Aufruhr im Iran - Was kann das Ausland tun?

Interview mit Frauke Oppenberg und Steen Lorenzen
Veröffentlicht: 
Radio 1, 17.06.2009
Thema: 
Iran nach den Wahlen

Aufruhr im Iran: Nach den Vorwürfen der Wahlfälschung werden die Proteste gegen Präsident Ahmadinedschad immer stärker. Gestern gingen wieder zehntausende Anhänger des Oppositionsführers Mussawi auf die Straße. Ihre Losung: ?Gebt uns unsere Stimmen zurück?, und: ?Tod dem Diktator?.

Der religiöse Wächterrat will das umstrittene Wahlergebnis zwar überprüfen. Zugleich herrscht auf den Straßen Teherans weiter rohe Polizei-Gewalt. Unabhängige Medienberichterstattung ist verboten.
Wie sollte das Ausland reagieren? In Berlin diskutiert darüber heute der Bundestag. Wir sprachen mit Rolf Mützenich, SPD-Außenpolitiker und Vorsitzender der deutsch-iranischen Parlamentariergruppe:

Frauke Oppenberg: Schönen guten Morgen, Herr Mützenich

Rolf Mützenich: Guten Morgen!

Oppenberg: Sie haben gute Kontakte in den Iran. Was haben Sie zuletzt über die Situation vor Ort in Erfahrung bringen können?

Mützenich: Nun über Telefonate und auch wie man heute das Internet benutzen kann merkt man doch, wie angespannt die Situation ist. Auf der anderen Seite finde ich, gibt es viele mutige Menschen in Teheran, aber auch woanders, insbesondere junge Menschen und Frauen, die sich offensichtlich weigern, das Ergebnis anzuerkennen und insbesondere sagen, "wir sind manipuliert worden".

Steen Lorenzen: Immerhin überprüft der Wächterrat ja nun, zumindest in teilen, noch mal die Wahl. Für dieses Zugeständnis ist der Geistige Führer und vor allem mächtigste Mann im Iran, Ayatollah Chamenei, verantwortlich. Es ist allerdings kaum zu erwarten, dass die Wahl deswegen annulliert wird. Was kann denn die Opposition realistischerweise noch erreichen, außer dieses Zugeständnisses?

Mützenich: Man muss sehen, dass das System im Iran sehr kompliziert ist. Der religiöse Führer hat zum Schluss das letzte Wort und es ist ein Aushandlungsprozess. Man muss natürlich auch sehen, dass er sein Gesicht bewahren will, insbesondere weil er ja sehr früh auf Ahmadinedschad gesetzt hat. Das ist jetzt durchaus schon ein Kompromiss, der wichtig gewesen ist, um die Situation zu beruhigen, insbesondere damit die Demonstrationen, die ja von verschiedenen Seiten kommen, friedlich verlaufen.

Oppenberg: Herr Mützenich, ist das denn alles, was die Opposition erreichen kann?

Mützenich: Nein, die Opposition will natürlich erreichen, dass alle Stimmen gezählt werden. Das ist erstmal wichtig. Wir werden abwarten, was das Ergebnis an einzelnen Stellen bedeutet. Es gab ja Regionen, wo es zu viele Stimmzettel gab, in anderen gab es zu wenig. Das ist ja der Aushandlungsprozess. Ich glaube, dass hinter den Kulissen noch Zeit gebraucht wird, um diese Kompromisse zu finden. Ich hoffe zumindest, dass Kompromisse gefunden werden und nicht, dass Gewalt auf die Strasse zurückkehrt.

Lorenzen: Welchen Einfluss kann den die Welt auf das Geschehen nehmen. Heute trifft sich ja der Bundestag zu einer Debatte. Reicht es da zum Beispiel, wenn der Botschafter einberufen wird, wie es Außenminister Steinmeier getan hat?

Mützenich: Das war zumindest der erste richtige Schritt. Auch dass wir jetzt im deutschen Bundestag darüber debattieren ist richtig, weil das Regime in Teheran sehen muss, dass wir das in der Öffentlichkeit verfolgen und dass wir ein großes Interesse daran haben, dass, wenn Wahlen statt finden, diese auch in den Formen statt finden, die möglich sind und sie eben nicht mit Unregelmäßigkeiten ausgestattet werden. Es ist das Wichtigste, ein Zeichen zu setzen und auch wiederum Mut zu machen. Und ich glaube, insbesondere Präsident Obama hat die richtigen Worte gefunden. Er ist weiterhin zu einem Dialog bereit, aber er sagt natürlich auch, dass das Regime anerkennen muss, dass diese Wahlen statt gefunden haben und es eben nicht zu Unregelmäßigkeiten kommen darf.

Oppenberg: Also ist das die einzige Position, die das Ausland einnehmen kann, also weiterhin die Tür offen zu halten für einen Dialog, auch mit Ahmadinedschad?

Mützenich: Nein, wir müssen einen Dialog offen halten in Richtung Iran, weil wir Probleme haben mit dem Iran. Und Ahmadinedschad ist nur ein Faktor innerhalb des iranischen Systems. Die letzte Entscheidung wird in einem inneren Gremium gefasst und Sie sehen ja auch, dass Ahmadinedschad relativ schnell von dieser Bühne verschwunden und ins Ausland gefahren ist. Das zeigt natürlich auch, dass er an den unmittelbaren Entscheidungsprozessen zum jetzigen Zeitpunkt nach meinem Eindruck nicht beteiligt ist.

Lorenzen: Heute debattiert der Bundestag über die Entwicklungen in Iran. Wir haben darüber mit Rolf Mützenich gesprochen, SPD-Außenpolitiker und Vorsitzender der Deutsch-Iranischen Parlamentariergruppe.