Diplomatie statt Drohnen?

Interview mit Uwe Schulz
Veröffentlicht: 
WDR 2 Morgenmagazin, 05.01.2010
Thema: 
Rolf Mützenich zu der aktuellen Lage im Jemen

Er rechne damit, dass die USA schon bald Angriffe auf Ziele der Al Kaida im Jemen starten werde. Rolf Mützenich, der außenpolitische Sprecher der SPD Bundestagsfraktion, gab im WDR 2 Morgenmagazin eine Einschätzung, wie wahrscheinlich ein US-Militärschlag im Jemen sei.

Uwe Schulz: Gestern hat ein Mann aus der SPD-Fraktion im Bundestag bundesweit Schlagzeilen gemach, weil er gesagt hat, er rechnet damit, dass die USA schon bald Angriffe starten auf Ziele der Al Kaida in Jemen. Dieser Mann ist der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rolf Mützenich, jetzt bei uns in der Sendung. Hallo!

Rolf Mützenich: Guten Morgen, Herr Schulz.

Schulz: Wie kommen Sie zu dieser Prognose?

Mützenich: Nun, es ist ja eine Situation, die nicht neu ist, gerade in dieser Region. Und offensichtlich hat es gerade auch in den letzten Wochen noch mit US-amerikanischen Drohnen Angriffe im Jemen gegeben. Das ist eine geübte Praxis, die leider in der letzen Zeit insbesondere unter der Regierung Busch entwickelt worden ist und offensichtlich auch von der Regierung Obama fortgesetzt wird.

Schulz: Das heißt, Sie sehen das kritisch und halten das nicht für einen gangbaren Weg, da ein neues Terror-Nest zu verhindern?

Mützenich: Nein, ich halte es im Grunde genommen sogar für kontraproduktiv, weil ich glaube, dass damit die Akteure vor Ort auch in Schwierigkeiten kommen. Wir wissen, dass amerikanische Streitkräfte in dieser Region von der Bevölkerung nicht gern gesehen werden und auch die Regierungen dadurch Schwierigkeiten haben. Das ist das Eine. Auf der anderen Seite halte ich es für überhaupt nicht zielgerichtet, gegen Terroristen, die aus meiner Sicht eben auch Kriminelle sind, die man nach meinem Dafürhalten mit polizeilichen und geheimdienstlichen Mitteln besser bekämpfen kann, mit solchen Mitteln vorzugehen und sie durch solche Militärangriffe vielleicht sogar noch stärkt.

Schulz: Was schlagen Sie vor? Ich frage mal anders: Ihr Parteikollege war jahrelang Außenminister. Was hat er getan, um den Jemen zu stabilisieren und zum Beispiel zu immunisieren gegen Al Kaida?

Mützenich: Wir haben immer dafür geworben und ich glaube, dass das die jetzige Bundesregierung auch tun sollte. Der Jemen ist in einer sehr schwierigen Situation. Es ist das bevölkerungsreichste Land auf der arabischen Halbinsel, hat relativ wenige Erdöleinnahmen und viele Flüchtlinge, die aus dem Horn von Afrika hinüber gekommen sind. Da müssen wir beim innenpolitischen Aufbau helfen. Wir müssen aber auch dafür sorgen, dass diese Regierung in der Lage ist, mit den inneren Konflikten friedlich umzugehen. Sie müssen auf Ausgleich kommen. Und insbesondere müssen wir die regionalen Akteure, wie Saudi-Arabien und den Iran davon überzeugen, nicht den Jemen zu einem Gebiet zu machen, wo deren Auseinandersetzungen stattfinden. Wir brauchen im Grunde genommen eine regionale Sicherheitsarchitektur. Das werden wir nicht von Deutschland aus oder von Europa aus aufoktruieren können, aber wir müssen dafür werden. Ich glaube, das wäre auch das Ziel der Reise des Außenminister Westerwelle in die Region jetzt, mit dafür zu werben.

Schulz: Solche Konflikte entwickeln eine eigene Dynamik, gerade unter Verbündeten. Wenn Sie erleben, dass die USA sich jetzt in Stellung bringen gegen Al Kaida auf der arabischen Halbinsel, glauben Sie, da kommen noch Erwartungen auf die Bundesregierung zu, sich auch entsprechend zu engagieren?

Mützenich: Das kann sein. Auf der anderen Seite habe ich es in den letzten Jahren so erlebt, dass die Amerikaner im Hinblick auf militärische Fragen keine großen Erwartungen äußern, weil sie einfache einen riesengroßen Vorsprung an dieser Stelle haben. Ich glaube, wir müssten von Seiten Deutschlands gegenüber der amerikanischen Regierung deutlich machen, dass langfristig nur politische Stabilität in der Region helfen kann. Da hilft auch nur das Gespräch, insbesondere auch bei der internationalen Terrorismusbekämpfung und der Zusammenarbeit von Geheimdiensten. Wir haben ja auch erlebt, dass gerade bei der Situation in Detroit eigentlich die Informationen da gewesen sind, aber es im Grunde genommen nicht gereicht hat, das für die Auswertung auch nutzbar zu machen. Ich glaube, dass wir uns auch hier intensiver beschäftigen müssten, auch im Austausch gerade dieser Geheimdienste.

Schulz: Rolf Mützenich, der außenpolitische Sprecher der SPD im Bundestag. Er sagt, im Jemen hilft eher Diplomatie als Drohnen, um das Land zu stabilisieren. Danke für das Gespräch.