Mützenich: Wir dürfen es nicht hinnehmen

Interview mit Andrea Oster
Veröffentlicht: 
WDR 5, 01.07.2013
Thema: 
Zu den Bespitzelungen durch die NSA

MdB/SPD Mützenich würde einem WDR 5-Morgenecho-Interview zufolge, "auf jeden Fall die Bundesregierung bitten, jetzt unmittelbar auf der Ebene Kanzlerin und auch dem US-amerikanischen Präsidenten hier Gespräche zu führen". Möglicherweise warte die Bundeskanzlerin, "wie es oft der Fall ist, erst mal ein paar Tage ab, wie sich die Stimmung auch in Deutschland entwickelt"

Andrea Oster: Warum haben die USA im Vergleich zu anderen europäischen Staaten uns stärker ins Visier genommen?

Rolf Mützenich: Scheinbar sind die Dinge, die hier in Deutschland passieren, immer noch von einer gewissen Relevanz... Aber dieses Maß des Ausspionierens ist nicht nur eine Belastung, sondern verunsichert natürlich auch und wird das Verhältnis langfristig auch prägen.

Oster: Traut man uns nicht, zum Beispiel im Kampf gegen den Terror?

Mützenich: Das ist, glaube ich, nicht unmittelbar der entscheidende Punkt, ... sondern ich glaube, die Maßlosigkeit, wie offensichtlich nach dem 11. September Sicherheitsbehörden in den USA scheinbar ja auch ohne demokratische Kontrolle gegen jedermann vorgehen, das muss doch schon besorgt machen, aber es muss nach meinem Dafürhalten auch demokratische Politiker in den USA besorgt machen.

Oster: Was heißt das für das Verhältnis zwischen Deutschland und den USA? Müssen wir das eigentlich hinnehmen?

Mützenich: Nein, wir dürfen es nicht hinnehmen. Es muss auf jeden Fall zur Aufklärung aufgefordert werden. Ich finde auch, dass die Bundeskanzlerin hier ein deutliches Wort in den nächsten Tagen an den amerikanischen Präsidenten richten muss... Das ist kein Verhältnis auch unter Partnern, egal ob die USA oder ein Mitgliedsland der Europäischen Union - hier müssen deutliche Worte gefunden werden.

Oster: Warum sind diese Worte bisher noch nicht gefunden worden?

Mützenich: Das irritiert mich auch. Ich finde schon, die Bundesregierung hat hier eine Pflicht, nicht nur gegenüber den Bundesbürgern, die ja offensichtlich auch in dieser Situation abgeschöpft worden sind, sondern auch für die Regierungsstellen letztlich einzutreten, aber auch für die Europäische Union. Ich kann mir da zur Zeit keinen Reim drauf machen. Möglicherweise wartet die Bundeskanzlerin, wie es oft der Fall ist, erst mal ein paar Tage ab, wie sich die Stimmung auch in Deutschland entwickelt.

Oster: Liegt es auch möglicherweise daran, dass der BND zum Teil ja auch mit dem US-Geheimdienst NSA zusammenarbeitet?

Mützenich: Das muss jetzt deutlich gefragt werden, auch vom parlamentarischen Gremium, auch von den Parlamentariern, die darin vertreten sind. Der Bundesnachrichtendienst ist gut beraten, hier seine Informationen und die Faktenlage auf den Tisch zu legen. In diesen Fällen, die jetzt bekannt geworden sind, kann es ja gar nicht um Terrorbekämpfung letztlich gehen... Hier geht es sozusagen darum, dass offensichtlich maßlos abgeschöpft werden, die nicht abgeschöpft werden dürfen.

Oster: Sollte man das Freihandelsabkommen erst mal ruhen lassen?

Mützenich: Ich glaube, jetzt ist es erst mal notwendig, auf jeden Fall den Kontakt auf höchsten Regierungsebenen letztlich auch zu suchen und Aufklärung zu verlangen. Dann muss man in den nächsten Tagen eben auch prüfen, ob möglicherweise weitergehende Schritte notwendig sind... Ich würde auf jeden Fall die Bundesregierung bitten, jetzt unmittelbar auf der Ebene Kanzlerin und auch dem US-amerikanischen Präsidenten hier Gespräche zu führen. Dann muss erschöpfend Auskunft gegeben werden und (müssen) möglicherweise weitere Konsequenzen gefunden werden - auch im Hinblick auf weitere Verhandlungen über neue Verträge.

Oster: Müsste die FDP hier vielleicht stärker aktiv werden?

Mützenich: Ich weiß nicht, ob das Wort des deutschen Außenministers hier noch groß wahrgenommen wird. In den USA gab es ja Irritationen über die eine oder andere außenpolitische Entscheidung. Ich finde schon, das ist Aufgabe auch der Bundeskanzlerin. Die FDP ist möglicherweise bis auf die Justizministerin sowieso in den letzten Tagen hier ausgefallen.