Mützenich: Trump lässt keine Agenda für Nahost erkennen

Interview mit Florian Rudolph
Veröffentlicht: 
SWR Tagesgespräch, 22.11.2016
Thema: 
Aussichten für Syrien

Der SPD-Außenpolitiker Mützenich warnt vor einem Vakuum im Syrienkonflikt. Syriens Machthaber Assad und Russland nutzen den Machtwechsel in den USA, um mit heftigen Angriffen Fakten zu schaffen, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende im SWR-Tagesgespräch. Mützenich nimmt am Nachmittag an einer Tagung der SPD-Fraktion mit dem Sondergesandten der Vereinten Nationen de Mistura zur Zukunft Syriens und des Nahen Ostens teil.

Mützenich warnt im SWR-Tagesgespräch davor, dass die künftige US-Regierung Trumps bisher keine Agenda für den Nahen und Mittleren Osten erkennen lasse. Sollten die Republikaner versuchen, den Atomdeal mit dem Iran aufzukündigen, drohe weitere Instabilität bis hin zu neuen Stellvertreterkriegen. „Wir müssen uns auf schwierige Situationen einstellen“ sagte Mützenich dem SWR. Umso wichtiger sei, dass Deutschland und die EU eine klare Linie verfolgten und auf die Einhaltung der Abkommen drängten.

Wortlaut des Live-Gesprächs:

Florian Rudolph: Bevor wir über Syrien reden, möchte ich gerne wissen, wer denn künftig die deutsche Außenpolitik verantwortet, wenn Ihr Parteikollege Steinmeier, hoffentlich mit Erfolg, für das Präsidentenamt kandidiert. Wie sieht es mit Ihnen aus?

Rolf Mützenich: Das finde ich eine interessante Frage, aber dazu kann ich öffentlich nichts beitragen.

Rudolph: Wer auch immer Außenminister ist, wenn ein Donald Trump ins Weiße Haus einzieht, der wird sich wohl mit einer noch schwierigeren Lage in Syrien konfrontiert sehen als das bislang der Fall ist. Der UN-Sondergesandte de Mistura, der heute Gast auf Ihrer Fraktionstagung ist, der scheiterte ja gerade erst, mit dem Appell, einen Waffenstillstand zu schließen. Haben Syriens Machthaber Assad und Russland derzeit freie Hand in Syrien?

Mützenich: Es ist auch jeden Fall so, dass das syrische Regime, aber dass auch Russland letztlich unterschiedslos auch gegen die Zivilbevölkerung vorgeht, und in der Tat, sie versuchen Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) dieses Vakuum, das bis zur Präsidentschaft Trumps ja sich zeigt, Fakten zu schaffen, aber am Ende wird es nur eine politische Lösung geben. Deswegen wollen wir auch mit dieser Tagung auf politische Lösung hinweisen.

Rudolph: Aber wie ist so eine politische Lösung erreichbar? Der künftige US-Präsident hat ja durchblicken lassen, wie er sich die Zukunft Syriens vorstellt. Gemeinsamer Kampf mit Russland gegen die Terrormiliz IS und der Machthaber Assad. Der ist ja quasi für ihn fast schon ein Garant für Stabilität. Sind das Fakten, denen man sich beugen muss?

Mützenich: Nein, auf keinen Fall beugen muss und ich glaube auch, ein Präsident Trump und ein kommender amerikanischer Außenminister werden erkennen müssen, dass es hier nicht nur die Konfliktlinie Russland/USA gibt. Sie werden, selbst, wenn sie sich verständigen, diesen Krieg nicht beenden, sondern es ist ein Stellvertreterkrieg, aber eben auch ein Krieg im Inneren Syriens und ich glaube, das darf man nicht übersehen. Umso mehr muss man eine Vermittlungsmission, wie Herr de Mistura es seit Monaten tut, immer wieder unterstützen, aber auch durch humanitäre Hilfe flankieren.

Rudolph: Sie haben von dem Machtvakuum gesprochen durch die US-Wahl und um den Versuch, da jetzt Fakten zu schaffen. Was heißt das denn konkret für Syrien für die kommenden Wochen und Monate?

