Mützenich: Gemeinsame Verteidigungspolitik dient Glaubwürdigkeit Europas

Interview mit Dietmar Ringel
Veröffentlicht: 
rbb inforadio, 09.03.2015
Thema: 
Intensivere verteidigungspolitische Zusammenarbeit in der EU im Hinblick auf gemeinsame Einsätze, Rüstungsprojekte und Rüstungsexportrichtlinien

Dietmar Ringel: Wird Juncker Russland (mit der Idee einer gemeinsamen europäischen Armee) beeindrucken?

Rolf Mützenich: Nein, das glaube ich nicht. Es wird wahrscheinlich auch gar nicht das Motiv sein, sondern das Motiv verbirgt sich dahinter, mit einer starken Stimme ... hier auch Fahrt aufzunehmen für eine Idee, ... die schon relativ alt ist und die sich auch in den Verträgen ... niedergeschlagen hat.

Ringel: Nun hat Ihr Parteifreund Rainer Arnold ... gesagt, wir werden uns ... vernünftig ausgestattete Nationalarmeen nicht mehr lange leisten können. Ist das der eigentliche Hintergrund der Geschichte?

Mützenich: Mit Sicherheit spielen Kostenfaktoren eine Rolle... Aber ich finde, wir müssen einen anderen Aspekt viel stärker betonen: Wenn wir eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik wollen, dann gehört da natürlich auch die Verteidigungspolitik mit dazu. Kosteneffizienz auf der einen Seite, aber auf der anderen Seite glaubwürdiger als Europa in einer Welt zu werden, wo wahrscheinlich eben nur noch in Zukunft die europäische Stimme zählt und nicht mehr alleine nationale Fragen.

Ringel: Aber es wäre ja dann auch wahrscheinlich so, dass ein EU-Verteidigungskommissar allen europäischen Soldaten, auch den deutschen, die Befehle geben würde, z.B. zu welchen Auslandseinsätzen sie abkommandiert werden.

Mützenich: Da haben wir Sozialdemokraten andere Vorstellungen. Wir glauben, dass wir mit den Erfahrungen im Deutschen Bundestag eben auch für europäische Verhältnisse etwas einbringen können - dass nämlich das Parlament etwas zu sagen hat, das haben andere Parlamente wie in Großbritannien, in Spanien ja auch in den letzten Jahren ihren Regierungschefs sehr deutlich gemacht. Und auf der anderen Seite müssen wir sehen, wir haben ja noch nicht mal einen Verteidigungsausschuss im Europaparlament, sondern nur einen Unterausschuss, und ich finde, hier gibt es weitere Fragen, die auch mit dem Kommissionspräsidenten zu bereden sind. Und da finde ich, das wird Martin Schulz als Parlamentspräsident gut tun können.

Ringel: ... Brauchen wir (trotz NATO) wirklich noch diese europäische Schiene?

Mützenich: Das ist ja eben auch der Vorteil an dieser Frage, dass 22 Nationen von 28 auch Mitglieder der Europäischen Union sind und deswegen auch in der Abstimmung Erfahrung haben. Auf der anderen Seite müssen wir erkennen, ... dass sich die USA unabhängig von der Krise um die Ukraine oder auch das Verhältnis zu Russland stärker in Richtung Asien orientieren wird... Da ist die Überlegung richtig, dass sich Europa viel stärker positioniert. Und warum denn nicht eben dann auf die Institutionen zurückgreifen, die in den vergangenen Jahren sich entwickelt haben und durchaus erfolgreich sind im Rahmen der Europäischen Union?

Ringel: ... Was, glauben Sie, sind nächste Schritte, und in welchen Zeiträumen müssen wir da denken?

Mützenich: ... Wir vergessen oft, dass es auch bereits jetzt gemeinsame Einsätze im zivilen, aber auch im militärischen Bereich gibt von Seiten der Europäischen Union in Mali oder auf der anderen Seite lange Erfahrung im Balkan. Und ich glaube, das ist ja genau auch der Vorteil, dass zivile und militärische Optionen hier sich verschränken können. Und das kann, glaube ich, die Europäische Union einbringen... Zukünftig wird es z.B. darum gehen, ob wir die Brigaden, die es bisher bilateral oder auch mit mehreren Ländern zusammen gibt, stärker auch noch verschränken können. Wir können über eine Militärakademie nachdenken, Rüstungsprojekte spielen eine Rolle, aber dann auf der anderen Seite auch gemeinsame Richtlinien zum Rüstungsexport und insbesondere Verhandlungen über weiterhin ausstehende Fragen von Abrüstung und Rüstungskontrolle.