Debatte um deutschen Beitrag für UN-Truppe im Libanon

Moderation: Cordula Denninghoff
Veröffentlicht: 
WDR 5 Morgenecho, 18.08.2006
Thema: 
Interview mit Rolf Mützenich

Cordula Denninghoff: Angela Merkel hat gestern die Fraktionen darüber informiert, wie das deutsche Nahost-Engagement aussehen soll. Auch die Vereinten Nationen erfuhren, wie weit sich Deutschland vorwagen möchte. Vorgewagt hatte sich in den letzten Tagen besonders Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. Er sagte Gespräche mit Damaskus ab, weil sich Präsident Bashar el Assad Israelfeindlich geäußert hatte. Heute beschäftigt sich der auswärtige Ausschuss des Bundestages mit den Ergebnissen seiner Reise und dem geplanten deutschen Beitrag zur UN-Truppe. Rolf Mützenich ist Mitglied des Auswärtigen Ausschusses und abrüstungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Guten Morgen, Herr Mützenich.

Rolf Mützenich: Guten Morgen, Frau Denninghoff.

Denninghoff: Steinmeier hatte Großes vor: Er dachte, er könne Dynamik in die Entwicklung im Nahen Osten bringen, wenn er die Führung in Damaskus zu einer Zustimmung zur UN-Resolution bewegen könnte. Hat Steinmeier die Gesprächsbereitschaft Assads falsch eingeschätzt?

Mützenich: Nein, das glaube ich nicht. Insbesondere hat der deutsche Außenminister "Flagge gezeigt", "Gesicht gezeigt", im Nahen und Mittleren Osten und mit Initiativen geglänzt, wo andere Außenminister abwesend gewesen waren. Und ich glaube, er tut richtig daran, Syrien aus der "Umklammerung" des Iran zu befreien - da gibt es in Syrien derartige Stimmen auch. Und es ist gut, letztlich, "Auge in Auge" mit den dortigen Entscheidungsträgern auch zu sprechen.

Denninghoff: Aber man hat trotzdem den Eindruck, dass der Handlungsspielraum für eine deutsche Vermittlung nicht besonders groß ist.

Mützenich: Ja, wir wollen auch nicht vermitteln! Sondern, ich glaube, wir sollten uns Positionen anhören und - wenn das denn gewünscht ist - auch Botschaften von der einen zu der anderen Seite hinübertragen. Man muss ja sehen: In Syrien gab es - zwischen Syrien und Israel - bereits Mitte der 90er Jahre ein Fast-Übereinkommen über die Golanhöhen. Und für Syrien sind nun mal die Golanhöhen der entscheidende Punkt für eine Friedensbereitschaft gegenüber Israel.

Denninghoff: Deutschland will sich auch konkret an der Friedensmission beteiligen. Die Marine soll sich an der Grenzsicherung von der Seeseite her beteiligen. Reicht das aus?

Mützenich: Ja gut, es kommt natürlich darauf an - Deutschland wird nicht den einzigen Beitrag leisten. Andere Truppensteller sind genauso gefragt. Und da muss man schon feststellen, dass man über die französische Rolle enttäuscht sein muss! Frankreich war, zusammen mit den USA, diejenige Regierung, die den Sicherheitsratsbeschluss mit initiiert hat - und dass man jetzt gerade mal 200 Streitkräfte senden will, das ist eigentlich schon eine blamable Rolle. Ich glaube, es ist richtig, dass die Bundesregierung ? wenn das denn alles so stimmt, uns liegt ja als Bundestag noch nichts schriftlich vor - sich auf eine Rolle beschränken sollte, die auch der deutschen historischen Verantwortung gerecht wird. Ich gebe zu: Ich glaube, an der, sozusagen, Seeseite, das ist nicht die bevorzugte Route von möglicherweise Waffenlieferungen. Aber, das kann durchaus schon ein wichtiger Beitrag sein.

