Die Nahostkonferenz in Annapolis

Interview mit Cordula Denninghoff:
Veröffentlicht: 
WDR 5 Morgenecho, 27.11.2007
Thema: 
Erwartungen an Annapolis

Cordula Denninghoff: Die amerikanische Außenministerin Condoleezza Rice ist in den vergangenen Monaten mehrfach in den Nahen Osten gereist. Sie hat die Nahost-Konferenz vorbereitet, die heute in Annapolis im US-Bundesstaat Maryland stattfindet. Bei ihren vielen Gesprächen hat Condoleezza Rice im Vorfeld jedoch nicht viel erreicht. Israel und die Palästinenser konnten sich nicht auf eine gemeinsame Erklärung einigen. Nun sitzen sie also heute zusammen, und die Welt wartet gespannt darauf, was wohl herauskommt. Dr. Rolf Mützenich ist Nahost-Experte der SPD Bundestagsfraktion. - Guten Morgen, Herr Mützenich!

Rolf Mützenich: Morgen, Frau Denninghoff!

Denninghoff: Ist diese Konferenz mehr als eine nette symbolische Geste?

Mützenich: Na, ich hoffe, es ist ein Beginn von einer Gesprächsdynamik, die wir unbedingt im Nahen Osten brauchen. Und es ist gut, dass die USA endlich wieder zurückgefunden haben zu Diplomatie und die Gesprächspartner, wenn es denn Gesprächspartner sind, auch an den Verhandlungstisch gebracht haben.

Denninghoff: Aber die Hauptgesprächspartner, nämlich Abbas und Olmert, sind politisch geschwächt. Was können sie miteinander erreichen?

Mützenich: Ja, das ist richtig. Auf der anderen Seite bilden sie eine Regierung, eine fragile Koalition in Israel, ein geschwächter palästinensischer Präsident. Und genau das ist natürlich auch das Problem. Aber das hat man nun oft in der Politik, dass man nicht immer mit starken Regierungschefs etwas erreicht. Und wir haben ja die Erfahrung gemacht im Nahen Osten. Obwohl wir damals starke Regierungschefs hatten, hat es nicht funktioniert. Jetzt ist die Hoffnung gegeben, dass Bush endlich eingesehen hat, dass die Nahost-Politik, die ja zum Beispiel gegenüber Palästina und Israel immer wieder gezeigt hat, falsch war. Und es ist die richtige Richtung, die jetzt wieder eingeschlagen wird.

Denninghoff: Lange hat sich George Bush ja auch gar nicht um den Prozess gekümmert. Wie stark ist denn das Interesse der Amerikaner an einer wirklichen Friedenslösung?
 
Mützenich: Na ja, wenn ich mir gestern Abend Präsident Bush angesehen habe im Weißen Haus, fand ich ihn nicht gerade engagiert und auch von dem Thema geprägt. Aber ich glaube, die Administration insgesamt hat erkannt, dass der Weg der so genannten Demokratisierung der militärischen Invasion in Irak genau die falsche Linie gewesen ist. Und umso mehr ist es gut, dass die Europäische Union und der deutsche Außenminister im vergangenen Jahr während der Präsidentschaft auch innerhalb der EU in diesem Jahr und der G8 es geschafft haben, dass Nahostquartett wiederzubeleben. Und das ist ja auch im Grunde genommen das Ergebnis heute, was wir in Annapolis sehen.

Denninghoff: Man fragt sich natürlich, wie groß ist der Einfluss der westlichen Mächte überhaupt? Jetzt werden wahrscheinlich viele Versprechungen gemacht in Annapolis, aber irgendjemand muss dafür sorgen, dass sie auch umgesetzt werden. Sind die USA dazu in der Lage, reicht die Macht aus?

