Mützenich: Bundeskanzlerin muss endlich sprachfähig werden
Interview in gekürzter Form
Ulf Dube: Die Opposition fordert endlich eine Strategie für den Afghanistan-Einsatz, Bundesaußenminister Westerwelle will auf der Afghanistan-Konferenz in London vorschlagen, den Afghanen noch in diesem Jahr mehr Verantwortung zu übertragen. Was halten Sie von diesem Vorschlag?
Rolf Mützenich: Da sind auf jeden Fall richtige Vorstellungen drin... Es ist wichtig, dass die Afghanen selbst Verantwortung übernehmen. Das haben sie in den letzten Monaten auch getan, vielleicht zu wenig..., auch eine schwierige Situation mit der Regierung Karsai. Auf der anderen Seite sind das richtige Vorgänge, sie müssen abgestimmt werden auf der London-Konferenz und insbesondere mit regionalen Partnern um Afghanistan herum auch erörtert werden.
Dube:Aber die Lage in Afghanistan ist auf der anderen Seite sehr schwierig. Der Aufstand der Parlamentarier gestern gegen die Mitglieder der neuen Regierung zeigt das doch. Ein solcher Vorschlag, schon so einen anvisierten Ausstieg in den Raum zu stellen, ist das wirklich das richtige Signal?
Mützenich:Das ist natürlich ein wichtiger Punkt..., die innenpolitische Situation, wo wir eben in den letzten Jahren wahrscheinlich auch zu wenig für getan haben... Es kommt genau darauf an, was auch Präsident Karsai bei seiner Amtseinführung gesagt hat, dass er versucht, mit einer größeren Ratsversammlung, also im Grunde genommen über das Parlament hinaus, zu Verabredungen zu kommen, und ich glaube, das ist auch der richtige Weg.
Dube:Hat der Westen richtig gehandelt, dass er das Wahlergebnis von Karsai im Grunde anerkannt hat?
Mützenich:Nun, welche Alternative hatten wir...? Natürlich ist man heute schlauer... Aber auf der anderen Seite glaube ich schon, dass Präsident Karsai auch gesehen hat, dass es so in der Regierung, in den Institutionen auch nicht weitergeht, und dass er eben auch verschiedene Gruppen in Afghanistan mit in die Verantwortung übernehmen muss, und das muss die internationale Gemeinschaft mit unterstützen.
Dube: Sollte die Bundesregierung auf der Konferenz in London mehr Bundeswehrtruppen anbieten, bevor es um ein konkretes Ausstiegsszenario geht?
Mützenich: Die Bundesregierung sollte erst mal versuchen, zu einer gemeinsamen Sprachregelung zu kommen. Was wir in den letzten Tagen ja erlebt haben, sind ganz unterschiedliche Vorstellungen von Herrn Westerwelle, der nach meinem Dafürhalten federführend Verantwortung trägt, auf der anderen Seite aber der Verteidigungsminister. Und wer sich überhaupt nicht äußert, ist die Bundeskanzlerin. Aus meiner Sicht wäre es wichtig, dass sie in einer Regierungserklärung im Deutschen Bundestag der Öffentlichkeit bekannt gibt, was sie überhaupt in London einbringen will. Ich finde, diese Debatte muss im Parlament geführt werden. Aber die Bundeskanzlerin muss endlich auch sprachfähig werden.