"Auf Ergebnis ausgerichtet"

Interview mit Irina Grabowski
Veröffentlicht: 
rbb Inforadio, 16.04.2012
Thema: 
Zu den Atomverhandlungen mit dem Iran

Zusammenfassung:

Es wird wieder verhandelt mit dem Iran über die Atompolitik. Am Wochenende trafen sich die Vertreter der "Fünf plus eins Gruppe" - das sind die fünf Veto-Mächte im Weltsicherheitsrat und Deutschland - mit den Abgesandten der iranischen Führung in Istanbul. Konstruktiv seien die Gespräche gewesen, nützlich. Mehr als diese atmosphärischen Aussagen gab es nicht. Die Atomverhandlungen werden auch international unterschiedlich bewertet.

Israels Regierungschef Netanjahu kritisiert die Gespräche als Geschenk an den Iran. US-Präsident Obama betonte, es habe keine Zugeständnisse an Teheran gegeben.
Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dr. Rolf Mützenich, sagte im Gespräch mit Irina Grabowski, es sei ambitioniert, dass man sich bereits am 23. Mai erneut treffen wolle, um die Gespräche fortzusetzen.

Das was man von dem Treffen erfahren habe, deute darauf hin, dass die iranische Regierung bereit sei, substantiell zu verhandeln und zu einem Ergebnis zu kommen.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle hält im Streit um das iranische Atomprogramm eine politische und diplomatische Lösung weiter für machbar. "Der Verhandlungsweg ist schwierig, aber er ist möglich", sagte Westerwelle am Sonntag in Berlin.

Der Start der neuen Gespräche in Istanbul sei schon ein guter Anfang gewesen. Westerwelle sagte, wichtig sei, dass in der nächsten Verhandlungsrunde substanzielle Gespräche geführt und substanzielle Fortschritte erzielt werden. Der FDP-Politiker sprach von einem doppelten Ansatz.

Einerseits sei man jederzeit zu substanziellen Gesprächen bereit. Solange es aber keine Ergebnisse gebe, werde auch die Sanktionspolitik gegen den Iran fortgesetzt. "Eine atomare Bewaffnung des Irans kann nicht akzeptiert werden."

Interview im Wortlaut:

Irina Grabowski: Mehr als ein Jahr wurde ja nicht verhandelt jetzt will man sich in wenigen Wochen zum zweiten Mal treffen, ist denn das schon als Erfolg zu werten?

Rolf Mützenich: Nun, es ist auf jeden Fall ambitioniert und das, was man von den Gesprächen , was ja relativ wenig ist, nach außen gedrungen ist, deutet doch zu mindestens darauf hin das dieses Mal insbesondere die iranische Seite bereit ist, auch substantiell zu verhandeln. Und ich hatte auch den Eindruck, dass insbesondere die beteiligten Länder, also die Europäische Union mit Frau Ashton an der Spitze, aber auch die einzelnen bilateralen Gespräche durchaus darauf ausgerichtet waren, zu einem Ergebnis zu kommen.

Grabowski: Die Frage ist nur zu welchem Ergebnis will man kommen, Israel hat ja die Verhandlungen von Istanbul kritisiert.  Regierungschef Netanjahu sagt diese Verhandlungen seien ein Geschenk des Westens an Teheran ,- ist der Westen zu lasch was Iran angeht?

Mützenich: Nun, es ist ja insbesondere gezeigt worden das viele Länder ,-und einige hätten auch gerne noch weitere Beschlüsse im Sicherheitsrat gehabt, - gemeinsam auftreten können, auch Sanktionen beschließen kann. Dass insbesondere auch der Iranische Öl-Sektor ab ersten Juli konfrontiert ist, das wird durchaus schon Eindruck in Teheran hinterlassen haben. Dennoch muss man natürlich sagen, es geht nicht alleine hier um Israel. Israel fühlt sich natürlich bedroht und herausgefordert durch den Iran, aber die internationale Gemeinschaft hat  insgesamt Interesse, dass die Iraner ihre Atomanlagen öffnen und jeden Verdacht ausräumen, der da möglicherweise lautet, dass diese Atomanlagen auch für militärische Zwecke missbraucht werden.