Mützenich: Nur die USA sind eigentlich in der Lage, alle Konfliktparteien, sofern sie es wollen, an einen Tisch zu bringen. Das zeigt sich ja, dass eben die Abwesenheit in den vergangenen Jahren durch die USA diesen Friedensprozess nicht vorangebracht hat. Das muss man realistischerweise sehen. Deswegen war es auch richtig gewesen, dass die Bundesregierung hier in Washington immer wieder vorstellig geworden ist. Auf der anderen Seite braucht man auch Russland. Und wenn es richtig ist, dass die Folgekonferenzen zum Beispiel im Beginn des nächsten Jahres in Moskau stattfinden, zeigt das ja, dass eben auch andere Mächte notwendig sind, um diesen Prozess voranzubringen. Wir haben in Annapolis eigentlich ja vor Augen geführt bekommen, dass wir auch andere Länder brauchen, nicht nur Israel und Palästina, sondern wir brauchen Saudi-Arabien mit seiner Friedensinitiative, wir brauchen Syrien. Und da war zum Beispiel der umstrittene Besuch von Frank-Walter Steinmeier im vergangenen Jahr in Damaskus richtig gewesen, weil er hat die Tür aufgestoßen.

Denninghoff: Er ist ja auch in Annapolis dabei. Was kann denn die Bundesregierung in diesem Konflikt überhaupt ausrichten?

Mützenich: Nun, die Bundesregierung ist natürlich wie andere Länder auch und auch die Europäische Union erst mal stellvertretende für Europa dabei. Und wir haben ein großes Engagement, wir haben ein großes Interesse auch gegenüber unserer Nachbarregion des Nahen Ostens. Das hat der Libanon-Krieg gezeigt, das hat auch der Versuch gezeigt, die humanitäre Hilfe in den palästinensischen Gebieten wieder in Gang zu bringen. Was aber die Europäische Union auch braucht, ist Mut und auch vielleicht eine Politik zu begreifen, dass es andere Kräfte als nur die Fatah um Abbas und Fayad gibt in den palästinensischen Gebieten, die wir letztlich für einen Friedensprozess, für einen gelingenden Friedensprozess dort brauchen.
 
Denninghoff: Sie haben jetzt gerade den Mut der Europäer angesprochen. Darüber hat der frühere israelische Botschafter Avi Primor heute Morgen hier im MORGENECHO auch gesprochen. Und er hat gesagt, er sei ein bisschen enttäuscht. Die Europäer sind sich eigentlich einig, was den Nahost-Konflikt angeht, aber sie hätten nicht den Mut, sich stärker zu engagieren. Er würde von ihnen auch nichts mehr erwarten. Warum ist das so? Warum sind die Europäer so mutlos?

Mützenich: Ich glaube nicht, dass die Europäer mutlos sind. Zumindest einige innerhalb der Europäischen Union haben den Mut bewiesen, zum Beispiel einen EU-Beitrag für diesen Friedensprozess, der jetzt in Annapolis hoffentlich startet, voranzubringen. Der deutsche Außenminister hat einen Plan vorgelegt, wo zum Beispiel eben die innenpolitische Situation in Palästina gestärkt werden könnte. Aber wo ich mir zusätzlichen Mut erhoffe, ist eben die Augen zu öffnen für eine innerpalästinensische Situation, die eben mehr sagt, als dass es nur eine Gruppe in diesem politischen Prozess gibt. Da muss man keine öffentlichen Gespräche direkt mit Hamas führen, wir brauchen eine technische Zusammenarbeit und wir brauchen auch die Erkenntnis - und das müssen wir auch gegenüber Israel deutlich tun -, dass die Ausweitung der
Siedler in Westjordanland der völlig falsche Weg ist. Die Abriegelung palästinensischer Gebiete und auch der Bau eines Grenzwalls, der im Grunde genommen Grenzen vorwegnimmt, war der falsche Schritt gewesen.

Denninghoff: Vielen Dank. - Rolf Mützenich, Nahost-Experte der SPD Bundestagsfraktion, über die Suche nach der Kraft für einen Frieden. Heute findet in den USA die lange geplante eintägige Nahost-Konferenz statt.