"Europa muss aktiv werden"

Interview mit Doris Simon
Veröffentlicht: 
Interview im Deutschlandfunk, 28.09.2006
Thema: 
SPD-Außenpolitiker: Waffenruhe im Libanon politisch absichern

Der SPD-Politiker Rolf Mützenich plädiert für eine Beteiligung Syriens am Friedensprozess im Libanon. Ohne Syrien werde die Befriedung keinen Erfolg haben, sagte das Mitglied des Auswärtigen Ausschusses. Weil die USA kein politisches Konzept für die Region hätten, müsse man dabei auf Europa hofen.

Doris Simon: Noch ein paar Tage, dann werden deutsche Marineschiffe vor der Küste des Libanons aufkreuzen. Im Rahmen des UN-Einsatzes sollen Sie dort Waffenschmuggel über's Wasser verhindern. Es ist ein deutliches Zeichen dafür, wie wichtig der Bundesregierung eine Befriedung der Region ist. Wohl auch deshalb empfängt Bundeskanzlerin Angela Merkel heute Mittag den Ministerpräsidenten des Libanon, Fuad Siniora, in Berlin. Am Telefon ist nun Rolf Mützenich, SPD-Mitglied des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags. Ich grüße Sie!

Rolf Mützenich: Guten Morgen Frau Simon!

Simon: Herr Mützenich, der UN-Einsatz läuft, die Bundesrepublik beteiligt sich, welche Hilfe kann denn ein kaputtes und innerlich zerrissenes Land wie der Libanon praktisch aus Berlin darüber hinaus erwarten?

Mützenich: Also es ist wichtig, dass wir diesen Beschluss in der letzten Woche gefasst haben und es ist wichtig, vielleicht noch auf zwei andere Sachen hinzuweisen: einmal finanzielle Hilfen und dann den Versuch zu unternehmen, einen politischen Prozess, der dringend im Libanon notwendig ist, aber auch darüber hinaus, zu begleiten und zu unterstützen. Bei den finanziellen Hilfen haben wir uns auf der Stockholmer Konferenz verpflichtet und leider wird das wahrscheinlich nicht ausreichen, diese finanziellen Hilfen, die aus ganz unterschiedlichen Ländern kommen.

Simon: Das heißt, wir müssten auch in Deutschland wahrscheinlich auch nachlegen.

Mützenich: Ich glaube schon, und die Entwicklungshilfeministerin zum Beispiel hat ja auch angekündigt, dass man zum Ende des Jahres noch einmal überlegen muss, was für das dann darauf folgende Jahr möglich ist. Aber die Zerstörungen sowohl im Libanon, aber auch auf israelischer Seite, sind groß und das wird nicht Deutschland alleine heben können, dafür brauchen wir andere Partner und insbesondere ist die arabische Welt an dieser Stelle auch gefragt.

Simon: Herr Mützenich, Sie sagten eingangs, Deutschland muss den politischen Prozess unterstützen - Stichwort auch langfristige Friedenslösung - das wird doch schon seit Jahrzehnten gefordert. Was gibt Ihnen Anlass zu der Vermutung, dass das jetzt vielleicht besser klappt?

Mützenich: Ich habe keine großen Hoffnungen und ich weiß letztlich auch, wie viele Felsbrocken auf diesem Weg liegen. Auf der anderen Seite glaube ich schon, dass die Eskalation und der Krieg zischen Israel und der Hisbollah vielleicht dem einen oder dem anderen doch die Augen geöffnet hat, vor welchem Abgrund letztlich diese Region steht. Das haben zumindest die Gespräche danach gezeigt.

Wie gesagt, das ist immer ein großes Wagnis, aber es bleibt gar keine andere Alternative, als den Weg zu gehen und es wird zur Zeit auf Europa gehofft. Die USA haben kein politisches Konzept für die Region. Sie sind letztlich gefangen im Irak. Afghanistan zeigt eigentlich einen Prozess in die falsche Richtung und Europa muss, ob es will oder nicht, an dieser Stelle aktiv werden und ich glaube das, was die deutsche Außenpolitik tun kann, tut auch der deutsche Außenminister.

Simon: Bevor wir nach Europa schauen, schauen wir noch einmal lieber auf Berlin. Die Bundesregierung hat ja vor diesem Besuch erklärt, sie will die Souveränität des Libanons stärken. Ganz konkret, was kann Berlin da machen?

