Mützenich (SPD): Frankreich bei den Atomgesprächen mit dem Iran "skeptischer" als andere
Baden-Baden: Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, hat bestätigt, dass die französische Regierung bei den Atomgesprächen mit dem Iran "skeptischer" verhandele als andere Vetomächte. Im Südwestrundfunk (SWR) sagte Mützenich, offensichtlich spiegelten sich darin die Bedenken arabischer Staaten, zu denen Paris eine größere Nähe habe als andere Verhandlungspartner. Länder wie Saudi-Arabien hatten in der Vergangenheit angedeutet, dass sie eigene Ambitionen haben könnten, wenn Iran das Recht ermöglicht werde, Uran anzureichern. Mützenich sagte, Saudi-Arabien müsse noch überzeugt werden, dass ein gutes Abkommen mit Teheran kein "Bärendienst" an der regionalen Sicherheit darstelle, sondern sie im Gegenteil verbessere. Es könne die Grundlage bilden für einen "Nichtverbreitungsvertrag" zwischen allen Ländern der Region.
Wortlaut des Live-Gesprächs:
Geissler: Das ging ja hin und her gestern in den Agenturmeldungen vom Genfer See. Erst hieß es, die sind fast beieinander, dann kam eine Warnung vor Euphorie und am Ende die Botschaft: Die sind noch weit weg von einem Entwurf. Ist Ihnen denn klar, wo genau es hakt?
Mützenich: Nun, es ist ein komplexes Thema, und es ist eine Gemengelage, die auf der einen Seite natürlich schaut, wie stark die Inspektionen sein können, wie eben die Kontrollen über die iranischen Atomanlagen erfolgen können, insbesondere nach einer deutlichen Reduzierung. Und auf der anderen Seite natürlich auch das Zurückschrauben der Sanktionen, die ja von unterschiedlichen Institutionen erlassen worden sind. Ich denke aber auf der anderen Seite, die Stärke der bisherigen Gespräche im Vergleich zu früher, ist deren unbedingte Vertraulichkeit, und ich finde, das ist zumindest eine Gewährleistung vielleicht für doch noch erfolgreiche Gespräche.
Geissler: Um das noch einmal klar zu machen: Der Iran soll das Recht haben, Uran anzureichern, aber nur so weit, dass er nicht in kurzer Zeit jedenfalls Atomwaffen herstellen könnte. Das Rahmenabkommen steht jetzt zur Debatte, die technischen Details erst danach bis zum Sommer. Kann aber dann der Streit in Lausanne wirklich um solche Fragen wie die Zahl der Turbinen gehen? Das sind doch technische Fragen.
Mützenich: Es sind technische Fragen. Und ich glaube, natürlich sind insbesondere die technischen Fragen in den vergangenen Monaten und Jahren intensiv diskutiert worden. Hier ist man vorangekommen. Und auch die Überprüfung durch die internationale Atomenergiebehörde findet doch eben auch statt. Und ich glaube, dass gerade auch die Botschaft von Präsident Obama diese Nacht noch mal einen politischen Schub in die Gespräche hineingebracht hat. Es wird ein Abkommen zwischen den Regierungen sein. Und ich glaube auch, es ist der richtige Schritt, weil von Anfang an Präsident Obama auf eine diplomatische Lösung in diesem Streit gedrungen hat.
Geissler: Wenn sich das so hinzieht im Moment, kann es dann vielleicht auch daran liegen, dass die 5+1 nicht geschlossen genug auftreten, die Iraner hin und wieder Beistand bekommen in ihrer Sichtweise, etwa von Russland oder China.
Mützenich: Es hat sich ja herausgestellt, und darauf haben wir ja auch in Europa immer wieder hingewiesen, dass der Schlüssel eigentlich bilaterale Gespräche zwischen dem Iran auf der einen Seite und auf der anderen Seite den USA sind. Das ist in den letzten Monaten immer wieder verlässlicher erfolgt. Natürlich spielen auch europäische Verhandlungspartner mit hinein. Und in der Tat, die französische Regierung ist skeptischer. Das mag damit zu tun haben, dass hier die französische Nähe zu einigen arabischen Ländern stärker ist als bei anderen Verhandlungspartnern.
