Erst Stabilität, dann Dialog

Interview mit Peter Blechschmidt
Veröffentlicht: 
Süddeutsche Zeitung, 21.05.2007
Thema: 
Zur Debatte über Auslandseinsätze

Dr. Rolf Mützenich, 47, ist SPD-Bundestagsabgeordneter und Mitglied des Auswärtigen Ausschusses. Er fordert von der Bundesregierung eine gute Begründung für das weitere Engagement in Afghanistan.

Peter Blechschmidt: Musste man mit einem Anschlag wie jetzt in Kundus nicht rechnen?

Rolf Mützenich: Das war ja nicht der erste Anschlag, und deswegen mussten wir immer damit rechnen. Das hat die Bundesregierung auch bei der Verlängerung der Einsätze dem Bundestag nicht verschwiegen. Und das war uns auch bei der Mandatsverlängerung klar.

Blechschmidt: Wird der Anschlag von Kundus Auswirkungen auf die Debatte über die Auslandseinsätze in Deutschland haben?

Mützenich: Das wird mit Sicherheit eine Rolle spielen. Aber für uns ist klar, und das hat ja auch der SPD-Vorsitzende Kurt Beck betont, es geht nicht allein um den militärischen Einsatz, sondern um eine politische Lösung des Konflikts.

Blechschmidt: Wie werden denn die Linken in Ihrer Fraktion reagieren?

Mützenich: Das ist keine Linksrechts-Frage, sondern da geht es um die individuelle Ansicht jedes einzelnen Abgeordneten. Das hat sich schon bei der Abstimmung über den Tornado-Einsatz gezeigt. Da kann man nicht nach innerparteilichen Gruppen differenzieren. Im Herbst wird sich zeigen, wie die Bundesregierung die Mandatsverlängerung begründet. Es geht ja um beide Mandate, den Einsatz im Rahmen der Internationalen Schutztruppe Isaf und um die Tornados, und die müssen differenziert betrachtet werden.

Blechschmidt: Rechnen Sie denn damit, dass die Regierung eine neue oder eine überzeugendere Begründung liefern kann?

Mützenich: Ich glaube, die Regierung wäre gut beraten, den Einsatz weiterhin in einen politischen Kontext zu setzen, so wie es Kurt Beck gefordert hat.

Blechschmidt: Und der politische Kontext wäre?

Mützenich: Dass man versucht, auf der einen Seite mit Hilfe des Militärs Stabilität zu gewährleisten und auf der anderen Seite die politischen Gruppen, die bereit zu einem Dialog sind, dann auch einzubinden.

Blechschmidt: Das zielt auf die Äußerung Becks, dass man auf kooperationswillige Taliban zugehen muss?

Mützenich: Das ist ja nicht nur eine Idee von Kurt Beck. Vor einigen Wochen hat der afghanische Senat ganz ausdrücklich dazu aufgefordert, die gesprächsbereiten Kräfte der Taliban in einen solchen Dialog einzubeziehen. Das ist, glaube ich, ein richtiger Schritt.

Blechschmidt: Sehen Sie politische Versäumnisse in der Vergangenheit?

Mützenich: Nein.

Blechschmidt: Tatsächlich?

Mützenich: Das Nein bezog sich jetzt auf die Bundesregierung. Dass die Kritik an den militärischen Einsätzen im Süden berechtigt war, braucht man nicht zu verschweigen.

Blechschmidt: Haben Sie eine Idee, wie eine Exit-Strategie aussehen könnte?

Mützenich: Eine Lösung wird es nur geben, wenn Stabilität geschaffen und über politische Auswege nachgedacht wird. Und wenn der deutsche Ansatz, zivile und militärische Maßnahmen in Einklang zu bringen, auch andere Nationen überzeugt.