"Wir brauchen den Iran mit am Tisch"

Interview mit Leon Stebe
Veröffentlicht: 
rbb Inforadio, 29.10.2015
Thema: 
Treffen der Außenminister in Wien

Die Außenminister der fünf UN-Vetomächte sowie zahlreicher weiterer Staaten beraten ab Freitag in Wien über einen Ausweg aus dem Syrien-Konflikt. Einer der Streitpunkte zwischen den Staaten ist das politische Schicksal des syrischen Staatschefs Assad. Die USA und Saudi-Arabien fordern dessen Ablösung. Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Mützenich, begrüßte, dass auch der Iran bei den neuen Vermittlungsbemühungen vertreten ist. Um eine politische Lösung des Konflikts zu finden, brauche man die Regierung in Teheran, sagte Mützenich im Inforadio.

Interview in voller Länge:

Leon Stebe: Das wichtigste Ziel der deutschen Regierung ist es im Moment, dass die Fluchtursachen bekämpft werden, heißt es ja immer. Aber klar ist: Das wird nicht über Nacht gehen. Im Bürgerkrieg in Syrien spielen so viele Interessen eine Rolle. Aber immerhin, es bewegt sich etwas. Diplomaten kommen ab heute wieder zusammen, um über einen Weg zum Frieden zu verhandeln, darunter US-Außenminister John Kerry, sein russischer Amtskollege Lavrov und - das ist neu - auch der iranische Außenminister hat eine Einladung bekommen. Kann das vielleicht eine Wende bringen?

Darüber möchte ich mit Rolf Mützenich sprechen. Er ist der stellvertretende Vorsitzende der SPD- Bundestagsfraktion, zuständig für den Bereich Außenpolitik. Jetzt ist er für uns am Telefon. Guten Morgen, Herr Mützenich.

Rolf Mützenich: Guten Morgen, Herr Stebe.

Stebe: Herr Mützenich, wie wichtig ist es, dass der Iran bei diesen Verhandlungen mit am Tisch sitzt?

Mützenich: Es ist entscheidend, dass der Iran dieses Mal mit eingeladen worden ist. Darauf haben wir lange hingewirkt, auch schon bei den Konferenzen, die damals in Genf stattgefunden haben. Der Iran ist ein wichtiger Akteur in diesem Konflikt. Er hat die Hisbollah im Libanon mobilisiert, um in Syrien zu kämpfen. In den letzten Wochen sind mehrere Generäle der iranischen Revolutionsgarden um Leben gekommen. Das zeigt, er ist in diesem Konflikt involviert und wenn wir ihn politischen lösen wollen, brauchen wir den Iran mit am Tisch.

Stebe: Die Amerikaner waren bisher ja immer skeptisch, haben es eigentlich abgelehnt, dass die Iraner mit am Tisch sitzen. Ich meine, welchen Beitrag kann der Iran jetzt wirklich leisten, damit der Frieden in Syrien eine Chance bekommt?

Mützenich: Der Iran ist insbesondere ein Unterstützer des Regimes Assad. Ihm geht es sehr stark darum, eine gewisse Region in diesem Konfliktgebiet, was ja dann auch letztlich an seiner Grenze liegt, unmittelbar zu beeinflussen. Und er glaubt, dass er das über den alevitischen Teil, insbesondere auch über die Geheimdienste, die das Regime ausmachen, letztlich auch schaffen kann. Ob das die Person Assad am Ende ist, oder ob es nicht sozusagen grundsätzlich um eine Systemfrage geht, das wird mit zu erörtern sein in diesen Gesprächen.

Stebe: Jede Seite muss, wenn sie es ernst meint, ja auch Kompromisse eingehen und bisher hat der Westen ja kategorisch gesagt, Assad muss weg. Muss Europa, muss der Westen, da dann doch einen Kompromiss eingehen? Geht es vielleicht nur mit Assad?

Mützenich: Das haben wir ja in den letzten Wochen gesehen, dass sich viele Akteure, die sich bisher massiv gegen die Person Assad ausgesprochen haben, durchaus bewegt haben. Ich habe es aber immer so verstanden gehabt, dass insbesondere auch die deutsche Position sehr stark darauf orientiert gewesen ist, unabhängig von Personen nach Friedenslösungen Ausschau zu halten und insbesondere auch dem Beauftragten des Generalsekretärs der Vereinten Nationen de Mestura zu unterstützen, der ja zum Beispiel lokale Waffenruhen und vieles andere gefordert hat, sich sozusagen aus dem ideologischen heraus gehalten hat. Andererseits sage ich auch ganz offen: Es kann nicht sein, dass diejenigen, die sich schwerster Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht haben, am Ende aus einer - wenn es eine Lösung gibt - heraus mogeln werden können. Ich finde, darauf muss die deutsche Stimme auch achten.

Stebe: Der deutsche Außenminister Frank Walter Steinmeier hat ja ganz klar gesagt, er erwarte jetzt noch keinen Durchbruch in diesen Verhandlungen. Und wenn wir von der Bundeskanzlerin immer hören, es gehe vor allen Dingen um die Bekämpfung der Fluchtursachen und das sei jetzt das Wichtigste, gehört es dann nicht zur Ehrlichkeit dazu zu sagen: Dieser Prozess, der wird wahrscheinlich sehr, sehr lange dauern, möglicherweise auch viele Jahre?

Mützenich: Frank Walter Steinmeier hat sich in den letzten Monaten immer dafür eingesetzt, nach diplomatischen Lösungen Ausschau zu halten. Die letzte Reise hat er nach Teheran und Saudi-Arabien geführt und das zeigt ja auch, es gibt eben auch einen zweiten Akteur, der massiv in den vergangenen Monaten verhindert hat, dass es vielleicht auch zu Fortschritten kommt, indem man sehr engstirnig nur über den Iran gesprochen hat, aber die Bürgerkriegssituation in Syrien außen vor gelassen hat, nämlich Saudi-Arabien. Aber Sie haben Recht, Herr Stebe, das heißt nicht, dass wir heute einen Durchbruch sehen werden, aber es ist zumindest ein neuer Anlauf. Und in der Tat, da werden wahrscheinlich noch viele Wochen ins Land gehen, bis wir auch überhaupt offiziell, öffentlich Fortschritte sehen werden.