Von Kalten Kriegern und Russlandinterpreten

Interview mit Marcel Joppa
Veröffentlicht: 
Radio Stimme Russlands, 24.03.2014 ? Berlin Live Reportage
Thema: 
Bundestagsabgeordneter fordert Umdenken

STIMME RUSSLANDS -  Die westliche Sicht auf die Krim-Krise kann teils unterschiedlicher nicht sein. Auch wenn sich hierzulande wohl nur selten Sympatie für das Vorgehen Russlands gegenüber der Ukraine finden lässt, so gehen die Meinungen darüber dennoch auseinander. "In Deutschland ist die Krise um die Krim auch ein Konflikt zwischen Kalten Kriegern und Russlandinterpreten." Das sagt der SPD-Bundestagsabgeordnete und Dr. Rolf Mützenich. Marcel Joppa hat für die STIMME RUSSLANDS mit ihm gesprochen.

Marcel Joppa: Herr Dr. Mützenich, Sie bemängeln, dass die deutsche Debatte zur Krim-Krise von eindimensionalem Denken geprägt ist. Wie kommen Sie zu dem Schluss?

Rolf Mützenich: Nun ich hatte den Eindruck gehabt, dass in den letzten Tagen immer sehr nach Klischees entschieden worden ist, welche Haltung letztlich in der gesellschaftspolitischen Debatte genannt wurde. Und es war doch recht eindimensional gewesen, dass auf der einen Seite diejenigen, die gesagt haben, Russland handelt hier auf Grund von Einkreisungsängsten, dies befürwortet haben. Und Andere die gesagt haben, jetzt beginnt der kalte Krieg wieder. Ich glaube, dass sind alles Analysen die nicht weiterhelfen.

Joppa:: Sie sprechen von "Kalten Kriegern" und "Russlandinterpreten". Was kennzeichnet für Sie diese beiden Gruppen genau?

Mützenich: Wir führen ja diese Diskussion zum Beispiel auch heute und wir haben ja auch am Wochenende unterschiedliche Interviews gehört. Das gerade auch mit militärischen Reaktionen letztlich eine Eindämmungspolitik gegenüber Russland verfolgt werden soll. Da gibt es Stimmen innerhalb der NATO, aber letztlich auch in Deutschland. Auf der Anderen Seite gibt es diejenigen, die gesagt haben, wenn immerhin ein Großteil der Krim-Bewohner für einen Anschluss an Russland gestimmt hat, so ist das legitim. Und ich glaube, das hilft nicht weiter. Wir haben eine veritable Krise in den internationalen Beziehungen, aber auch zwischen der Europäischen Union und Russland, um die Frage welche Stellung die Ukraine hat. Und deswegen ist Rationalität gefragt. Wir müssen aufeinander zugehen, wir müssen aufeinander hören. Aber auf der anderen Seite, die Regeln die wir nach dem zweiten Weltkrieg gefunden haben, insbesondere das Völkerrecht, das gilt.

Joppa: Sie sprechen sich also gegen ein schwarz-weiß denken aus? Oder heißt das, Sie stehen eher in der Mitte?

Mützenich: Nein es geht nicht um Mitte oder um andere Dinge. Es geht jetzt letztlich darum, wie bewältigen wir eine Krise, die noch immer nicht gelöst ist? Wir müssen sozusagen eine tagespolitische Lösung des Konfliktes machen. Dazu hat insbesondere auch der Besuch des deutschen Außenministers Steinmeier in der Ukraine gesorgt. Aber andererseits auch die Reaktionen, die die Übergangsregierung jetzt gezeigt hat, indem sie ihre Truppen von der Krim genommen hat. Und jetzt ist zum Beispiel in den Haag von Seiten der Bundeskanzlerin gesagt worden, dass aus ihrer Sicht die Teilnahme Russlands an einem zukünftigen G8 Gipel ausgeschlossen ist. Also das sind sozusagen tagespolitische Fragen. Aber andererseits müssen wir uns überlegen, ob wir in den nächsten Monaten vielleicht sogar trilateral zwischen der Ukraine, den Parlamenten in Russland, aber auch Deutschland zu Gesprächen kommen, um die unterschiedlichen Ansichten auch auszutauschen.