Mützenich: Nun, ich glaube, dass eben gerade dieser Einsatz der neuen UNIFIL an dieser Stelle sehr wichtig ist, auch die Symbole, der Einzug der libanesischen Streitkräfte in den Süden Libanons ist wichtig. Insbesondere auch, dass die Hilfe vor Ort letztlich gelangt. Wir können dabei helfen, dass Verwaltunkstrukturen aufgebaut werden, dass die Polizei ausgebildet wird. Das sind Dinge, die letztlich Berlin mit anbieten kann, wo wir auch Erfahrungen mit einbringen können.

Simon: Gibt es eigentlich aus Deutschland neue Vorstöße in Richtung Syrien? Das steht ja immer noch so ein bisschen am Rande und von den Amerikanern ist da in die Richtung ja nicht viel zu erwarten.

Mützenich: Nein genau, aber das ist ja auch genau, was der deutsche Außenminister versucht. Ich bin der festen Überzeugung, ohne Syrien wird letztlich eine Befriedung im Süden des Libanons kein Erfolg haben und deswegen brauchen wir Syrien in diesem Prozess. Ob Syrien bereit ist, kann man schlecht sagen, das Interview des syrischen Präsidenten am Montag im Spiegel hatte mit Sicherheit einige Lichtblicke, aber auch viele Schattenseiten letztlich in seinen Antworten. Aber ich glaube schon, dass Syrien auch weiß, dass es im Libanon eine wichtige Karte zu spielen hat, auf der anderen Seite ist der Golan der entscheidende Punkt für Syrien und dafür brauchen wir Israel.

Simon: Herr Mützenich Sie sind zwar nicht der Außenminister aber im Auswärtigen Ausschuss. Wie beurteilen Sie das? Welche Bedeutung hat zur Zeit das Thema Libanon angesichts der vielen anderen Krisen, Stichwort Afghanistan, Stichwort Iran. Ist da wirklich das dringende Bedürfnis in Berlin da, etwas voran zu bringen?

Mützenich: Das glaube ich schon. Ich glaube, dass sowohl unsere Debatten, die wir im Auswärtigen Ausschuss gehabt haben, die im Bundestag gewesen sind, die Gespräche, die mit Libanesen in dieser Woche, aber auch in der nächsten Woche geführt werden, durchaus darauf hin deuten, dass das uns wichtig ist.

Und wir wissen ja auch, wir schicken nicht deutsche Truppen im Rahmen der neuen UNIFIL in den Libanon und vergessen darüber den politischen Prozess, weil das ist eigentlich der entscheidende Beitrag, den Deutschland, den Europa leisten kann, an dieser Stelle einer benachbarten Region, die für unsere Sicherheit existenziell ist.

Simon: Das heißt, sie sehen nicht die Gefahr, dass jetzt, wo nicht mehr geschossen wird, alles weiterläuft wie vorher, weil es einfach zu schwierig ist, eine dauerhafte Lösung zu finden.

Mützenich: Nein, dafür müssen wir sorgen und es wird immer mit Sicherheit wieder Rückschläge geben und man ist auch nicht davor sicher, dass das schnell wieder eskalieren kann. Wir haben zur Zeit eine Waffenruhe, die ist brüchig. Auf der anderen Seite wird sie eingehalten, Unkenrufe vor ein paar Wochen "das wird nicht funktionieren" stimmen nicht und wir müssen alles dafür tun, dass dies im Grunde genommen politisch abgesichert wird. Dazu dient der Besuch des libanesischen Ministerpräsidenten und dazu dienen letztlich auch andere Besuche.

Simon: Wie wichtig ist es eigentlich, möglichst bald Israel und Libanon zusammen an einen Tisch zu bekommen?

Mützenich: Ich glaube, dass dies nicht das so entscheidende Problem ist, aber im Grunde genommen hat ja auch Siniora gesagt, Libanon wird das letzte Land sein, was einen Frieden mit Israel schließen wird, weil natürlich die umliegenden Konflikte, der Libanon aber insbesondere das Kernproblem Israel-Palästina, viel zu wichtig sind.

Und ich glaube wir tun gut daran, wenn wir uns gerade auch auf den palästinensisch-israelischen Konflikt auch konzentrieren und wir müssen alles dafür tun, dass es zu einem innerpalästinensischen Prozess kommt, insbesondere, dass die Hamas und Fatah sich weiterhin an einen Tisch setzten und möglicherweise auch eine Regierung der nationalen Einheit bilden.

Simon: Das war Rolf Mützenich, SPD-Mitglied des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages. Herr Mützenich, danke für das Gespräch und auf Wiederhören!