"Das hat allein Moskau zu verantworten"
Die Kritik an Wladimir Putins Ukraine-Politik wird immer schärfer - auch in der SPD. Fraktionsvize Rolf Mützenich setzt auf Sanktionen gegen Moskau: "Bereits die bisherigen Sanktionen haben ihre Wirkungen nicht verfehlt. Neue, stärkere Sanktionen werden auch wieder Wirkungen haben."
Lars Haferkamp: Herr Mützenich, nach dem Flugzeugabschuss in der Ostukraine fragen sich immer mehr Menschen: Was muss noch geschehen, damit der Westen Wladimir Putin stoppt?
Rolf Mützenich: Von Beginn an haben wir die besondere politische Verantwortung Präsident Putins für das, was auf der Krim und im Osten der Ukraine geschieht, hervorgehoben. Wir messen ihn daran, ob er seinen Einfluss geltend macht, um eine unabhängige und umfassende Untersuchung durch internationale Experten durchzuführen. In den kommenden Stunden muss er seine Zusagen nachprüfbar und öffentlich einlösen.
Haferkamp: Die EU hatte vor Monaten beschlossen: Wenn Moskau den Konflikt nicht spürbar und glaubhaft deeskaliert, tritt die dritte Stufe der Sanktionen in Kraft. Von Deeskalation kann bisher keine Rede sein, ganz im Gegenteil. Wäre es nicht Zeit, den Worten Taten folgen zu lassen?
Mützenich: Es gibt nur noch wenig, was dagegen spricht. Die Bilder und Berichte vom Unglücksort sind verstörend und das Verhalten betrunkener Separatisten widerlich. Die russische Führung hätte rechtzeitig hier Einfluss geltend machen können. Das dies offensichtlich nicht geschehen ist, hat allein Moskau zu verantworten. Selbst wenn jetzt weitere Sanktionen beschlossen werden müssen; ohne eine politische Lösung wird die Krise, an deren Beginn die völkerrechtswidrige Annexion der Krim stand, nicht in den Griff zu kriegen sein.
Haferkamp: Eine Schwierigkeit des Westens ist, dass es ?den Westen? gar nicht gibt. Amerikaner und Europäer haben unterschiedliche Interessen und selbst in Europa bewerten die nordischen und östlichen Länder die Ukraine-Krise anders als die Südländer. Ist das Putins großer Trumpf?
Mützenich: Der russische Präsident weiß um die unterschiedlichen Interessen und Folgen für die europäischen Länder. Daraus muss man kein Geheimnis machen. Aber bisher ist es gelungen, dass am Ende die Europäische Union mit einer Stimme spricht. Das wird sie auch in den kommenden Tagen tun. Die USA haben zweifellos andere Interessen und Möglichkeiten. Manche Äußerung aus den USA seit Beginn der Krim-Krise war auch nicht hilfreich. Dennoch: es gibt eine enge Abstimmung zwischen den USA und der EU und das gemeinsame Interesse, die europäische Friedensordnung zu erhalten.
Haferkamp: Sind Wirtschaftssanktionen überhaupt ein Mittel der Politik oder sind sie das Ende von Politik?
Mützenich: Sanktionen sind Teil des diplomatischen Instrumentariums. Bereits die bisherigen Sanktionen haben ja ihre Wirkungen nicht verfehlt und weitere Konsequenzen, etwa im Wechselkurs des Rubels oder bei den russischen Wirtschaftsindikatoren gehabt. Neue, stärkere Sanktionen werden auch wieder Wirkungen und Rückwirkungen haben. Wenn sie politisches Handeln beeinflussen, müssen sie auch neu bewertet werden.
Haferkamp: Russlands Militärintervention in der Ukraine ist weniger ein wirtschaftspolitisches sondern vor allem ein sicherheitspolitisches Problem. Welche Konsequenzen muss die Sicherheitspolitik des Westens ziehen?
Mützenich: Die Annexion der Krim war der Wendepunkt für die europäische Sicherheitsordnung. Regeln und Normen wurden rücksichtslos und offen missachtet und in Frage gestellt. Hierauf wird es auch sicherheitspolitische Reaktionen geben. Das auch manche Reaktion im Westen die Sicherheitsinteressen Russlands beeinträchtigt hat, ist die andere Seite der Medaille. Der Versuch daraus gemeinsame Schlussfolgerungen zu ziehen, darf auch in Zukunft nicht unterbleiben.