"Beharrlichkeit mit Erfolg gekrönt"
Der Iran muss in den kommenden zehn Jahren internationale Beobachter auf seine Atomanlagen lassen und bereits angereichertes Nuklearmaterial zurückführen - im Gegenzug werden die Wirtschaftssanktionen gegen das Land schrittweise abgebaut. So sieht es der heute gefundene Kompromiss vor.
Für den SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich ist dies ein richtiger Weg. "Die Diplomatie hat durch Beharrlichkeit Entscheidungen Erfolg gehabt", sagte er im Gespräch mit Martin Krebbers. Ob sich der Iran allerdings an das Abkommen halten werde, müsse man abwarten.
Martin Krebbers: Ein historischer Tag. Rolf Mützenich ist außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Zugeschaltet aus unserem Hauptstadtstudio habe ich ihn heute Mittag gefragt, ob ihn dieses Ergebnis zufrieden stellt.
Rolf Mützenich: Wir glauben schon. Weil insbesondere die Frage der Verifikation, also der Überwachung durch die internationale Atomenergiebehörde und die Rückführung von bisher angereichertem Material doch schon darauf hindeuten kann, dass dem Iran die Fähigkeit einer Nuklearwaffe innerhalb kürzester Zeit zu erreichen, genommen wird. Und ich finde, das ist der angemessene und auch richtige Weg mit diesem auch internationalen Problem richtig umzugehen, denn hier hat die Diplomatie auch wirklich durch Beharrlichkeit und kluge Entscheidungen einen Erfolg hervor gebracht.
Krebbers: Vertrauen Sie der iranischen Führung, dass sie es aufrichtig meint?
Mützenich: Das wird schwer sein. Vertrauen kann man nur über einen längeren Zeitraum aufbauen. Und genau das wird die iranische Führung auch zeigen müssen, ob sie die Inhalte, die gefunden worden sind, umsetzt. Auf der anderen Seite haben wir durchaus auch Anhaltspunkte, dass der Iran auch ein Interesse hat, die Fragen des Deals auch umzusetzen, weil mit der Lockerung der Sanktionen der Iran ja auch stärkere wirtschaftliche und vielleicht auch langfristig soziale Vorteile glaubt zu bekommen. Wichtig wäre aber da auch, dass die Regierung Rohani endlich eine Wirtschaftspolitik betreibt, die gegen Inflation und gegen Jugendarbeitslosigkeit, aber auch Korruption vorgeht.
Krebbers: Welches Instrument, Herr Mützenich, hat denn hier denn hier letztendlich zum Durchbruch verholfen? Ist es der Erfolg der Sanktionen?
Mützenich: Die Sanktionen spielen mit Sicherheit eine Rolle. Nur, letztendlich war Präsident Obama der Türöffner gewesen, der nämlich erkannt hat, dass die USA sich nicht mit militärischer Intervention einem Problem entledigen werden können, sondern nur mit der Beharrlichkeit der Diplomatie. Ich finde, das ist der besondere Erfolg der amerikanischen Regierung.
Krebbers: Die Amerikaner haben Sie genannt. Fünf UN-Vetomächte haben mit am Tische gesessen. Frankreich, Großbritannien und Russland, plus dann eben Deutschland als einzige Nicht-Atommacht mit am Tisch. Welche Rolle hat Deutschland bei diesen Verhandlungen eigentlich gespielt?
Mützenich: Deutschland war, glaube ich, ein wichtiger Partner und im Grunde genommen auch der Ideengeber, denn wir sollten uns zurück erinnern: Es waren Gerhard Schröder und Joschka Fischer, die diese Initiative mit auf den Weg gebracht haben, im Grunde genommen, um eine weitere Eskalation im Nahen und Mittleren Osten zu verhindern. Es wäre nämlich nicht ausgeschlossen gewesen, dass der damalige Präsident Bush mit seiner Mehrheit, mit seiner Entscheidung nach dem 11. September 2001 gegen den Irak vorzugehen, auch irgendwann im Iran interveniert hätte. Und die diplomatische Initiative hat ja auch mit dazu gedient, dieses Problem mit multilateralen Ansätzen zu verhindern und am Ende hat es sich, glaube ich, gelohnt.
Krebbers: Harte Kritik kommt vor allem aus Israel. Nicht ganz überraschend, aber doch deutlich. Aus der Regierung heißt es, dass sei eine ?Lizenz zum Töten?, die da verabschiedet worden ist. Konnte man auf die Ängste Israels nicht mehr Rücksicht nehmen?
Mützenich: Die Ängste Israels waren immer ein Leitmotiv für diese Verhandlungen, denn der Ansatz der Verhandlungspartner besteht ja darin, der Sicherheit Israels ist besser genüge getan mit einem Abkommen, das die Atomaktivitäten überprüft, was das bisher angereicherte Material auch zurückführt. Ich glaube, das sind die Ansätze gewesen. Dass Israel Sorgen hat, das ist ganz klar. Ich glaube nur, dass man auch nicht überbewerten darf. Nentanjahu ist die eine Stimme, das Establishment innerhalb Israels ist doch viel breiter und sehr viel pluralistischer und da gab es durchaus auch Vertreterinnen und Vertreter, insbesondere aus dem Militär und dem Geheimdienst, die gesagt haben, wir probieren diesen Weg. Und jetzt werden wir einfach in den nächsten Wochen und Monaten sehen, welche Schlussfolgerungen Israel ziehen wird.
Krebbers: Am Ende müssen die Parlamente in Teheran und vor allem in Washington dem Abkommen noch zustimmen. Rechnen Sie da mit Problemen durch die Hardliner hüben wie drüben?
Mützenich: Das wird sehr schwer. Wie eine verlässliche Vereinbarung durch diesen Gang erreicht werden kann, weiß ich gar nicht so konkret. Es ist zunächst einmal ein Abkommen zwischen den Regierungen. Und wie zum Beispiel der Kongress dieses Abkommen jetzt in den nächsten Tagen bewerten wird, das werden wir sehen. Im Iran haben wir eine andere Situation. Wir werden sehr genau beobachten, wie der religiöse Führer Chamenei die Interpretation auch in der Innenpolitik voran bringt und da werden sich dann auch die Abgeordneten sehr stark dran orientieren.
Krebbers: Also würden Sie mit der Bewertung "historisch" noch einen Moment lang warten?
Mützenich: Ich würde zumindest immer vorsichtig sein mit diesen Begriffen. Aber dass es doch am Ende gelungen ist, mit dem Iran zu einer Vereinbarung zu kommen, das hat auch nicht jeder erwartet. Und wenn man dann zum Beispiel "historisch" nimmt, könnte man sagen, dass ein amerikanischer Außenminister so lange Zeit mit einem iranischen Außenminister verbringt, hätte man nach dem Sturz von Mossadegh und auch der Besetzung der amerikanischen Botschaft damals in Teheran nicht geglaubt. Es ist auf jeden Fall ein neues Kapitel, das aufgeschlagen wurde.