Mützenich: IAEA-Bericht über Iran beunruhigend

Interview mit Gabi Wuttke
Veröffentlicht: 
Deutschlandradio Kultur, 20.20.2010
Thema: 
SPD-Politiker appelliert an China und Russland, Sanktionen zu unterstützen

Gabi Wuttke: Der Iran bastelt weiter an einem Atomsprengkopf. Diese Einschätzung des neuen Chefs der Internationalen Atomenergiebehörde Yukiya Amano setzt zwischen Washington und Moskau die Alarmsirenen in Gang. Zumal der Bericht auch bestätigt, dass der Iran die Urananreicherung tatsächlich weiter und munter voran treibt. Am Telefon ist Rolf Mützenich, der Vorsitzende der Deutsch-Iranischen Parlamentariergruppe des Bundestags und außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Guten Morgen!

Rolf Mützenich: Guten Morgen, Frau Wuttke.

Wuttke: Wie bewerten Sie die Kernaussage des Berichts der IAEA?

Mützenich: Das ist eine wichtige Information und aus meiner Sicht auch eine sehr beunruhigende, weil sie ja darauf hindeutet, was man immer schon vermutet hat, dass der Iran nicht nur an einzelnen Komponenten wie der Urananreicherung, Trägersystemen - sondern eben auch an einem Sprengkopf arbeitet. Und wenn man das alles zusammen nimmt, bestätigt das die Unruhe, die es sowohl in der Region gibt, als auch was die Internationale Gemeinschaft versucht hat, diesen Konflikt, diesen Prozess zu deeskalieren. Das wird immer schwerer.

Wuttke: Amanos Vorvorgänger Hans Blix ist zurückhaltend, was den Bericht aus Wien jetzt angeht. Ob und was und wer wisse schon ? da hält er sich sehr zurück und stützt eigentlich eher seinen Vorgänger El Baradei.

Mützenich: Das mag so sein. Das kann ich auch nicht in allen Einzelheiten von hier aus durchschauen. Aber auf der anderen Seite müssen wir dann doch schon sagen, es gibt unterschiedliche Informationen, die auf der anderen Seite aber doch sehr stark darauf hindeuten, dass der Iran eben weiterhin den Versuch unternimmt, einen militärischen Weg zu gehen. Was mich auf der anderen Seite aber mehr beunruhigt ist, dass er alle die ausgestreckten Hände, auch von Präsident Obama, überhaupt nicht ergriffen hat. Das wäre das Notwendige gewesen. Und die iranischen Machthaber müssen sich auch fragen, was sie ihrem Land damit antun.

Wuttke: Könnte man also schlussfolgern, dass das, was jetzt im IAEA-Bericht bekannt wurde, dass nämlich nicht ausgesetzt wurde, was man seit 2003 für ausgesetzt hielt, dass das auch die Position von Barack Obama stützt und von daher gut ins augenblickliche Ziel passt, obwohl es natürlich Menschen gibt, die sagen, eigentlich ist da ja gar nicht Neues dran, irgendwie haben wir es schon gewusst?

Mützenich: Barack Obama ist ja nun der amerikanische Präsident, der das erste Mal versucht hat, sowohl gegenüber der gesamten islamischen Welt, aber insbesondere auch gegenüber dem Iran , Angebote zu unterbreiten. Eigentlich das Element, was uns in der Vergangenheit immer gefehlt hat. Wir hatten schon vermutet, dass es dadurch möglicher wird zu einem Kompromiss zu kommen. Die innenpolitische Entwicklungen im Iran hat das natürlich noch zusätzlich erschwert. Auf der anderen Seite muss man natürlich sagen, dass die Länder, wie zum Beispiel Russland und China, die immer gesagt haben, wir sehen eigentlich die unmittelbare Bedrohung in diesem Zusammenhang nicht, eigentlich fehlgeleitet sind und ich hoffe, dass diese Länder sich jetzt auch darauf zubewegen, dass die internationale Gemeinschaft mit friedlichen, mit zivilen Maßnahmen noch stärker auf die Herausforderungen reagiert.

Wuttke: Was meinen Sie denn, welche Rolle die amerikanischen Geheimdienste jetzt bei diesem neuen Bericht spielen? Sie tragen ja auch der IAEA in Wien zu.

Mützenich: Das ist richtig. Das tun aber auch andere Geheimdienste. Die Geheimdienste haben in den USA im Zusammenhang mit dem Iran nach meinem Dafürhalten eine sehr interessante Rolle gespielt. Sie haben damals der Bush-Regierung, nach meinem Empfinden, was ich natürlich nur von außen her sagen kann, eine wichtige Begründung aus der Hand geschlagen, damals möglicherweise auch militärisch gegen den Iran vorzugehen. Das fand ich in der damaligen Situation vollkommen richtig. Der Bericht war vom amerikanischen Kongress bestellt worden. Und zum jetzigen Zeitpunkt glaube ich, versuchen auch die US-amerikanischen Geheimdienste noch mehr Informationen zusammen zu tragen. Das ist ihre Aufgabe. Das aber jetzt eine unabhängige Kommission, eine unabhängige Organisation, wie Internationale Atomenergiebehörde zu doch sehr dramatischen Schlussfolgerungen kommt muss die internationale Gemeinschaft beunruhigen.

Wuttke: Man sollte also nicht schlussfolgern, dass Amanos Vorgänger die Situation seit 2003 schön geredet hat, um sein großes Ziel zu erreichen, nämlich den Iran und die USA wieder miteinander ins Gespräch zu bringen?

Mützenich: Nein, das glaube ich nicht. Er hat ja im Verlaufe dieses Prozesses auch sehr kritische Äußerungen gegenüber Iran gemacht und hat mehr und mehr darauf hingewiesen, dass eben beim Atomprogramm offensichtlich Elemente existieren, die zu Nachfragen der Internationalen Atomenergiebehörde Anlass geben. Das hat er alles getan und er ist immer kritischer geworden. Er war natürlich hoffnungsfroh, dass das Angebot, Uran im Ausland höher anzureichern ? also den Konflikt, den wir jetzt nebenher auch noch haben ?vielleicht doch ein Weg für einen Kompromiss ist. Das ist gescheitert und jetzt muss die Internationale Atomenergiebehörde eben aus den Informationen, die ihr aktuell vorliegen auch dem Sicherheitsrat einen Bericht unterbreiten und das finde ich schon sehr bedeutsam.

Wuttke: Auch die Reaktion in Moskau zeigt, der Kreml ist durch den ersten Bericht des neuen IAEA-Chef Amano elektrisiert. China hingegen schweigt. Aber Aussitzen wird das das Land doch dieses mal nicht können?

Mützenich: Das hoffe ich zumindest. Und Volksrepublik China muss sich fragen, ob sie etwas akzeptieren kann, was gegen Regeln und Normen in der internationalen Politik verstößt, insbesondere, wenn es sich Gedanken darüber macht, dass es in den nächste Jahrzehnten eine noch stärkere Rolle in der Weltpolitik spielt. Also, wenn auch die Volksrepublik China bereit ist, mit Verträgen zum Beispiel auch in der internationalen Politik zu agieren, dann muss es auch jetzt reagieren. Wir brauchen, glaube ich, einen internationalen Konsens für Sanktionen und da ist China auf jeden Fall gefragt.

Wuttke: Im Interview der "Ortszeit" im Deutschlandradio Kultur, der Vorsitzende der Deutsch-Iranischen Parlamentariergruppe des Bundestags und außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, Herr Mützenich. Danke, dass Sie sich Zeit genommen haben und ein schönes Wochenende!