Geissler: Die Franzosen hatten ja vor anderthalb Jahren schon mal einen provisorischen Vertrag blockiert. Wie wahrscheinlich ist es, dass es jetzt wieder passiert?
Mützenich: Ich glaube am Ende nicht, weil am Ende nun mal allen klar ist, dass wenn die Rahmenbedingungen stimmen, also insbesondere im Hinblick auf die Reduzierung und Überprüfung, dass dann auch Schritte erfolgen müssen, um politisches Vertrauen herzustellen. Und ich glaube, das sind die entscheidenden Momente, die jetzt zählen. Die Verhandlungen in Lausanne sind wichtig, aber auf der anderen Seite kommt es natürlich sehr stark darauf an, was in den Hauptstädten Washington und Teheran letztlich die dortigen Entscheidungsträger auch glauben, der Öffentlichkeit zumuten zu können. Und auf der anderen Seite, wie verlässlich das Abkommen dann auch sein wird.
Geissler: Schauen wir noch mal näher auf die französische Position: Frankreich als Schutzpatron der Golfmonarchien. Es ist natürlich auch naheliegend, dass Saudi-Arabien dann etwa sagt: Wir wollen eine nukleare Anreicherung auch. Wäre das Abkommen dann nicht eher ein Bärendienst an der Sicherheit der Region?
Mützenich: Es wäre dann ein Bärendienst, wenn wir Saudi-Arabien nicht davon überzeugen könnten, dass überhaupt dieses Abkommen gut ist, weil ich glaube, die Gegenüberstellung von keinem Abkommen und einem weniger guten Abkommen zählt nicht. Natürlich versuchen die Verhandlungspartner, Verlässlichkeit auch in eine mögliche Vereinbarung einzubringen. Und dann wird Überzeugungsarbeit auch notwendig sein. Auf der anderen Seite muss auch Saudi-Arabien klar sein, Iran bleibt der Nachbar und ein regionales Sicherheitssystem, was eben mit dazu gründet, ein Nichtverbreitungsvertrag in der Region für alle Länder zu schließen, das wäre ein großer Fortschritt auch im Hinblick auf Sicherheit. Und da ist Überzeugungsarbeit auch von den Franzosen, aber auch von Europa insgesamt notwendig.
Geissler: Die Republikaner im US-Kongress haben ja mit ihrem spektakulären Brief an die Mullahs eine Druckkulisse aufgemacht. Kann Obama bei diesen Verhandlungen denn überhaupt etwas richtig machen aus Sicht der Republikaner, also ein Abkommen erzielen, dass die dann auch für akzeptabel hielten?
Mützenich: Der Brief ist eine Belastungsprobe innenpolitisch. Das hat der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier bei seinem Besuch auch unmittelbar erlebt. Auf der anderen Seite verhandeln die Regierungen, werden möglicherweise dann am Ende doch ein Abkommen schließen. Und dann müssen eben auch die Republikaner damit umgehen. Wir werden ja offensichtlich nicht damit in den Senat gehen müssen?.
Geissler: Und der nächste Präsident könnte das Abkommen nicht einfach kassieren?
Mützenich: Ich glaube nicht, dass er es einfach kassieren könnte, weil er dann darüber natürlich mit dem Verhandlungspartner, mit dem Iran, neue Gespräche führen müsste. Und ich habe auch zurzeit den Eindruck, dass in der internationalen Gemeinschaft, insbesondere in der Vertretung der Vereinten Nationen alles dafür getan wird, dass ein Abkommen auch möglich wird. Und damit würden sich die Republikaner noch stärker international isolieren, als sie das bisher schon getan haben in dieser Frage.