Denninghoff: Ja aber, sieht das denn dann nicht so aus, als würde Deutschland "kneifen"? Denn, eben Waffenlieferungen erfolgen ja hauptsächlich auf dem Landweg. Und an der libanesisch-syrischen Grenze sollen ja nun keine deutschen Soldaten stehen!

Mützenich: Ja, aber da tun wir auch gut daran! Bei meinem Besuch, gerade an dieser Grenze, wird doch eigentlich die Unübersichtlichkeit letztlich deutlich. Und ich glaube, wir tun gut daran, zum Beispiel Polizei und Zoll im Libanon auszubilden, um überhaupt dieser souveränen Aufgabe eines Staates gerecht zu werden - daran mangelt es. Und auf der anderen Seite: Wenn wir mit Marine dort patrouillieren, darf man natürlich nicht unterschätzen, dass das auch ein "robuster Einsatz" sein kann, insbesondere dann, wenn man Schiffe stoppen will.

Denninghoff: Ja genau! Dann wäre es ja ein Kampfeinsatz - und dieses "robuste Mandat" ist ja von der UN noch nicht erteilt worden.

Mützenich: Eben! Und diese Fragen müssen jetzt in den nächsten Tagen diskutiert werden. Und da plädiere ich letztlich dafür, dass wir uns das in Ruhe noch mal anschauen. Wir brauchen nichts zu überstürzen an dieser Stelle! Erstmal ist wichtig, dass der Waffenstillstand hält - und das scheint zumindest so zu sein.

Denninghoff: Würde denn die SPD einem möglichen Kampfeinsatz zustimmen?

Mützenich: Ich kann nicht für die SPD sprechen, ich kann nur für mich sprechen! Und ich würde einem Kampfeinsatz nicht zustimmen!

Denninghoff: Wie groß ist denn die Chance, dass der Bundestag überhaupt einem - wie auch immer gearteten Einsatz - zustimmt?

Mützenich: Das ist schwer zu sagen. Weil, man kann ja nicht über 600 Abgeordnete, sozusagen, "über einen Daumen anpeilen". Es gibt eine längere Debatte bereits schon seit mehreren Tagen über diese Frage. Und ich glaube, es ist gut so! Weil auch innerhalb der deutschen Bevölkerung ja eine unterschiedliche Einschätzung besteht. Und da ist das Parlament eigentlich letztlich nur "Spiegelbild" dafür. Ich denke aber, wenn wir Truppen in diese Region - und das ist dann ein "historisches Mandat" - entsenden, darf das nicht nur eine knappe Mehrheit sein!

Denninghoff: Sie sagten vorhin, Sie persönlich würden jetzt einem Kampfeinsatz nicht zustimmen. Heißt das denn auch, wenn es dabei bleibt, eine Sicherung der Seeseite zu gewährleisten, dass Sie dann dagegen stimmen würden, weil es eben zu Kampfeinsätzen kommen könnte?

Mützenich: Nein, das kommt dann darauf an, mit welchem Mandat eben diese Truppe ausgerüstet ist. Und es gibt überhaupt scheinbar in dieser Sicherheitsratsresolution ja
keinen direkten Bezug zu Kapeitel 7, der ja ein "robustes Mandat" beinhalten würde. Deswegen, wenn sozusagen die Sicherungs- und Aufklärungsrolle der Marine an dieser Stelle wäre, wäre auch die Sicherheitsresolution erfüllt. Und da brauchen wir nicht mehr über Kampftruppen nachzudenken. Ich glaube, dass das auch letztlich das richtige Herangehen wäre. Und, wir dürfen uns nichts vormachen: Wir werden in dieser Region nur für einen Frieden letztlich mit beitragen können, nicht mit Truppen, sondern nur mit einer klugen, deutschen Außenpolitik - so wie Außenminister Steinmeier dies tut.
 
Denninghoff: Rolf Mützenich, Mitglied des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag und abrüstungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, über das deutsche Nahost-Engagement und die Steinmeier-Reise. Vielen Dank.