Angst als Waffe

Interview mit Jürgen Mayer
Veröffentlicht: 
WDR 2, 11.08.2014
Thema: 
WDR 2 Gespräch über die IS-Miliz im Irak

Sollten kurdische Streitkräfte im Irak in ihrem Kampf gegen die IS-Milizen mit Waffenlieferungen unterstützt werden? Rolf Mützenich, zweiter Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, ist dagegen, ARD-Korrespondent Volker Schwenk dafür.

Jürgen Mayer: Zehntausende Jesiden und auch Christen sind im Nordirak auf der Flucht vor den brutalen Djihadisten des IS, des Islamischen Staates, die einen Khalifatsstaat in der Region bilden wollen. Tausende sind von dieser Terror-Miliz bereits getötet worden, auf grauenvollste Art und Weise gequält worden, wie man hört, vergewaltigt. Die Amerikaner bombardieren diese IS-Terroristen seit Freitag, gemeinsam mit Briten und auch Franzosen, werfen aber auch Lebensmittel ab über dem Gebiet.
Rolf Mützenich ist bei uns im Studio, der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion. Und, Herr Mützenich, wo sind denn wir Deutschen bei dieser Hilfsaktion?

Rolf Mützenich: Wir Deutschen versuchen, gerade im Bereich der humanitären Hilfe, aber auch im Bereich der Verfügungstellung von Gütern und Finanzmitteln tätig zu werden und wenn darüber hinaus unserer europäischen Partner wünschen, dass wir uns auch weiter engagieren ? ich glaube auch, wir sollten uns weiter engagieren, gerade auch bei der Aufnahme von Flüchtlingen engagieren, dann ist das eine Maßnahme, die wir in den nächsten und Tagen auch zu entscheiden haben. Aber ich glaube, es ist sozusagen falsch am Platze, immer wieder zu sagen, jetzt müssen wir auch militärisch dort hinein gehen.

Mayer: Die beste Hilfe für die Menschen dort unten ist aber vermutlich, wenn diese IS-Truppen gestoppt werden. Bislang sind es nur die Kurden, die kurdischen Milizen, die ihnen etwas entgegen setzen, die Amerikaner wollen sie mit Waffen ausstatten. Auch in Deutschland wird immer mehr diese Forderung laut, unter anderem hat der BND-Präsident das gefordert. Ist das sinnvoll, Waffen an die Kurden zu geben?

Mützenich: Ich bin im Zweifel. Niemand geht über die Bilder einfach leichtfertig hinweg und in der Tat, die Kurden sind die, die derzeit gegen die IS vorgehen. Aber es sind auch schiitische Milizen. Nur, wenn Sie sich die Situation im Irak anschauen, dort herrscht kein Mangel an Waffen. Dort sind mehr als 12 Milliarden US-Dollar in den vergangenen Jahren für Waffen ausgegeben worden. Das entscheidende Problem ist, dass die Gruppen im Irak nicht bereit sind, gegen ihre gemeinsamen Gegner auch gemeinsam vorzugehen. Und ich finde, darauf müssen wir uns konzentrieren und die Kurden haben natürlich auch in den letzten Tagen versucht, eine eigene Souveränität herzustellen und das hat manches Misstrauen im Irak hervorgerufen und Waffen könnten möglicherweise auch wieder in einem neuen Bürgerkrieg eingesetzt werden.

Mayer: Nun ist die Situation so schlimm, wie wir sie nun haben. Aber seit Monaten ist diese IS-Truppe unterwegs, verbreiten Terror und Schrecken. Haben da nicht alle gepennt, hat die Welt da nicht geschlafen und haben da nicht alle einfach nur tatenlos zugesehen, auch Deutschland, auch der deutsche Außenminister?

Mützenich: Ja, es ist richtig und das ist auch so. Aber man kann es nicht so sagen, dass wir das verschlafen haben, sondern wir müssen ja auch Ansatzpunkte dafür finden. Und die entscheidenden Ansatzpunkte sind gerade im inneren des Irak gegeben, der natürlich durch die Intervention der USA in einen Gewaltraum gerutscht ist, wie wir ihn überhaupt noch nicht in den vergangenen Jahrzehnten gesehen haben. Und Maliki ist zum Beispiel nicht bereit, als derjenige, der die Parlamentswahlen gewonnen hat, auch Kompromisse einzugehen. Und genau da, glaube ich, müssen wir auch versuchen, von Seiten Europas, aktive zu werden.

Mayer: Das ist der Regierungschef der, das müssen wir an dieser Stelle vielleicht einmal sagen.

Mützenich: Das ist der Regierungschef, der derzeitige Regierungschef noch, und wir hoffen eben, dass wir auch mit befördern können, mit den USA, mit den anderen Kräften zusammen, dass es zu einer Regierung der nationalen Einheit kommt. Das wäre, glaube ich, langfristig auch das entscheidende Mittel, um gegen die IS vorzugehen, die ja auch nur ein kleiner Teil sind, unter diesen gewaltbereiten Gruppen.

Mayer: Humanitäre Hilfe, ja, finanzielle Hilfe auch, aber Waffen an die Kurden zu liefern, das muss nicht unbedingt sinnvoll sein, sagt Rolf Mützenich im WDR 2, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD. Danke, dass sie hier waren.

Mützenich: Vielen Dank für die Einladung.