"Das Dilemma bleibt"
Andreas Schwarzkopf: Herr Mützenich, was sagen Sie zu dem Austausch eines US-Soldaten gegen fünf Taliban?
Rolf Mützenich: Ich halte es für vertretbar, was die Obama-Administration verhandelt hat. Es ist zum einen Teil der außenpolitischen Strategie der USA, auch mit Hilfe von Diplomatie und Gesprächen internationale Krisenherde einzudämmen. Zum anderen ist es Teil der gegenwärtigen innenpolitischen Diskussion, wie sich die US-Regierung um aktive Soldaten und Veteranen kümmert.
Schwarzkopf: Washington hat den Widerspruch richtig gelöst, einerseits nicht mit Terroristen zu verhandeln und andererseits keinen Soldaten zurückzulassen?
Mützenich: Das wird ein Dilemma bleiben. Damit ist auch beispielsweise die israelische Regierung immer wieder konfrontiert. Auch das israelische Kabinett muss mit militanten Gegnern verhandeln, um Soldaten zurückzuholen. Auf der anderen Seite spricht die Obama-Administration ja bereits mit den Taliban. Hier spielt das Land Katar eine wichtige Rolle ... wo die Taliban eine Art diplomatische Vertretung haben ... Alles in allem ordnet sich die jetzige Vereinbarung auch in diese Strategie ein.
Schwarzkopf: Befördert also der Gefangenenaustausch das Ziel, die Taliban zu politischen Akteuren in Kabul zu machen?
Mützenich: Das gehört zumindest dazu. Es kommt natürlich auch darauf an, ob und wie der neue afghanische Präsident mit Gruppen wie den Taliban, umgehen wird. Zusätzlich ist der Austausch vor dem Hintergrund zu verstehen, ob ein Sicherheitsabkommen geschlossen werden kann. Washington hat, so gut es geht, das Schicksal eines Soldaten mit einer Gesamt-Strategie verbunden.
Schwarzkopf: Stärkt der Gefangenenaustausch die afghanische Regierung oder wird sie geschwächt?
Mützenich: Es ist jedenfalls ein Hinweis darauf, dass Teile der Aufständischen über Verhandlungen eigene Ziele, wie die Befreiung von Mitgliedern, erreichen können. Auf jeden Fall versucht aber die Obama-Administration mit der Freilassung eines Militärangehörigen innenpolitisch zu punkten. Obama ist angetreten, das Gefangenenlager Guantdnamo zu schließen. Das scheiterte bisher an innenpolitischem Widerstand und der geringen Unterstützung befreundeter Staaten. Keiner will die Gefangenen.
Schwarzkopf: Ist die jetzige Vereinbarung ein Schritt, das umstrittene Lager doch noch aufzulösen?
Mützenich: Die Obama-Administration arbeitet weiter daran, die Gefangenen aus dem Lager herauszuholen. Gleichzeitig wird wohl Washington erneut versuchen, das auch innerhalb der USA zu lösen. Guantánamo ist und bleibt ein Makel der US-Außenpolitik. Obama muss sich an diesem Versprechen messen lassen.
Schwarzkopf: Aber der innenpolitische Widerstand bleibt groß. Ist der Austausch als Blaupause zu verstehen auch für die Ukraine, wo OSZE-Beobachter festgehalten werden?
Mützenich: Es gibt keinen unmittelbaren Zusammenhang. Aber wir sorgen uns alle um die verschleppten OSZE-Beobachter. Selbst Russland versucht mit seinen Möglichkeiten, diesen Fall zu beeinflussen und die OSZE als politisches Instrument zu erhalten. Wenn die USA eine solche Strategie unterstützen, wäre das zu begrüßen.