"Man muss wirklich Angst haben"

Interview mit Friedbert Meurer
Veröffentlicht: 
deutschlandradio.de, 14.02.2006
Thema: 
SPD-Abgeordneter Mützenich: Nicht auf Forderungen der Geiselnehmer eingehen

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Rolf Mützenich hat sich besorgt über die Lage der beiden entführten Deutschen im Irak geäußert. "Man muss wirklich Angst um die beiden haben", sagte Mützenich, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages. Ein Abbruch der deutschen Kontakte zum Irak, wie von den Entführern gefordert, kommt für Mützenich indes nicht in Frage.

Friedbert Meurer: Am Telefon begrüße ich Rolf Mützenich, SPD-Bundestagsabgeordneter, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss und Leiter des Gesprächskreises Naher und Mittlerer Osten in der Fraktion. Guten Morgen, Herr Mützenich!

Rolf Mützenich: Guten Morgen, Herr Meurer!

Meurer: Wie wirkt das Video auf Sie?

Mützenich: Ich finde es abscheulich, wie dort Menschen gezeigt werden und man muss wirklich Angst um die beiden haben, und ich hoffe, dass dennoch die Bundesregierung in der Lage ist, eine Lösung herbeizuführen, die die Freilassung der beiden Deutschen dann auch beinhaltet.

Meurer: Interpretieren Sie, Herr Mützenich, das Video als eine letzte Drohung oder als verstecktes Signal, wir sind weiter verhandlungsbereit?

Mützenich: Das kann ich nicht sagen. Und ich glaube, jede Spekulation wäre auch hier fehl am Platz. Hier wird einfach mit Menschen ein Handel betrieben, der letztlich dazu führt, dass Familien, dass Freunde und natürlich auch die Betroffenen Angst um ihr Leben haben, und ich hoffe, wie gesagt, dass die Kontakte, die die Bundesregierung versucht zu knüpfen, dann zum Schluss auch erfolgreich sein werden.

Meurer: Warum ist es bisher noch nicht gelungen, Kontakt zu den Entführern, und sei es über Mittelsmänner, aufzunehmen. Bei Susanne Osthoff hatte das ja geklappt?

Mützenich: Es ist eine Spekulation, ob kein Kontakt da ist. Ich glaube, die Bundesregierung tut alles, möglicherweise auch über Mittelsmänner, die eben hilfreich sein können, diesen Kontakt herzustellen, und ich glaube schon, dass hier in den letzten Tagen auch versucht worden ist, diesen Kontakt noch mal zu intensivieren.

Meurer: Was kann und sollte die Bundesregierung tun, Ihrer Meinung nach?

Mützenich: Ich kann da keine Ratschläge geben, weil ich glaube, dass die Bundesregierung genug Erfahrung hat und nicht noch zusätzliche Hinweise von Parlamentariern braucht. Wir können letztlich nur vom Parlament das mit unterstützen und wir können in Zukunft nur dafür sorgen, dass die Verhältnisse im Irak so werden, dass es keine Entführungen mehr gibt.

Meurer: Kommt für Sie in Frage, dass die Bundesregierung nachgibt und alle Kontakte zum Irak abbricht?

Mützenich: Nein, es geht ja nicht darum, dass man Kontakte abbricht. Ich meine, wir sehen ja nun gerade in dem Fall, dass wir Kontakte letztlich brauchen. Ich glaube, die Bundesregierung ist gut beraten, mit den behutsamen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, auf diese Situation auch letztlich einzuwirken.

Meurer: Aber die Frage scheint ja zu sein, dass die Entführer fordern, keine Unterstützung mehr für den Irak durch die Bundesregierung. Sollte die Regierung dem nachgeben?

Mützenich: Nein, ich glaube nicht. Und es ist ja immer noch fraglich, ob möglicherweise hier ein Spiel betrieben wird mit politischen Mitteln, obwohl auf der anderen Seite vielleicht nur Geldforderungen dem entgegenstehen. Da will ich aber auch nicht spekulieren. Der Punkt ist einfach, wir brauchen Beziehungen zum Mittleren und Nahen Osten, wir brauchen einen befriedeten Irak, und da kann die Bundesregierung eben ihren Beitrag leisten, genauso wie der Deutsche Bundestag.

Meurer: Welchen Beitrag kann die Bundesregierung im Irak leisten? Ist das notfalls Menschenleben wert?

Mützenich: Es geht ja letztlich darum, dass wir versuchen, im Irak mit unseren begrenzten Mitteln dabei zu helfen, dass eine Zivilgesellschaft aufgebaut wird. Das tun wir, indem wir zum Beispiel dafür sorgen, dass Polizisten außerhalb des Iraks trainiert werden, dass wir helfen, eine Verwaltung mit aufzubauen, dass wir mit humanitären Maßnahmen letztlich helfen. Und da geht es nicht darum, dass wir jetzt Menschenleben gegeneinander abwägen. Ich glaube auch, dass die Iraker gut wissen, dass Deutschland im Irak alles dafür tut, dass eben diese Zivilgesellschaft irgendwann mal in Zukunft auch mit funktioniert. Und das tun wir im Interesse der Menschen.

Meurer: Das war Rolf Mützenich, SPD-Bundestagsabgeordneter, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. Herr Mützenich, besten Dank und auf Wiederhören.

Mützenich: Ja, ich habe zu danken, Herr Meurer. Tschüss.