Mützenich: John McCain steht vor großen Schwierigkeiten
Nach Einschätzung des SPD-Politikers Rolf Mützenich steht dem republikanischen US-Präsidentschaftskandidaten John McCain ein schwieriger Wahlkampf bevor. Die Demokraten hätten in den letzten Wochen alles versucht, McCain und George W. Bush als "Zwillinge" darzustellen und zu betonen, dass sich der Präsidentschaftskandidat im Irak-Krieg noch stärker engagieren wolle.
Christopher Ricke: In der vergangenen Woche die große Show der US-Demokraten, die Krönungsmesse vulgo, der Nominierungsparteitag von Barack Obama. In dieser Woche sind in den USA die Republikaner dran. Da ist etwas umorganisiert worden, Grund war der Wirbelsturm Gustav. Man wollte nicht feiern, wenn Menschen ums Leben kommen, das käme gar nicht gut. Jetzt ist Gustav da gewesen. Er war nicht so stark wie befürchtet. Es gibt zwar erhebliche Sachschäden, es gab auch Evakuierungen, aber es gibt offenbar keine Toten.
Der Wahlkampf kann also richtig starten bei den Republikanern, der Wahlparteitag kann stattfinden. Rolf Mützenich von der SPD ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. Er war bei den Demokraten mit dabei, beim Parteitag in Denver, und den der Republikaner, den beobachtet er jetzt von zu Hause in Köln aus. Guten Morgen, Herr Mützenich!
Rolf Mützenich: Guten Morgen, Herr Ricke!
Ricke: Es ist durch die Nachrichten gegangen, dass George W. Bush nicht kommt zu den Republikanern und dass der Sturm schuld sei. Es wird auch gemunkelt, dass John McCain ganz froh sein wird, dass der Präsident nicht kommt. Ist das eine Einschätzung, die Sie teilen?
Mützenich: Na, das teile ich schon, weil die Enttäuschung über die Präsidentschaft Bush und die Regierungsleistungen in den USA sehr stark sind. Und McCain hat ja alles unternommen, sich von Bush zu distanzieren. Und ich glaube, da tut er auch gut daran.
Ricke: Das ist ja auch der politische Weg, den Barack Obama gegangen ist, dass er sagt "Change", dass er sagt, "Wechsel". Dass das der Oppositionspolitiker sagt, das ist leicht zu verstehen. Aber wie kann das dann McCain schaffen, diese gewünschte Abgrenzung, ohne gleich illoyal zu wirken?
Mützenich: Nun, es wird natürlich ein schwieriger Balanceakt werden. Und die Demokraten haben in der letzten Woche alles versucht, im Grunde genommen McCain und Bush als Zwillinge darzustellen. Der Kandidat für die Vize-Präsidentschaft Biden hat darauf hingewiesen, wie oft McCain mit der Bush-Regierung im Senat gestimmt hat. Man hat darauf aufmerksam gemacht, dass er eben im Irak sich noch stärker engagieren will - in einem falschen Krieg, wie die Amerikaner heute sagen. Und das sind durchaus Dinge, die ihm in den nächsten Wochen wahrscheinlich große Schwierigkeiten machen werden. Und ich glaube auch nicht, dass er das mit seiner Kandidatin für die Vize-Präsidentschaft so leicht wird ausräumen können.
Ricke: Diese Kandidatin für die Vize-Präsidentschaft hat zurzeit ebenfalls große Aufregung in der Partei, weil ihre 17-jährige unverheiratete Tochter schwanger ist. Das ist etwas, was uns wahrscheinlich nicht berühren würde. Wir würden sagen, das gehört ins Privatleben. In den USA ist das anders. Dort weist man auch auf die sehr konservative Struktur der Vize-Präsidenten-Kandidatin hin. Ist eigentlich eine solche Debatte in Deutschland in irgendeiner Art und Weise vorstellbar?
Mützenich: Nein, ich hielte sie auch in dem Sinne für unangemessen. Auf der anderen Seite holt einen natürlich schnell eine bestimmte Meinungsbildung ein, für die man selbst einstehen muss. Das tut ja nun diese republikanische Gouverneurin. Und sie ist ja sehr stark im Bereich der religiösen Rechten verankert. Scheinbar hat sie deswegen McCain auch ausgewählt. Und im Grunde genommen ist dies ja ein Phänomen, was wir in den USA leider immer noch sehen. Rund 700.000 Mädchen zwischen 14 und 17 Jahren werden schwanger. Und das ist ein großes Problem, was sowohl die konservative Ideologie noch mal beleuchtet - nämlich die Frage, ob überhaupt Sexualaufklärung in der Schule stattfinden soll - und viele andere Dinge auch. Offensichtlich hat dies auch im Familienleben dort eine Rolle gespielt.
