Mützenich: "Keine Argumente gegen neue Russland-Sanktionen"

Interview mit Uwe Lueb
Veröffentlicht: 
SWR, 21.07.2014
Thema: 
Zu den aktuellen Entwicklungen in der Ukraine-Krise

SPD-Fraktionsvize Rolf Mützenich schließt weitere Sanktionen gegen Russland nicht aus. Im Südwestrundfunk (SWR) sagte Mützenich, die EU-Außenminister müssten sich bei ihrem Treffen morgen damit befassen: "Mir fallen in den letzten Stunden zu wenige Argumente ein gegen diejenigen, die sagen, Putin hört nur auf diese Sprache". Die USA drohen mit weiteren Sanktionen gegen Russland und haben Europa aufgefordert mitzuziehen.

Einen UNO-Blauhelmeinsatz in der Ostukraine hält Mützenich dagegen für verfrüht. Der CDU-Politiker Andreas Schockenhoff hatte ihn angeregt. Dazu sagte Mützenich, die Debatte darüber stehe vor demselben Problem wie ein Einsatz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa: "Hier gibt es keinen Bewegungsspielraum, hier werden keine Sicherheitsgarantien ausgesprochen. - Ich glaube an dieser Stelle sind wir überhaupt noch nicht so weit, dass wir über konkrete Beiträge reden müssen", so Mützenich im SWR.

Uwe Lueb: Wer auch immer das Flugzeug abgeschossen hat, wenn es so ist, es war ja vermutlich ein Irrtum. Muss man vor diesem Hintergrund nicht alles tun, international zu deeskalieren und das, was in den USA mit Außenminister Kerry passiert, ist ja eher das Gegenteil, oder?

Rolf Mützenich: Die Bundesregierung tut es ja seit Wochen und seit dem Wendepunkt der Annexion der Krim ist die Bundesregierung bemüht zu deeskalieren, innerhalb der Europäischen Union einen Konsens zu erreichen, und letztlich eben auch der Diplomatie immer wieder den Vorrang einzuräumen. Es gab Gespräche, es gab Telefonate der Bundeskanzlerin mit dem russischen Präsidenten, der Bundesaußenminister war an verschiedenen Orten unterwegs gewesen.

Lueb: Da kommen wir gleich im Einzelnen noch zu, lassen Sie uns mal bei den USA bleiben. Außenminister Kerry erhöht verbal den Druck auf Russland, spricht sogar vom Augenblick der Wahrheit für Präsident Putin. Ist Ihnen das zu viel Drohgebärde, oder sind Sie damit einverstanden?

Mützenich: Nun, ich glaube, die USA tun Recht daran, genau die Verantwortung Russlands einzufordern. Auch wir hier in Europa und in Deutschland glauben, dass der russische Präsident, und insbesondere seine Vertrauten, Einfluss auf die Separatisten haben und insbesondere der ungehinderte Waffenfluss in den Osten der Ukraine hat in den vergangenen Tagen die Situation weiter destabilisiert. Deshalb sind die Worte richtig. Ob in der Vergangenheit es immer hilfreich gewesen ist, gerade bei den diplomatischen Bemühungen, die ich ja versucht habe, anzusprechen, dass die USA vielleicht hier zu wenig direkten Kontakt getan haben, das ist die andere Seite der Medaille.

Lueb: Kerry droht Russland weitere Sanktionen an, er verlangt von Europa, mitzuziehen. Fordern Sie auch mehr Druck aus Europa?

Mützenich: Wir kommen gar nicht umhin, morgen zu versuchen, beim EU-Außenminister-Treffen und auch des Rates, letztlich zu versuchen, weitere Möglichkeiten zu erörtern und dazu gehören in der Tat auch neue Schritte, die auch die Frage der Sanktionen betreffen. Mir fallen in den letzten Stunden zu wenige Argumente ein, gegen diejenigen, die sagen: "Putin hört nur auf diese Sprache".

Lueb: Bundesaußenminister Steinmeier äußert sich bisher sehr zurückhaltend. Man kann auch sagen, er ist diplomatisch und versucht zu vermitteln. Er appelliert an Putin, seinen Einfluss auf die Separatisten geltend zu machen. Steinmeier warnt aber auch vor voreiligen Schlüssen. Das klingt so, als sitze Deutschland wieder einmal zwischen allen Stühlen, oder?

Mützenich: Nun, ich glaube, wir tun gut daran, eben darauf zu achten, dass wir nicht alleine handeln, sondern insbesondere im Rahmen der Europäischen Union. Ich habe überhaupt nicht den Eindruck, dass die Bundesregierung zwischen allen Stühlen sitzt, sondern es wird ja gewünscht, dass wir aktiv hier eine Rolle auch in dieser Situation übernehmen. Ich habe ja auch darauf hingewiesen, dass gerade die Bundeskanzlerin immer ein bevorzugter Ansprechpartner und offensichtlich auch ein glaubhafter Ansprechpartner?

Lueb: Genützt hat das ja bisher alles nichts, oder?

Mützenich: Das habe ich ja versucht, darauf hinzuweisen, und deswegen glaube ich, wird es in den nächsten Stunden genau darauf ankommen, ob die Kräfte, die OSZE-Beobachter, aber auch Experten vor Ort den Rahmen bekommen, um die Absturzstelle ungehindert zu betreten und ihre Arbeit auch letztlich aufzunehmen. Und hier trägt auch die russische Regierung eine wesentliche Verantwortung.

Lueb: Ihr CDU-Kollege Schockenhoff hat einen UNO-Blauhelm-Einsatz in der Ost-Ukraine ins Spiel gebracht, und zwar auch mit deutscher Beteiligung. Stimmen Sie zu?

Mützenich: So weit sind wir überhaupt nicht, weil eine solche Debatte steht vor den gleichen Problemen, die wir seit den letzten Wochen zu bewältigen haben gegen eine OSZE-Mission. Hier gibt es keinen Bewegungsspielraum, hier werden keine Sicherheitsgarantien ausgesprochen. Deswegen ist diese Debatte durchaus auf dem internationalen Rahmen sinnvoll, weil auch die Vereinten Nationen Verantwortung haben, aber ich glaube, an dieser Stelle sind wir überhaupt noch nicht so weit, dass wir über konkrete Beiträge reden müssen.

Lueb: Ihr Parteifreund, der Russland-Beauftragte der Bundesregierung Gernot Erler hat gesagt, ein typischer Blauhelm-Einsatz sollte ?von den beteiligten Konfliktparteien akzeptiert und auf die Implementierung und Absicherung eines Friedensplans ausgerichtet? sein. Das heißt übersetzt im Klartext so viel wie: Blauhelme sollten erst dann kommen, wenn man sie gar nicht mehr braucht, oder?

Mützenich: Nein, das ist ja nicht der Punkt, sondern Sie sehen ja aus den letzten Bearbeitungen, die auch die Blauhelme versucht haben, sie versuchen, streitende Parteien auseinanderzuhalten. Die Vereinten Nationen müssen eine neutrale Rolle dann in einem solchen Konflikt übernehmen. Und der Russlandbeauftragte, mein Parteikollege Gernot Erler, hat vollkommen Recht, es muss natürlich auch auf das Einverständnis der Konfliktbeteiligten treffen. Alles andere macht bei einer Blauhelm-Mission keinen Sinn.