"Europas Stimme hat Gewicht"
Frank Herold: Herr Mützenich, zu Jahresbeginn schien es, als wollten die Europäer die Initiative im Nahost-Friedensprozess übernehmen. Ist dieses Engagement verpufft?
Rolf Mützenich: Es hat sich als schwierig herausgestellt, in einer Gemeinschaft von 27 Staaten - in der vor allem die neuen Mitglieder kein gesteigertes Interesse an der Region haben - einen Konsens über das Vorgehen zu erzielen. Umso dankbarer bin ich, dass US-Präsident Obama eine Initiative aufgegriffen hat, die die arabischen Staaten schon 2002 initiierten, Frieden in den Grenzen von 1967 zu schaffen.
Herold: Hätte die Stimme der Europäer Gewicht?
Mützenich: Durchaus. Die US-Initiative umfasst ja nicht nur den israelisch-palästinensischen Konflikt im engeren Sinne. Es geht auch um das Verhältnis zu Syrien oder die Vorgänge am Persischen Golf. Dort kann Europa mit Sicherheit einen Beitrag leisten. Das kann auch für Israel interessant sein.
Herold: Als Voraussetzung für neue Verhandlungen gilt ein Baustopp israelischer Siedlungen. Ist das realistisch?
Mützenich: Fortschritte müssen auf beiden Seiten erreicht werden. Die Palästinenser, insbesondere die Fatah, haben gezeigt, dass sie zu Reformen in der Lage sind. Auf der anderen Seite hat Israels Ministerpräsident Netanjahu Koalitionspartner, die sich nicht bewegen wollen. Das heißt, wir müssen den Druck aufrechterhalten.
Herold: Netanjahu hat ein "entschlossenes Handeln gegen die Feinde Israels" angemahnt. Verbirgt sich dahinter die Forderung nach Sanktionen gegen Iran?
Mützenich: Auf jeden Fall. Ob es dazu kommen wird, hängt insbesondere am Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde ab. Wenn sie Vertragsverstöße feststellt, muss man über neue Sanktionen sprechen.