"Europa wäre klug beraten, Obama zu helfen"

Interview mit Sabine Hackländer
Veröffentlicht: 
SWR 2 Tagesgespräch, 30.03.2009
Thema: 
Zum NATO-Jubiläumsgipfel

Dr. Rolf Mützenich, MdB (SPD) ist in einem SWR 2-Tagesgespräch der Meinung, man brauche auf jeden Falle eine USA, die klug und besonnen handle, sich auf der anderen Seite aber mit den Partnerländern abstimme. Das gelte für die Finanz- und Wirtschaftskrise, aber auch für Regionalkonflikte wie im Nahen Osten oder Asien. Bei der NATO begrüße er die Absage an Bush's "globale NATO". Die Proteste gegen den G 20-Gipfel halte er für legitim, es sei natürlich, dass Fragen gestellt würden. Man müsse erklären, dass die Stützung des Bankensystems der gesamten Volkswirtschaft zugute komme

Sabine Hackländer: Das wird eine spannende Woche; erst der Weltfinanzgipfel der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer in London, dann ab Freitag das NATO-Jubiläumstreffen bei uns in Baden-Baden, Kehl und Straßburg, und am Sonntag der EU-Sondergipfel in Prag. Wichtigster Mann auf der Gästeliste ist dabei unbestritten Obama; die Supermacht meldet sich zurück. Was meinen Sie, wird es sein wie früher, also vor der Bush-Junior-Ära, als wir uns dem Führungsanspruch der Amerikaner, quasi ohne Wenn und Aber, anvertraut haben?

Rolf Mützenich: So war das ja eigentlich auch nicht mehr, dass man kritiklos alles das übernommen hat. Aber ich glaube schon, mit Barak Obama kommt ein US-Präsident nach Europa, der nicht nur Leitbild auch für viele junge Menschen ist, der einen überwältigenden Wahlsieg in den USA errungen hat, sondern auch jemand, der, glaube ich, diese vielen Probleme, die es in den USA, aber auch weltweit gibt, sehr schnell angepackt hat, und ich glaube auch, viele gute Lösungen mit auf die Agenda gesetzt hat. Europa wäre klug beraten, Obama auch zu helfen.

Hackländer: Wie viel Supermacht USA brauchen wir denn, um die Wirtschaftskrise heil überstehen zu können?

Mützenich: Ich glaube, wir brauchen auf jeden Fall eine USA, die klug und besonnen handelt, die sich auf der anderen Seite aber auch mit den Partnerländern abstimmt, die natürlich im Vordergrund die Finanz ? und Wirtschaftskrise hat, aber auf der anderen Seite auch bereit ist, die Regionalkonflikte, die es zum Beispiel im Nahen Osten gibt, aber auch in Asien, - eine aufstrebende Macht -, die Volksrepublik China so zu behandeln, dass daraus keine weiteren militärischen Konflikte entstehen und dass die Konflikte, die vorhanden sind, auch friedlich und kooperativ gelöst werden.

Hackländer: Müssen wir uns, auch in Bezug auf unsere Konjunkturmaßnahmen, an den USA orientieren?

Mützenich: Wir müssen uns natürlich insofern mit den USA absprechen, und ich glaube auch, verbindliche Verabredungen treffen, dass solche Dinge nicht mehr passieren. Das hat viel mit der Finanzkrise an den Börsen zu tun, das hat mit einer Frage der unregulierten Finanzmärkte zu tun, das hat auf der anderen Seite auch etwas mit der Bankenaufsicht zu tun, und gleichzeitig natürlich auch mit dem Konjunkturprogramm. Obama hat ja hier viel Geld in die Hand genommen, was auf der einen Seite die marode Infrastruktur in den USA angeht, aber andere Dinge auch, und ich glaube, Europa ist auf dem selben Weg.

Hackländer: "Zahlt eure Krise alleine", so das Motto der zehntausenden Demonstranten am Wochenende in Berlin, Frankfurt und London gegen den G20-Gipfel. Ist das naiv, oder ist doch etwas Wahres dran?

Mützenich: Nein, es ist nicht naiv, sondern es ist vollkommen legitim, dass es Proteste gibt, dass natürlich auch Fragen gestellt werden. Das ist in meinem Wahlkreis genauso, dass natürlich die Menschen sagen, ihr gebt den Banken eine Menge Geld und auf der anderen Seite vergesst ihr uns. Auf der anderen Seite müssen wir natürlich auch erklären, wenn uns das Bankensystem zusammenbricht, hat das Folgen für die gesamte Volkswirtschaft, und unser Credo ist im Grunde genommen natürlich, uns zuerst um die Arbeitsplätze zu kümmern. Deswegen (geht) auch ein Teil der Unterstützung in die Autoindustrie, wo jeder achte Arbeitsplatz in Deutschland betroffen ist und viele andere Dinge auch. Diese Diskussion mit den Demonstranten muss auf der anderen Seite natürlich auch erfolgen, und das betrifft den NATO-Gipfel genauso...

Hackländer: Was kann denn beim NATO-Gipfel überhaupt herauskommen? Gesprochen wird vor allem über eine neue strategische Ausrichtung des Verteidigungsbündnisses selbst und über eine neue Afghanistan-Strategie... Wo sehen Sie mehr Berührungspunkte zwischen Europäern und den Amerikanern?

Mützenich: Ich glaube, an beiden Stellen. Einmal, dass eben nicht mehr von dem Wort der so genannten "globalen NATO" die Rede ist. Damals war Präsident Bush der festen Überzeugung gewesen, die NATO muss nicht nur global auf die Herausforderungen handeln, sondern muss sich auch Partner in anderen Erdteilen suchen, von Australien, von Japan, von Südafrika war die Rede gewesen. Dem hat die Bundeskanzlerin zu Recht eine Absage erteilt. Das war richtig gewesen. Auf dieser Position hat die Sozialdemokratie schon immer bestanden. Auf der anderen Seite, glaube ich, geht es darum, klar zu machen, wie es in Afghanistan weiter geht, aber auch mit anderen Konfliktherden. Ich glaube, wir wären klug beraten, wenn insbesondere eine Zusammenarbeit mit anderen zivilen, aber auch anderen Organisationen, möglich ist von Seiten der NATO. Ich spreche zum Beispiel von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa oder der Europäischen Union. Hier brauchen wir eine Absprache zwischen internationalen Organisationen, die ja eigentlich dieselben Interessen verfolgen.