisher mit diesem Konflikt intensiv befasst haben, befürchten, dass wenn eben auch zum Beispiel jetzt, wie es diskutiert wird, die NATO oder die UN insgesamt hier eingreifen würden, dass es einen Flächenbrand in der Region gibt. Wir haben eben nicht nur die Situation im Libanon, einem Land mit einem langen Bürgerkrieg, sondern wir haben eine fast, ja schwierige Situation zwischen Israel und Syrien, was sich sozusagen mehr und mehr hochschaukelt und jetzt eben auch den türkischen Vorfall, wo eben auch immer noch zwei Piloten vermisst werden. Das ist eine sehr dramatische Situation.
Schulz: Deswegen heute Thema im NATO-Rat in Brüssel. Rolf Mützenich hat uns seine Position geschildert, als außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag.