"Wie weiter im Atomstreit mit Iran?"
Judith Schulte-Loh: Ob es in dem Atom-Konflikt mit dem Iran noch eine Verständigung gibt, ist mehr als fraglich. Präsident Ahmadinedschad hält am Nuklearprogramm seines Landes fest, trotz der Vermittlungsbemühungen des UNO-Sicherheitsrates. Die 5 UNOVetomächte und Deutschland hatten Teheran wirtschaftliche und technologische Zusammenarbeit angeboten, im Gegenzug für den Verzicht auf die Urananreicherung. Aber der iranische Präsident will dieses Angebot offenbar nicht annehmen. Die Frage ist: Was nun? Bei mir im Studio ist Dr. Rolf Mützenich, abrüstungs- und nahostpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Herr Dr.Mützenich, erst gestern, so hieß es von Seiten der Bundesregierung, soll es wieder hochrangige Kontakte mit dem Iran gegeben haben. Worüber wird jetzt überhaupt noch verhandelt?
Mützenich: Nun, der wichtige Aspekt ist, dass wir den Iran bitten, zu Kooperation und zu Verständigung zurückzufinden über sein Nuklearprogramm. Das Angebot der westlichen Gemeinschaft - aber einschließlich Russlands und China - ist ja sehr weitgehend, dass wir nämlich wirtschaftliche und politische Kontakte anbieten. Und ich glaube, das Herausragende des jüngsten Angebots ist gewesen, dass die USamerikanische Regierung sich diesem Angebot zugesellt hat, beigestellt hat, und sowohl den politischen Kontakt wünscht zur iranischen Führung. Und das ist schon ein deutlicher Schwenk. Und eigentlich hätte man erwarten sollen, dass die iranische Seite dieses Angebot nicht nur ernsthaft geprüft hätte, sondern auch möglicherweise darauf eingegangen wäre. Das hätte ich mir gewünscht.
Schulte-Loh: Warum hätte man das erwarten sollen? Also, der syrische Präsident hat bei seinem Besuch in Teheran am Wochenende noch einmal deutlich gemacht, dass jedes Land, auch Iran, ein Recht auf Urananreicherung und ein eigenes Atomprogramm habe. So sieht es auch Ahmadinedschad. Wie sehen Sie das?
Mützenich: Das sehe nicht nur ich genau so, sondern auch die westliche Gemeinschaft. Niemand spricht dem Iran grundsätzlich das Recht auf Atomenergie ab. Aber der Punkt ist einfach: Der Iran hat die letzten Jahre dazu genutzt, möglicherweise militärische Aspekte in diesem Atomprogramm zu verstecken. Das hat die Internationale Atomenergieorganisation bis heute nicht ausräumen können. Und deswegen wollte die Verhandlungsgruppe als Aspekt einer Verständigungsbereitschaft die Aussetzung der Urananreicherung haben. Und es gibt eine Menge Fragen immer noch in diesem Zusammenhang - nicht nur die große Dimension der Urananreicherung, sondern der Schwerwasserreaktor, der in Arrak gebaut wird. Alles dies sind Fragen, die eben möglicherweise auch zu militärischen Aspekten missbraucht werden. Und vor dem Hintergrund der Äußerungen von Ahmadinedschad gegenüber Israel ist natürlich die Gemeinschaft innerhalb des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen sehr besorgt.
Schulte-Loh: Nun sagt Ahmadinedschad selber, das iranische Atomprogramm dient ausschließlich zivilen Zwecken. Sie können dem nur ein "möglicherweise nicht" entgegensetzen?
Mützenich: Ich verlasse mich nicht nur auf Aussagen von politischen Repräsentanten, sondern insbesondere von Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde. Und die konnten noch nicht alle Fragen ausräumen, sondern haben zusätzliche Fragen in den vergangenen Monaten gestellt. Und die müssen so weit geklärt werden, dass Vertrauen hergestellt werden kann. Ich glaube, der iranischen Führung geht es insbesondere darum, auf gleicher Augenhöhe - insbesondere mit den USA - zu verhandeln. Und deswegen war das, was Außenministerin Rice in der Vergangenheit getan hat, auch einen Beauftragten zu den Gesprächen zu schicken, schon ein deutliches Signal. Und im Grunde genommen, bezieht sich das auf eine Erfahrung, die wir mit Nordkorea und Libyen gemacht haben, weil ja diese beiden Staaten auch verdächtigt wurden, Atomwaffen besitzen zu wollen oder auch - wie im Falle Nordkoreas - zu besitzen.
