"Wir dürfen nicht auf einen Konfrontationskurs zusteuern."

Interview mit Seyed Hedayatollah Sharokny
Veröffentlicht: 
IRIB, 26.02.2007
Thema: 
Zu den UN-Sanktionen gegenüber Iran

Seyed Hedayatollah Sharokny: Herr Dr. Mützenich, am vergangenen Mittwoch lief die vom UNO-Sicherheitsrat gesetzte Frist für den Iran ab. Iran und der Westen beharren nach wie vor auf ihren kontroversen Positionen. Meine erste Frage an Sie: Ist diese Anknüpfung der Aufnahme von Verhandlungen für den Westen so wichtig, dass man nun auf einen Konfrontationskurs zusteuert?
 
Rolf Mützenich:
Nein, sie dürfen nicht auf einen Konfrontationskurs zusteuern, sondern wir brauchen letztlich weiterhin die Diplomatie und wir brauchen Vernunft und das brauchen wir auf beiden Seiten. Deswegen denke ich, dass eine Eskalation überhaupt nicht hilft an dieser Stelle und ich danke insbesondere dem Chef der Internationalen Atomenergiebehörde, Baradei, dass er aus meiner Sicht einen durchaus interessanten Vorschlag gemacht hat, dass nämlich der Iran auf eine zeitliche Suspendierung der Urananreicherung entscheiden sollte und letztlich damit dann auch die Sanktionsandrohungen der Vereinten Nationen auch suspendiert werden für einen bestimmten Zeitraum.

Sharokny: Herr Dr. Mützenich, Sie haben gerade den Namen Herr Baradei genannt. Er hatte auch kürzlich in London gesagt bzw. eingeräumt, dass der Streit mit dem Iran nicht durch Sanktionen gelöst werden kann. Man müsse, so Herr Baradei, dem Land entgegenkommen und es auf diese Weise zu einer Beteiligung bewegen. Wo liegt Ihrer Ansicht nach das Problem, dass man sich darauf nicht einlässt?

Mützenich: Herr Baradei hat auf jeden Fall Recht, dass Sanktionen an dieser Stelle das Problem nicht lösen werden. Auf der anderen Seite muss aber der Iran wissen, und das hat ja auch die Internationale Atomenergiebehörde festgestellt, dass jahrelang gegen Bestimmungen des Atomwaffensperrvertrages verstoßen worden ist und weil die Internationale Atomenergiebehörde derartige Dinge eben nicht ahnden kann, braucht es dafür den Sicherheitsrat und deswegen muss man diese Dinge auseinander halten. Aber wie gesagt mit Sanktionen bekommt man keine Lösung, aber es ist schon notwendig, dass der Iran einsieht, dass er hier gegen Bestimmungen des Atomwaffensperrvertrages verstoßen hat, und wir brauchen letztlich an dieser Stelle Vertrauen und das muss gegenseitig aufgebaut werden.

Sharokny: Herr Dr. Mützenich, das ist die einzige Argumentation, die vom Westen immer wieder vorgetragen wird, nämlich dass Iran 18 Jahre lang seine Atomaktivitäten teilweise oder ganz verheimlicht habe. Ob dies überhaupt eine juristisch gesehene Argumentation ist, um das so weit kommen zu lassen?

Mützenich: Das ist keine allein juristische Argumentation, sondern das ist Bestandteil letztlich des Völkerrechts und an dieser Stelle kommt es darauf an, dass die internationale Gemeinschaft eine gemeinsame Sichtweise hat und das hat sie bisher gehabt. 

Sharokny: Herr Dr. Mützenich, wie Sie wissen sieht der Atomsperrvertrag für die Mitglieder bestimmte Rechte vor, und das gilt auch bekanntlich für den Iran und hier lassen Sie mich vielleicht ein Zitat aus diesem Vertrag lesen: Konkret ist es so, dass jedes Mitgliedsland das Recht hat Atomtechnologie friedlich zu nutzen. Das ist laut dem Artikel 4 des Atomwaffensperrvertrages und alle Vertragsparteien sind sogar verpflichtet, den weitest möglichen Austausch von Ausrüstungen, Material und wissenschaftlich und technologischen Informationen zu erleichtern. Ist es überhaupt so weit gekommen? Meinen Sie, dass der Westen Iran soweit entgegen gekommen ist?

Mützenich: Nun, das ist aber nie bestritten worden, dass es ein Recht auch des Iran gibt, die gesamten Bedingungen des Atomwaffensperrvertrages, sowohl was die Rechte aber letztlich auch die Pflichten bedeutet, dass man das dem Iran zugesteht. Das hat insbesondere Deutschland an dieser Stelle getan. Wir haben als Land auf die Nutzung der Atomenergie verzichtet. Das heißt aber nicht, dass andere Länder dies auch zu tun haben, aber auf der anderen Seite gibt es eben große Bedenken im Hinblick auf möglicherweise bestimmte Aktivitäten, die immer noch nicht aufgeklärt worden sind gegenüber der Internationalen Atomenergiebehörde, eben auch zu militärischen Zwecken genutzt worden sind und das würde eindeutig gegen die Pflichten des Atomwaffensperrvertrages verstoßen und dazu muss der Iran endlich auch Aufklärung geben und das hat er bis zum heutigen Zeitpunkt nicht getan, und wenn ein unverdächtiger Zeuge nämlich Herr Baradei dies erneut wieder darauf hingewiesen hat, dann sollte der Iran sich an dieser Stelle meines Erachtens durchaus bewegen.

Sharokny: Herr Dr. Mützenich, Al Baradei sagte auch kürzlich, wenn dies so weiter geht, dann bedeutet das eine weitere Eskalation und es wird immer und immer schwieriger, die Gefahren zu reduzieren. Befinden wir uns, Herr Dr. Mützenich, in einer solchen Situation?

Mützenich: Nein, ich glaube wir haben gerade in den westlichen Staaten, und da kann ich hauptsächlich nur für die Bundesregierung und für den deutschen Außenminister sprechen, vernünftige Akteure an dieser Stelle, die durchaus in der Lage sind, auch das zur Zeit differenzierte Bild im Iran zu erkennen und wir haben schon den Eindruck, dass insbesondere sich mit den Wahlen zum Expertenrat bei den Kommunalwahlen aber auch bei den Nachwahlen zum Parlament, hier durchaus interessante Facetten ergeben haben und wir sind auch bereit, gerade auf diese Gruppen zuzugehen.

Sharokny: Herr Dr. Mützenich, erlauben Sie mir noch vielleicht eine letzte Frage, was bleibt nun übrig an Möglichkeiten, Gefahren abzuwehren?

Mützenich: Ich glaube, dass es notwendig ist, sich an einen Tisch zu setzen. Das wird zur Zeit bei den EU3 plus den weiteren drei Sicherheitsratmitgliedern getan und da scheint sich ja durchaus eine weiterhin gemeinsame Auffassung kund zu tun. Das ist aus meiner Sicht zuerst mal das Entscheidende, dass sowohl Russland als auch die Volksrepublik China mit an einem Strang ziehen und der Iran sollte eben auch klug genug auf solche Angebote dann reagieren. Das es jetzt im Sicherheitsrat zu weiteren Diskussionen kommt, soll eine möglicherweise Verhandlungsbereitschaft aller Partner letztlich nicht verwehren. Das kann man tun und ich glaube wir wären gut beraten, dies zu unterstützen.