Mützenich: Es bedeutet auf keinen Fall Gutes letztlich für die Zivilisten. Das hören wir und sehen wir ja auch immer jeden Tag. Wir können, wie gesagt, nur versuchen, das Elend dadurch etwas kleiner zu halten, indem wir die humanitäre Hilfe verstärken, und Deutschland geht mit einem guten Vorbild voran. Wir erfüllen unsere eingegangenen Verpflichtungen, aber auf der anderen Seite müssen wir auch anderen Konfliktakteuren deutlich machen, wie zum Beispiel der Türkei, Saudi-Arabien und dem Iran, am Ende wird es nur eine politisch diplomatische Lösung geben, um den Konflikt nicht nur weiter eskalieren zu lassen. Dem müssen wir uns auch stellen. Bisher ist es auf Syrien, Teile auch des Iraks begrenzt, aber das heißt nicht, dass sich dieser Konflikt nicht auch ausweiten könnte.

Rudolph: Über einen US-Präsidenten Trump wissen wir ja, dass er dem Iran-Atom-Diel beispielsweise skeptisch gegenüber steht und mit Israels Premier Netanjahu scheint er sich deutlich besser zu verstehen als noch der Amtsinhaber Obama. Das heißt, steht eigentlich auch die ganze Lage über Syrien hinaus im Nahen Osten da jetzt wieder vor einer dramatischen Veränderung?

Mützenich: In der Tat. Ich glaube, wir müssen sehen, dass es überhaupt gar keine amerikanische Agenda für den Nahen und den Mittleren Osten, zumindest aus der Präsidentschaft Trumps herauszulesen ist. Dieses Vakuum auch ein Gedankenvakuum deutet eben darauf hin, dass wir uns noch auf schwierige Situationen einstellen müssen, insbesondere dann, wenn Trump und die Republikaner es versuchen, das Abkommen mit dem Iran aufzukündigen. Daraus befürchte ich weitere Instabilität und möglicherweise auch weitere Stellvertreterkriege.

Rudolph: Sie haben ja gleich nach der US-Wahl eine klare Linie gegenüber den USA gefordert. Wie muss die denn aussehen?

Mützenich: Sie muss insbesondere deswegen so aussehen, dass wir auf Abkommen, die ja nun eine Menge Arbeit und letztlich aber auch Verlässlichkeit in die internationale Politik gebracht werden, dass wir darauf bestehen. Das muss eine europäische Linie sein. Großbritannien und Frankreich haben mit am Verhandlungstisch gesessen. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat diese Abkommen legitimiert und dieses Auftreten muss sich an Werten orientieren, wie die Bundesregierung gesagt hat, aber eben auf der anderen Seite auch an Beständigkeit, aber auch einer deutlichen Sprache.

Rudolph: Es geht wahrscheinlich um dieses Mehr an Verantwortung, dass wir jetzt in Deutschland und in der EU übernehmen müssen. Aber ganz ehrlich, man hat doch den Eindruck, blickt man zurück auf die vergangenen Monate, da sind wir kaum mehr als ein hilfloser Beobachter gewesen. Warum soll sich das ändern?

Mützenich: Ich glaube nicht. Es ist in der Tat so, ich will das nicht leugnen, dass natürlich innerhalb der Europäischen Union, auch in der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, wir vor schwierigen Herausforderungen stehen und auch manches selbst mit verursacht haben, aber auf der anderen Seite müssen Sie auch erkennen, dass nach 12 Jahren Verhandlungen, es mit dem Iran zu einer Lösung gekommen. In der Ukraine-Krise hat auch die Europäische Union gemeinsam gehandelt. Sie dürfen nicht unterschätzen, wir standen vor wirklich schwierigen Tagen der Herausforderung, der Eskalation im Ukraine-Konflikt, der sich auch hätte ausweiten können. Da hat Europa gezeigt, auch gegenüber einem sich sehr zurückhaltenden amerikanischen Präsidenten, dass wir handeln können und daran müssen wir festhalten.