Joppa: Sie sagen, die Anexion der Krim war klar völkerrechtswidrig. Das ist auch die vorrangige Meinung im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages, in dem Sie sitzen. Aber die jetzige Regierung der Ukraine ist rechtlich gesehen auch nicht legitim. Oder hat das eine für Sie mit dem anderen nichts zu tun?

Mützenich: Nein es geht ja hier auf der einen Seite um Völkerrecht und auch der anderen Seite hätten wir uns in der Ukraine gewünscht, dass mehr Parteien in die Übergangsregierung hinein gegangen wären. Die durch das Parlament eine Regierung der nationalen Einheit gebildet hätte. Das ist offensichtlich nicht erfolgt, weil bei einzelnen Akteuren auch wieder Einzelinteressen im Vordergrund stehen. Und ich finde, auch hier müssen wir versuchen auf die Akteure in der Ukraine einzuwirken. Wie gesagt, der Besuch des deutschen Außenministers hat da auch zu beigetragen.

Joppa: Eine Einigung gibt es ja bereits, was die OSZE-Mission in der Ukraine betrifft. Merkel und Putin haben den Einsatz gleichermaßen begrüßt. Welche Chance sehen Sie in der OSZE?

Mützenich: Ich denke, insbesondere ist die OSZE ein Kennzeichen von dem, was wichtig ist für die internationalen Beziehungen. Nämlich Regeln. Eine internationale Institution, wo alle Regierungen mitarbeiten. Wo sich teilweise auch Gesellschaften wiederfinden können. Und die OSZE ist eben aus einem wichtigen Prozess hervorgegangen. Nämlich dem damaligen KSZE-Prozess, der unter anderem auch dem Ost-West-Konflikt bearbeitet und am Ende auch überwunden hat.

Joppa: Sie sagen auch, es muss eine Rückkehr zur Diplomatie dringend geben. Wie hilfreich sind da Sanktionen, die auch seitens der USA noch einmal verschärft werden sollen?

Mützenich: Ich glaube die Sanktionen haben natürlich insbesondere auch einen politischen Kern, das wir eben von Gewalt Abstand nehmen wollen. Wir müssen sehen, in den letzten Tagen gab es Gewalt in der Herstellung der Situation auf der Krim. Letztlich auch in der Ukraine selbst beim Sturz des gewählten Präsidenten Janukowitsch. Das sind alles Dinge, wo ich der Meinung bin, hier müssen wir unter Umständen zu einem gegenseitigen Verstehen der Prozesse kommen. Sanktionen gehen ja auch innerhalb der Europäischen Union so weit, wie auch die russischen Reaktionen sind. Und wir haben insbesondere davor gewarnt, dass es zu weiteren Destabilisierungen im Osten der Ukraine kommt. Und da wird in den nächsten Tagen genau drau geachtet.

Joppa: Verteidigungsministerin von der Leyen hat gefordert, dass man die Nato-Truppen an der Grenze verstärken sollte. Wäre das ein falsches Zeichen, auch Richtung Osten?

Mützenich: Ich glaube, das ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht angebracht. Und ich habe die Verteidigungsministerin in den letzten Stunden auch so verstanden, dass das was Sie offensichtlich gesagt hat, wieder relativiert hat. Ich finde, das ist ein wichtigen Zeichen. Wir brauchen zurzeit keine Stufeneskalation insbesondere im militärischen Bereich, sondern wir brauchen Diplomatie. Und da ist der deutsche Außenminister sehr beispielgebend, in einer guten Zusammenarbeit mit der Bundeskanzlerin.

Joppa: Sollte es zusätzlich zu diesem "Runden Tisch" den Sie empfehlen, auch einen neutralen Vermittler geben? Da könnte es schwierig werden, diesen zu finden...

Mützenich: Ich glaube, wir brauchen zurzeit keine Vermittler, sondern wir müssen einfach miteinander reden, zuhören, die unterschiedlichen Auffassungen auch aussprechen. Aber auf der anderen Seite eben konstruktive Vorschläge machen. Wenn Vermittler gebraucht werden, bieten sich eben durchaus die OSZE als wichtige Institution an. Aber zum Beispiel auch die vereinten Nationen. Und ich eben, dass andere internationale Krisen immer noch gemeinsam auch im Sicherheitsrat bearbeitet werden können.