Ricke: Herr Mützenich, werfen wir noch einen Blick zurück auf den Parteitag der Demokraten, an dem Sie ja teilgenommen haben als Beobachter, wie übrigens relativ viele deutsche Politiker. Ich war zumindest überrascht, wer sich von dort alles gemeldet hat. Warum war das denn so wichtig, dort hinzufahren, was musste man dort erfahren?
Mützenich: Nun, mich hat das auch überrascht, weil ich vor vier Jahren Gelegenheit hatte, auch in Boston teilzunehmen. Die SPD hat eine große intensive Nähe zur demokratischen Partei. Für uns war das üblich gewesen, dass wir auch zu diesem Parteitag von den Demokraten eingeladen werden. Ich glaube, man hat sich dort informiert über eine möglicherweise neue amerikanische Administration. Dort sind dann alle bei einem solchen Parteitag. Und es ist gut, dann mit Kongressmitgliedern zu sprechen.
Es ist gut, mit Mitarbeitern von Abgeordneten zu sprechen, aber auch mit Thinktanks - also die, die im Grunde genommen versuchen, auch eine neue Regierung mit zu beraten. Ich glaube, wir tun gut daran zu überlegen, was kann Europa, was können die USA mit einer neuen Administration in den nächsten Monaten gestalten. Wir sind auf die USA angewiesen, aber auch in den USA wächst im Grunde genommen der Eindruck: Ohne Europa wird man den Herausforderungen nicht gerecht.
Ricke: Konnte man sich denn auch ein bisschen was für bevorstehende Wahlkämpfe in Deutschland abgucken?
Mützenich: Das war nicht sozusagen mein Ziel. Der Generalsekretär der SPD war auch mit dabei gewesen, der natürlich sehr stark den Fokus darauf gelenkt hat. Meine Aufgabe als Mitglied des Auswärtigen Ausschusses ist es, zu überlegen, welche transatlantischen Projekte man in den nächsten Monaten gemeinsam vorbringen kann, auf der anderen Seite den Amerikanern aber auch deutlich zu machen, wo bei uns Forderungen sind, wo aber auch Grenzen sind.
Wir müssen sehr stark gerade mit der demokratischen Partei über das Engagement in Afghanistan nachdenken. Wir müssen dort versuchen, gerade deutlich zu machen, dass die Strategie, die die Bush-Regierung auch in Afghanistan fährt, nicht bei uns auf Zustimmung stößt. Wir müssen uns stärker abstimmen. Und gerade auch die Frage gegenüber Russland hat eine große Rolle bei diesen Gesprächen gespielt.
Ricke: Nun wird ja in Deutschland erwartet, dass - egal wer in den USA Präsident wird - klare Forderungen auch an die Deutschen kommen, was zum Beispiel den Einsatz in Afghanistan angeht. Oder hatten Sie den Eindruck, dass es mit Barack Obama leichter werden kann?
Mützenich: Nein, überhaupt nicht. Ich glaube auch nicht, dass man das sozusagen auf eine Person wird beziehen können. Man steht ja zwar dem Präsidenten gegenüber, aber das ist ja nun dann doch eine sehr große Gemenglage. Der Kongress, insbesondere der Senat, hat natürlich große Möglichkeiten, in die Außenpolitik mit hineinzuregieren. Deswegen tut man gut daran, auch mit anderen Personen zu sprechen außer in diesem Bereich der möglicherweise neuen Administration. Und die Herausforderungen werden groß.
Bei den Demokraten besteht der Eindruck: Der Irak ist der falsche Krieg, Afghanistan ist der richtige Krieg. Und wir müssen dabei deutlich machen: Es geht nicht um militärische Anstrengung, gerade in Afghanistan. Ich glaube, da herrscht leider eben kein Mangel. Sondern es geht darum, ein abgestimmtes politisches Konzept zu finden, wo sehr stark eben auch zivile Möglichkeiten stärker eine Rolle spielen sollten und insbesondere die Einbindung von regionalen Akteuren gegenüber Afghanistan auch überlegt werden muss. Das war auch Gegenstand meiner Gespräche und auch meines Werbens, zum Beispiel zu überlegen, wie werden wir mit Pakistan, wie werden wir aber auch mit dem Iran in diesen Zusammenhängen reden müssen.
Ricke: Der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich. Vielen Dank!
Mützenich: Gerne, Herr Ricke! Danke!