Wie geht es weiter in Afghanistan?

Interview mit Hermann Krause
Veröffentlicht: 
WDR 5 Mittagsecho, 02.11.2009
Thema: 
Zur Stichwahl in Afghanistan

Hermann Krause: Die Absage Abdullahs hat die innenpolitische Lage in Afghanistan nicht gerade erleichtert und sie hat auch außenpolitische Implikationen. Vor der Sendung und vor seinem Flug in die USA habe ich Rolf Mützenich, den außenpolitischen Experten der SPD, gefragt, wie er den Rückzug Abdullahs einschätzt.

Rolf Mützenich: Es ist auf jeden Fall eine weitere Erschwerung, nicht nur innenpolitisch sondern auch, wie Sie gesagt haben, außenpolitisch und ich glaube, dass es für Karsai insbesondere darauf ankommt, in den nächsten Wochen und Monaten alle Kräfte in Afghanistan zusammen zu bringen, um sowohl zu Fortschritten innerhalb des Landes zu kommen - insbesondere natürlich bei Sicherheitsfragen, auf der anderen Seite aber auch die sozialen Fragen mit zu beantworten und auch die politische Machtteilung. Das ist das, was der Präsident beantworten muss.

Krause: Sie sagen, die Kräfte bündeln, aber da gibt es ja schon mal Einen, der da nicht mitmachen will, nämlich Abdullah. Wie kann er denn dann so etwas wie eine Regierung des gemeinsamen Verständnisses oder Einverständnisses herstellen?

Mützenich: Indem man darüber spricht. Ich glaube, es gibt auch Signale von Abdullah und anderen Kräften, die sagen, wir sind bereit, innerhalb einer Regierung der nationalen Einheit und auch der nationalen Kontinuität zu arbeiten. Es gibt diese Kräfte und die müssen natürlich auch angesprochen werden. Das ist auch in unserem Interesse, insbesondere auch im Interesse der Vereinten Nationen und nach meinem Dafürhalten muss Karsai dies tun. Es wäre gut, wenn die Regierungen, die sich in Afghanistan engagieren, dies auch gegenüber dem Präsidenten tun würden.

Krause: Der Rückzug Abdullahs ist ja auch so etwas wie ein Signal. Er sagt damit, "bei den letzten Wahlen ist so gefälscht worden, dass ich mich weigere noch einmal mitzumachen". Hat die Staatengemeinschaft nicht auch auf den falschen Mann, also auf Karsai, gesetzt?

Mützenich: Es geht nicht nur darum, ob wir auf den falschen Mann gesetzt haben, sondern was wichtig gewesen ist, ist, dass diese Wahlen überprüft worden sind. Sehr frühzeitig ist auch von internationalen Beobachtern Kritik geäußert worden und wir dürfen ja nun auch nicht vergessen, dass die Gruppe um Abdullah von den internationalen Wahlbeobachtern auch der Manipulation verdächtigt worden sind. Das kann er auch nicht von sich weisen. Das ist einfach ein Problem. Wir dürfen das auch nicht mit unseren Maßstäben messen, das wäre ein Fehler an dieser Stelle.

Krause: Aber das tun wir ja. Wenn ich mal ihren Parteigenossen Peter Struck zitieren darf, als Verteidigungsminister. Der hat ja unter anderem gesagt, wir verteidigen unsere Sicherheit nicht nur, aber auch am Hindukusch. Würden Sie das jetzt auch noch unterschreiben?

Mützenich: Ich habe das weder damals unterschrieben, noch habe ich es heute unterschrieben. Das ist eine Aussage, die teilweise, glaube ich, auch gegenüber Peter Struck, aus dem Zusammenhang gerissen worden ist. Natürlich sind Sicherheitsfragen für uns hier in Deutschland und insgesamt in Europa von Afghanistan abhängig. Wir wissen, dass der internationale Terrorismus dort auch ein Rückzugsgebiet hatte. Aber das entscheidende Problem ist doch immer gewesen, dass wir während der Bush-Administrationszeit überhaupt nicht in der Lage gewesen sind, über politische Konzepte nachzudenken, insbesondere über die Rolle Pakistans, aber auch die Frage, ob man möglicherweise den Iran als Nachbar mit einbinden kann. Alles das ist jetzt mit dem amerikanischen Präsidenten Obama möglich und deswegen müssen auch die politische Gespräche in diese Richtung geführt werden. Nicht nur allein die Frage von Militär sondern insbesondere wie können wir zu politisch besseren, stabileren Verhältnissen kommen. Ich glaube, das ist genau der richtige Punkt.

Krause: Sie erwähnten gerade Obama: Nun fliegen Sie heute mit Angela Merkel in die USA. Die Amerikaner wollen, dass die Europäer ihr Engagement in Afghanistan erhöhen, also mehr Soldaten schicken. Die EU ist eher dagegen. Die Absage Abdullahs, was glauben Sie, hat das eher die europäische Position gestärkt?

Mützenich: Ich glaube, es geht nicht darum, dass man unterschiedliche Positionen gegeneinander ausspielt. Ich habe darauf hingewiesen, dass es mit der neuen amerikanischen Administration möglich ist, politische Konzepte zur Stabilisierung der gesamten Region mit zu entwickeln und da tut Europa - und natürlich auch die deutsche Bundeskanzlerin - gut daran, wenn sie versucht auf diese Strategie einzuwirken. Ja, es ist richtig, in den USA wird derzeit über eine Truppenverstärkung diskutiert. Diese Truppenverstärkung spielt insbesondere deswegen eine Rolle, weil man die Gebiete, die man für militärisch sicher hält, auch besser schützen muss, aber auch die afghanischen Sicherheitskräfte in die Lage versetzen will, selbstständig Sicherheit herzustellen. Und das ist ja auch genau das, was wir als Kriterienkatalog entwickelt haben. In dieser deutschen Legislaturperiode kommt es darauf an, Verständigung zu finden im Deutschen Bundestag, auch über einen Abzugstermin, auch darüber, wie die Truppen langsam aus Afghanistan wieder zurück geführt werden können. Das ist unsere innenpolitische Aufgabe. Unsere außenpolitische Aufgabe ist es, mit wichtigen Partnern diese gemeinsame Strategie abzustimmen.

Krause: Rolf Mützenich war das, der außenpolitische Experte der SPD.