Mützenich lobt Start-2-Nachfolgeabkommen
Zusammenfassung:
Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, hat den neuen Abrüstungsvertrag zwischen den USA und Russland begrüßt. Es sei ein bedeutendes Abkommen, sagte er am Donnerstag im rbb-Inforadio.
Zugleich warnte Mützenich davor, dass das geplante US-Raketenabwehrsystem in Bulgarien und Rumänien zu einer Belastung im Abrüstungsprozess wird. "Deswegen plädiere ich auf jeden Fall dafür, eine kooperative Raketenabwehr zu entwickeln, das heißt ganz konkret, Russland noch stärker einzubinden. Aber wir brauchen auch Gespräche über Raketenabwehr, sie müssen Bestandteile von Gesprächen über Abrüstung und Rüstungskontrollen werden."
rbb Inforadio: Herr Mützenich, Obama hat vom umfassendsten Rüstungskontrollvertrag seit zwei Jahrzehnten gesprochen. Ist das Abkommen wirklich so bedeutend?
Rolf Mützenich: Es ist auf jeden Fall bedeutend, wenn man die letzen 20 Jahre nimmt, insbesondere die letzten Jahre der Bush-Administration, wo man sich eigentlich in den USA längst von einer verabredeten Abrüstung und Rüstungskontrolle verabschiedet hatte. Ohne Überprüfung, ohne Verifikation und das wird jetzt beendet und das ist gut, weil Abrüstung und Rüstungskontrolle sind auch Instrumente für Dialog und Kooperation. Wir haben das im Kalten Krieg erlebt. Das waren wichtige Foren, wo auch andere Probleme besprochen werden konnten.
rbb Inforadio: Der Vertrag lässt umfangreiche Modernisierungen der Atomwaffenarsenale zu. Es heißt, das US-Verteidigungsministerium habe dafür schon fast 5 Milliarden Dollar eingeplant. Ist das trotzdem der erhoffte Schritt in Richtung atomwaffenfreie Welt?
Mützenich: Das Eine betrifft offensichtlich die Bemühungen des Verteidigungsministeriums, bei insbesondere den taktischen Atomwaffen zu Modernisierungen zu kommen. Wenn ich es richtig sehe, - wir kennen ja noch nicht alle Einzelheiten des Vertrage ? bezieht sich das nicht auf den vertrag, der heute in Prag unterzeichnet wird. Wir haben eben immer noch eine Haltung, teilweise im Militär, aber auch der Politik und sehr stark in den USA, wo natürlich auch die Atomwaffen auch als Kriegsführungswaffen gesehen werden. Davon hat sich Präsident Obama aber, finde ich, so gut wie möglich verabschiedet. Das müssen wir unterstützen.
rbb Inforadio: Könnte man denn über den Umweg der taktischen Waffen, die Abrüstung im strategischen Bereich aushebeln?
Mützenich: Nein, das glaube ich nicht. Im Gegenteil, wir müssen alles dafür tun und Obama hat ja dem Kongress nun auch eine neue Nuklearstrategie vorgelegt, in der ja auch versucht wird, mit Russland erneut wieder über die taktischen Nuklearwaffen ins Gespräch zu kommen. Wir in Deutschland, und wir von der SPD insbesondere, hätten uns gewünscht, dass man die taktischen Atomwaffen jetzt auch aus Deutschland abzieht. Dazu sind die USA offensichtlich nicht bereit. Sie wollen das nur in Zusammenhang mit Gesprächen innerhalb der NATO und den Bündnispartnern tun. Ich glaube, die Bundesregierung wäre jetzt klug beraten, sich an diesen intensiven Diskussionen zu beteiligen. Auf der anderen Seite müssen wir sehen, dass Russland allein über zweitausend taktische Atomwaffen verfügt und auch die machen mir große Sorgen.
rbb Inforadio: Nun haben die Russen dem START-Vertrag eine Zusatzklausel hinzu gefügt. Da steht drin, man kann aus dem Vertrag aussteigen, wenn die Amerikaner ihr geplantes Raketenabwehrsystem in Europa installieren sollten. Wie groß ist die Gefahr, dass das passiert?
Mützenich: Nun, dass haben wir immer, dass es Ausstiegsklauseln aus Verträgen gibt. Aber es ist richtig, die Raketenabwehr wird mehr und mehr zu einer Belastung für Abrüstung und Rüstungskontrolle. Deswegen plädiere ich auch auf jeden Fall dafür, eine kooperative Raketenabwehr zu entwickeln. Das heißt ganz konkret eben, Russland noch stärker einzubinden, aber wir brauchen auch Gespräche über Raketenabwehr. Sie müssen Bestandteil der Gespräche über Abrüstung und Rüstungskontrolle werden, weil für diejenigen, die diese als defensive Waffensysteme sehen, gibt es andere Seiten, die das als offensive Begleitung verstehen. Und deswegen ist es gut, darüber zu sprechen.
rbb Inforadio: Teil des neuen START-Vertrages sind ja auch Vereinbarungen zur gegenseitigen Überprüfung und Kontrolle. Und da werden beispielsweise gegenseitig Dauerkontrollen abgeschafft. Man will mehr auf Vertrauen setzen. Ist das wirklich gut, wenn man Kontrolle einschränkt?
Mützenich: Es zeigt ja auf jeden Fall offensichtlich auch das Verständnis und von Fortschritten in diesem Bereich. Man setzt ja die Verifikation, die Kontrolle nicht grundsätzlich aus. Wenn ich das damals richtig verstanden habe, hat sich Russland eben auch den Kotrollen in den USA heraus gezogen, weil es das nicht mehr finanziell tragen konnte. Das wären wichtige Bestandteile, wo sich Europa, wo sich aber auch die NATO Gedanken machen muss, Russland bei der Überprüfung zu unterstützen. Ich würde das nicht als Nachteil sehen, sondern durchaus eben auch als ein neues Verständnis von Kooperation zwischen den USA und Russland.
rbb Inforadio: Nun verfügen die USA und Russland zusammen über mehr als 90% aller Atomwaffen weltweit. Wird das Signal des neuen START-Vertrages stark genug sein, andere Kernwaffenstaaten mitzuziehen, beziehungsweise weitere Länder davon abzuhalten, nach Kernwaffen zu streben?
Mützenich: Das hoffe ich schon. Und es ist ja ein deutliches Signal in Richtung Mai, zur Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages in New York. In diesem Vertrag steht ja drin, dass eben die Atomwaffenmächte auch abrüsten müssen. das hat Obama, sowohl mit seinen Reden im Wahlkampf als auch in Prag im letzten Jahr deutlich getan und ich glaube schon, dass es Staaten überzeugt, wenn insbesondere Russland und die USA sich vertraglich verpflichten, auf Waffen zu verzichten, sie konkret abzurüsten und auch für neue Abrüstungsverträge bereit zu stehen. Das müssen wir jetzt unterstützen. Wir dürfen aber auf der anderen Seite auch nicht vergessen, - ich finde, da ist auch die Aufgabe der Bundesregierung - dass es weitere unbehandelte Rüstungskontrollbereiche gibt, Insbesondere die konventionelle Abrüstung und Rüstungskontrolle in Europa. Die müssen wir voran bringen. Ich würde das Momentum, einer neuen rüstungskontrollpolitischen Dialogreihe nutzen, um auch hier zu Fortschritten zu kommen.