Schulte-Loh: Nun gibt es jetzt wieder den Ansatz, dass man sagt: Wir haben noch von Iran, beziehungsweise von Ahmadinedschad, nichts gehört. Also, er will offensichtlich dieses Angebot auch nicht haben, was wir ihm machen so großzügig. Und jetzt droht man wieder mit neuen UN-Sanktionen. Wäre es nicht mal an der Zeit, über eine neue Verhandlungsstrategie, auch mit dem Iran, tatsächlich nachzudenken. Und nicht gleich, wenn etwas nicht so kommt, wie gewünscht - sage ich mal ganz einfach - mit Sanktionen zu drohen, in das alte Muster wieder zu verfallen, was wir seit Jahren schon kennen?
Mützenich: Na ja, im Grunde genommen wird die Strategie ja immer angepasst. Das, was wir vor einigen Jahren entwickelt haben, ist ja nicht mehr heute auf der Tagesordnung. Insbesondere die Frage, dass wir den Iran bitten, für die ersten 6 Wochen nur die Urananreicherung zur Vertrauensbildung auszusetzen, ist schon ein deutlicher Schritt. Auch das Angebotspaket ist breiter geworden. Der Iran ist beeindruckt immer darüber, dass er die internationale Gemeinschaft nicht spalten kann. Und darauf, glaube ich, kommt es auch zu Recht der Bundesregierung an, Russland und China mit im Boot zu haben. Und natürlich ist die Frage zu Recht jeden Tag gestellt: Stimmen politische Strategien? Nur in diesem Zusammenhang müssen wir einfach sagen: Wir müssen, wenn es Verstöße gegen Verträge gibt, die der Iran auch mit unterzeichnet hat, natürlich auch sanktionieren. Und da bleibt gar nichts anderes übrig, als möglicherweise im Sicherheitsrat darüber zu sprechen, ob es möglicherweise politische und wirtschaftliche Instrumente gibt, die den Iran zu einem Wechsel bringen könnten. Dies war bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht erfolgreich. Aber das hat natürlich auch etwas mit den politischen Rahmenbedingungen in der Region zu tun.
Schulte-Loh: Wenn man aber einmal noch mal etwas ganz anderes denkt und sich mutig auf eine andere Seite stellt - auch, wenn man Ahmedinedschad und das, was er sagt in voller Form ablehnen muss - aber sagt: OK, ich nehme mir mal die Position des Landes, das von den Amerikanern zur "Achse des Bösen" erklärt wurde, das militärisch bedroht wird, das sich denkt "Warum soll ich nicht eigentlich auch Atomkraft nutzen dürfen, vielleicht sogar militärisch". Pakistan hat die Atombombe. Und es ist auch nicht sicher. Warum soll man da nicht mal die Position wechseln und denken, ein partnerschaftliches Aufeinanderzugehen kann nur tatsächlich aus dieser Sackgasse herausführen?
Mützenich: Ich will das überhaupt nicht in Frage stellen. Und ich glaube, dass das auch möglicherweise ein Aspekt für weitere Verhandlungen wäre. Darauf kommt es aber an, dass innerhalb der 6er-Gruppe, insbesondere die USA bei diese Strategie auch mit ihm Boot bleiben. Und natürlich weiß ich auch, dass das Fenster sich durch die kommenden Wahlen in den USA schließt. Barack Obama, aber auch McCain, haben unterschiedliche Überlegungen in diesem Zusammenhang angestellt. Und ich glaube, man muss jetzt einfach die nächsten Monate abwarten, um über möglicherweise neue Strategien nachzudenken. Europa ist da offen. Aber, man muss natürlich sehen, die Atomenergie darf nicht zu militärischen Zwecken missbraucht werden, wenn man Mitglied - wie der Iran - im Atomwaffensperrvertrag ist.
Schulte-Loh: Zur Frage "Wie weiter im Atomstreit mit dem Iran" war das Dr. Rolf Mützenich, abrüstungs- und nahostpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Danke für den Besuch im Studio.