Grabowski: Israels Regierungschef Netanjahu sagt ja nun jetzt habe Iran zusätzlich Zeit gewonnen Atomwaffen zu bauen.  Könnte es denn wirklich passieren das Teheran, in diesen 5 Wochen bis zum nächsten Treffen, Tatsachen schafft?

Mützenich: Nun da habe ich nicht den Eindruck. Zumindest die Berichte, die uns vorliegen, deuten nicht darauf hin, dass es sozusagen in den nächsten Wochen zu einer unmittelbar funktionsfähigen Kernwaffen kommt. Es gibt immer wieder Hinweise, dass der Iran zumindest bis 2003, aber auch vielleicht darüber hinaus eben an solchen Elementen gearbeitet hat. Aber ich glaube, es ist verantwortungsvoll, in diesen 5 Wochen zu versuchen mit dem Iran auch zu einer Lösung zu kommen, die vor der internationalen Gemeinschaft dann auch Bestand haben wird.

Grabowski: Was genau muss denn der Westen dem Iran abringen in den Verhandlungen?

Mützenich: Insbesondere die Offenlegung der Fragen, die die Internationale Atomenergiebehörde in verschiedenen Berichten aufgeworfen hat . Am Wochenende sind wieder neue Berichte aufgekommen, was die Forschung an einem Kernsprengkopf bedeutet, aber insbesondere auch verdächtige Anlagen ,wo eine Urananreicherung stattfindet, die eben auch bis möglicherweise zu einer Höhe gehen kann, die dann auch für eine Uranbombe verwendet werden kann .

Alles das sind Dinge, die mit dem Iran besprochen werden müssen. Aber ich glaube, auch auf der anderen Seite ist natürlich gesehen worden, dass das, was dem Iran zusteht dann möglicherweise auf der anderen Seite im Zusammenhang mit Sanktionen, oder auch mit Vorbehalten, dann auf Seite des  Westens etwas gelockert werden muss.

Grabowski: Der Iran beeinflusst den Nahostkonflikt wirkt aber auch auf einen anderen Krisenherd. Afghanistan ist der Nachbar und dort haben die Taliban Angriffe gegen die Isaf, gegen die ausländischen Vertretung in Kabul gestartet. Spielt das eigentlich mit rein in die Verhandlungen über Irans Atompolitik oder hat das nichts miteinander zutun Herr Mützenich?

Mützenich: Ob es unmittelbar am Wochenende eine Rolle gespielt hat, kann ich nicht bewerten, aber dennoch, der Iran ist ein Nachbarland von Afghanistan und insofern auch betroffen, aber letztlich auch ein Land. was an dem Konflikt mitwirkt und auch letztlich Beziehungen zu einzelnen gewalttätigen Gruppen hat. Das spielt insgesamt schon eine Rolle und die US-Administration hatte ja grade versucht, in den letzen Jahren über gemeinsame Schritte der USA und des Iran in Afghanistan auch Vertrauen zu entwickeln. Iran ist ein unverzichtbares Land bei der Bewältigung des Konflikts in Afghanistan.

Grabowski: Und noch einmal zu Afghanistan und den Kämpfen in Kabul: Die Deutsche Botschaft wurde ja auch angegriffen. Es soll niemand verletzt worden sein. Außenminister Guido Westerwelle sagt nun, dieser Anschlag werde keine Konsequenzen für das deutsche Vorgehen in Afghanistan haben . Kann man also nur abwarten, bis es vorbei ist?

Mützenich: Nein, das sehe nicht so. Insbesondere muss man natürlich kalkulieren , welche Gruppen waren das, können wir das überhaupt sozusagen herausfinden, weil es ja auch Gespräche mit Gruppen gibt, die wir alle dann Taliban nennen. Also ich glaube, es wird letztlich wichtig sein, wer hat hinter diesen koordinierten Anschlägen gesteckt und dass Kabul eben genau auch wieder in diese Situation hineingekommen ist, wirft natürlich die ein oder andere Sicherheitsfrage auf. Aber ich glaube, erst in den nächsten Tagen werden wir bewerten können, wie die afghanischen Sicherheitskräfte auf diese Herausforderung gestern reagiert haben.